unter morphologischen Enjambements versteht man die Trennung eines Wortes im Zeilenübergang. Beispielsweise finden wir es häufig in Rilkes Duineser Elegien, wie in der zweiten Elegie:
Träte der Erzengel jetzt, der gefährliche, hinter den Sternen
eines Schrittes nur nieder und herwärts: hochauf-
schlagend erschlüg uns das eigene Herz...
Meine Frage: finden wir solche Wort-Trennungen als Enjambement bereits in Rilkes Neuen Gedichten ?
Tonika
Ich bin der Eindruck, der sich verwandeln wird. (RMR)
mir fällt da im Moment nur ein Gedicht ein, nämlich "Die Sonnenuhr" aus "Der neuen Gedichte anderer Teil". Aber wenn dir ein Gedicht als Beispiel, bzw. Beweis genügt... Offensichtlich hat er schon hier dieses Stilmittel angewandt:
Die Sonnenuhr
Selten reicht ein Schauer feuchter Fäule
aus dem Gartenschatten, wo einander
Tropfen fallen hören und ein Wander-
vogel lautet, zu der Säule,
die in Majoran und Koriander
steht und Sommerstunden zeigt;
nur sobald die Dame (der ein Diener
nachfolgt) in dem hellen Florentiner
über ihren Rand sich neigt,
wird sie schattig und verschweigt -.
Oder wenn ein sommerlicher Regen
aufkommt aus dem wogenden Bewegen
hoher Kronen, hat sie eine Pause;
denn sie weiß die Zeit nicht auszudrücken,
die dann in den Frucht- und Blumenstücken
plötzlich glüht im weißen Gartenhause.