Liebe @
Marie, du hast vor drei Jahren in
http://www.rilke.de/phpboard/viewtopic.php?p=585#585 so intim aus deinem gegenwärtigen und deinem vormaligen Leben berichtet (und auch das Bild

„erzählt“ so viel von dir), dass ich einmal fragen möchte:
Zum einen: Du hast seit März hier an keiner Diskussion mehr teilgenommen, dass ich ein wenig in Sorgen um dich bin; magst du uns sagen, wie es dir geht in deinem Rosengarten?
Die andere Frage muss ich ein wenig einleiten: Der Einblick in unsere früheren Schicksale ist uns ja weisheitsvoll behütet, und gerade beginnen wir erst, unsere Biographien auch vor dem Hintergrund der Karmagesetze zu lesen (und überhaupt den Gedanken an solche Gesetze wieder in der Kultur wirksam vorzufinden). Nun hast du als „theuerste Fürstin“ 1934 einen Erdenabschied genommen und bist ja durchaus nicht im regulären Inkarnationszyklus, sondern so früh wieder da - sogar im selben Kulturkreis und im selben Geschlecht -, dass ich zunächst mich frage, ob du nicht der Illusion erliegst, mit der der Lateinschüler, dem der Gallische Krieg so vertraut scheint und dem das Übersetzen so mühelos gelingt, dass er schon lateinisch denkt, sich als ein Dabeigewesener fühlt. Denn eigentlich deuten die erinnerungsartigen Talente ja nur darauf, dass man
gerade im leibfreien Dasein an den Erdenereignissen intensivst Anteil genommen hat. Sodann, wenn ich dir zugestehe, dass du nicht nach Schwarmgeistart, sondern in vollem Ernste deine Erlebnisse prüfst, frage ich mich, welche besonderen Aufgaben du wohl fortzusetzen hast, so dass du nicht erst nach langem Läutern, Durcharbeiten und neuer Entschlussbildung zur Erde hin dich wieder inkarniert hast. Und drittens, wie es kommt, dass du in einer Lebenszeit, in der gerade die Schicksalsverhältnisse einem auch für das Spirituelle absolut nüchternen Blick zugänglich werden können, doch ein wenig – du sagst es ja selbst – zum Mystizismus neigst (was ich als Rückschritt erlebe). Wohlgemerkt, Ausnahmen wie dein Reinkarnationsintervall sie darstellt, zweifele ich gar nicht an:
- Es gibt im Erdenwerden solche Zeiten,
In welchen alte Kräfte langsam sterben
Und sterbend schon die neuen wachsen sehn.
(…)
In solchen Erdentagen werden Keime
In Menschenseelen sorgsam eingepflanzt,
Die lange Zeit zur vollen Reife brauchen.
Die Menschen müssen dann im nächsten Leben
Noch Eigenschaften aus den frühern zeigen.
Es werden viele Männer solcher Zeiten
In einem nächsten Leben wieder Männer;
Und viele Frauen werden Frauen wieder.
Es ist dann auch die Zeitenlänge kürzer
Als jene, die sonst zwischen Leben liegt.
(Maria in: „Die Prüfung der Seele“, elftes Bild)
Aber ich frage dich: Kannst du denn ebenso klar, wie du auf die vormalige Lebenszeit blickst, auch etwas schauen von dem, was du zwischen 1934 und deiner diesmaligen Geburt erlebt hast; da warst du ja schließlich nicht nichtexistent, sondern – wenn auch diesmal nur für ein unvollendetes Dasein – im Geistigen geboren. Wie hast du von dieser Existenzweise aus auf die Tragödien der Jahrhundertmitte geblickt?
Marie hat geschrieben:Was wäre, wenn unsere sog. objektive Realität die Illusion und der Zustand dieses nicht wirklich fassbaren (zum Glück!) Weltinnenraums die eigentliche wahre Natur aller Schöpfung wäre? Würden wir nicht fürchterlich erschrecken, wenn dieses Unfassbare uns plötzlich antippen würde? Vielleicht würden wir mit Todesangst reagieren und das sogar begründet, wenn alles was wir zu kennen und zu kontrollieren glauben wie ein Kartenhaus zusammenfällt! [aus Thread: „Eine These: Bezug zwischen Innen und Außen“]
Hier legst du ja nahe, dass ich dich das zu fragen wagen kann.
Und zugleich weckt das eine weitere Frage, an die künstlerisch, gärtnerisch und spirituell Übende, als die wir dich lieben:
Marie hat geschrieben: IM Leben den Tod zu verwirklichen, ist etwas anderes, als die Sehnsucht nach dem Tod, um dem Leben zu entfliehen. Ich glaube nicht einmal, dass das möglich ist. Ein Ziel, das einmal gesetzt wurde und das in den Duineser Elegien so großartig gestaltet wurde („Nirgends, Geliebte, wird Welt sein, als innen.“, oder „Erde, ist es nicht dies, was du willst: unsichtbar/ in uns erstehn?“) verlangt unwiderruflich nach seiner Verwirklichung – nicht einmal der physische Tod kann m. E. diese Sehnsucht (nicht nur Rilkes Sehnsucht, sondern die der gesamten Schöpfung) auslöschen!
Kannst du mir zustimmen, dass alles, was bisweilen als Nachklang romantisierender Todessehnsucht in Rilkes Werk diffamiert wird, eine absolut
zur Erde entschlossene Ermutigung ist, IM Leben den Tod zu verwirklichen. Ich meditiere regelmäßig die drei Worte: „
Hiersein ist herrlich!“, und es bildet sich dadurch eine vertiefte Geistesgegenwart, in den alleralltäglichsten Herausforderungen.
Ich habe mich nicht bemüht, deine Sprache zu finden, denn ich bin sicher, dass du auch meine an Blüten ärmere (angeblich an Ranken reiche) Art zu schreiben verstehst. Ein wenig habe ich gezaudert, ob ich den Weg über PN wählen wollte. Aber wahrscheinlich findest auch du in Ordnung, wenn andere an den Fragen, die du in mir angestoßen hast (danke!) Anteil nehmen.