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Der Ölbaum-Garten

Er ging hinauf unter dem grauen Laub
ganz grau und aufgelöst im Ölgelände
und legte seine Stirne voller Staub
tief in das Staubigsein der heißen Hände.

Nach allem dies. Und dieses war der Schluß.
Jetzt soll ich gehen, während ich erblinde,
und warum willst Du, daß ich sagen muß
Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde.

Ich finde Dich nicht mehr. Nicht in mir, nein.
Nicht in den andern. Nicht in diesem Stein.
Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein.

Ich bin allein mit aller Menschen Gram,
den ich durch Dich zu lindern unternahm,
der Du nicht bist. O namenlose Scham…

Später erzählte man: ein Engel kam -.

Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht
und blätterte gleichgültig in den Bäumen.
Die Jünger rührten sich in ihren Träumen.
Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht.

Die Nacht, die kam, war keine ungemeine;
so gehen hunderte vorbei.
Da schlafen Hunde und da liegen Steine.
Ach eine traurige, ach irgendeine,
die wartet, bis es wieder Morgen sei.

Denn Engel kommen nicht zu solchen Betern,
und Nächte werden nicht um solche groß.
Die Sich-Verlierenden läßt alles los,
und sie sind preisgegeben von den Vätern
und ausgeschlossen aus der Mütter Schooß.

Aus: Neue Gedichte (1907) 

Ach zwischen mir und diesem Vogellaut:
was war verabredet? Ich weiß nicht mehr -,
(ach zwischen mir und diesem Vogellaut)

Nein nein, der klang nicht nur aus Regennäh,
nicht nur aus Gartenüberfluß, nicht nur
weil andre Vögel gerne Vögel hören.

Jetzt sollte innen ein Gefühl in mir
anheben -? Welches, welches? Übereinkunft,
zu alte Übereinkunft. Ach aus solchem

Vergessenhaben wird die Zeit………

Rainer Maria Rilke

Aus einem Brief an Sidonie Nádherný von Borutin, 2. April 1910

Schließlich steht auf den Herzen, wie auf gewissen Medizinen: vor dem Einnehmen zu schütteln, ich bin die letzten Jahre immerzu geschüttelt worden, aber nie eingenommen.

Aus einem Brief an Elsa Bruckmann, 14.12.1911

Frühling

Nicht so sehr der neue Schimmer tats,
daß wir meinen, Frühling mitzuwissen,
als ein Spiel von sanften Schattenrissen
auf der Klärung eines Gartenpfads.

Schatten eignet uns den Garten an.
Blätterschatten lindert unsern Schrecken,
wenn wir in der Wandlung, die begann,
uns schon vorverwandelter entdecken.

1924

Es liegt viel Schnee, aber die Losung heißt: „Tauen!“, und die Sonne hat schon da und dort eine braune Stelle gegenüber, die schlaftrunken antwortet, – nicht mehr cette lumineuse absence blanche et uni. Wie sind wir doch gebunden in alles dies, mein Gott, wie gehts uns an!

Aus einem Brief an Nanny Wunderly-Volkhart vom 6. Februar 1923

Wolle nie irgendeine Beunruhigung, irgendein Weh, irgendeine Schwermut von deinem Leben ausschließen, da du doch nicht weißt, was diese Zustände an dir arbeiten!

 

 

„Rilkes Florenz“ – Details zur Tagung!

„Rilkes Florenz“ lautet der Titel der diesjährigen Tagung, die vom 24. bis zum 28. September in der Forresteria Valdese stattfinden wird.

Im Mittelpunkt der Vorträge werden Rilkes Aufenthalte in dieser Stadt stehen. Erstmals 1898, danach 1903 und 1908 hat Rilke hier für sein Werk wichtige Tage verbracht. Texte wie das ‚Florenzer Tagebuch‘, aber auch zahlreiche Gedichte – darunter die ‚Mädchenlieder‘ und die Erzählung ‚Der Bettler und das stolze Fräulein‘ aus den ‚Geschichten vom lieben Gott‘– erinnern daran, auch Rilkes Briefwechsel. Renaissance und Fin de siècle werden Stichwörter für die Tagung sein, ebenso das Florenz der Jahrhundertwende.Für die Besichtigungen werden wir – soweit möglich und zugänglich – Rilkes ‚Orte‘ auswählen.Das ausführliche Programm wird gegen Ende März an dieser Stelle bereitgestellt.

Organisatorische Details finden Sie unter diesem Link

By MatthiasKabel (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Blick auf Florenz von der Piazzale Michelangelo

Schnee

Schnee. »Schnee«, wie paßt der Name dafür, mit dem »Sch« schiebt man das Fenster auf  und hats dann vor sich, weit, eben …… nee – neige, neve, snejg: weiß in allen Sprachen!
Aber schon ehe ich die Augen aufthat am Morgen, wußte ichs im Gehör; selbst hier, wo’s immer still ist, war eine andere Stille zu hören, und ein Vogel schreibt auf ihr Weiß
wie mit einer neuen Feder seine Meinung.

Aus einem Brief an Nanny Wunderly-Volkart (24.12.1921)

Ein Frühlingswind

Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß
es kommen, all das Drängende und Blinde,
vor dem wir glühen werden -: alles das.
(Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.)
O unser Schicksal kommt mit diesem Winde.

Von irgendwo bringt dieser neue Wind,
schwankend vom Tragen namenloser Dinge,
über das Meer her was wir sind.

…. Wären wirs doch. So wären wir zuhaus.
(Die Himmel stiegen in uns auf und nieder.)
Aber mit diesem Wind geht immer wieder
das Schicksal riesig über uns hinaus.

1907