Stellenangabe eines Textes "Man muß den Dingen"

Rilke-Texte gesucht und gefunden

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Giselle

Stellenangabe eines Textes "Man muß den Dingen"

Beitrag von Giselle »

Ich bekam folgenden Text per Brief.
Oft gab ich ihn schon weiter als Hilfe in Lebenskrisen, die unbeantwortete Fragen zurück ließen.
Wer weiß, woraus dieser Text stammt?
Herzlichen Dank, für eine eventuelle Antwort!

Giselle

Text:

"Man muß den Dingen
Die eigene, stille,
Ungestörte Entwicklung lassen,
Die tief von innen kommt,
Und durch nichts gedrängt
Oder beschleunigt werden kann:
Alles ist austragen -
Und dann
Gebären.....
Reifen wie der Baum,
Der seine Säfte nicht drängt
Und getrost
In den Stürmen des Frühlings steht,
Ohne Angst,
Daß dahinter kein Sommer kommen könnte.
Er kommt doch !
Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
Die da sind,
Als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
So sorglos, still und weit....
Man muß Geduld haben,
Gegen das Ungelöste im Herzen,
Und versuchen,
Die Fragen selber lieb zu haben,
Wie verschlossene Stuben,
Und wie Bücher,
Die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.
Es handelt sich darum,
Alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
Lebt man vielleicht allmählich,
Ohne es zu merken,
Eines fremden Tages
In die Antwort hinein.

RAINER MARIA RILKE "
stilz
Beiträge: 1243
Registriert: 26. Okt 2004, 10:25
Wohnort: Klosterneuburg

Beitrag von stilz »

Liebe Giselle,

ich mag diese Sätze auch sehr gern... wenn ich auch nicht weiß, ob Rilke selbst sie irgendwo in genau dieser Reihenfolge zusammengefaßt hat, mir scheint eher, das hat Dein Briefschreiber getan...

Ich kenne sie aus den "Briefen an einen jungen Dichter", Franz Xaver Kappus, es sind die Briefe vom 23.April und 16. Juli 1903, Du findest sie auch hier unter "Briefe".


Liebe Grüße

stilz
Giselle

Danke an stilz

Beitrag von Giselle »

Ganz herzlichen Dank für Deine Antwort, lieber stilz!
War erst heute nach langer Zeit wieder hier, daher die späte "Danksagung".

Ich hatte schon in Briefen und Texten danach gesucht und nichts gefunden.
Hab halt nicht alles von Rilke.

Neulich hörte ich, man dürfe ja heute Rilke kaum noch zitieren.
Doch mir sagt er immer noch etwas.

Du magst lachen, aber ich war richtig traurig (nachdem ich die Briefe an Gräfin Sizzo gelesen hatte), dass er den letzten Brief der Gräfin nicht mehr bekommen hat, weil er an dem Tag, als sie ihn beendet hatte, gestorben war. Sie hatte sich aber fast ein halbes Jahr Zeit genommen bis zu ihrer Antwort. Nun, man weiß ja nicht, warum.

Alles Liebe
Giselle
Giselle

Nochmal an stilz

Beitrag von Giselle »

Hallo stilz, ich bin nicht sicher, ob Du vielleicht doch eine "sie" bist.
Für diesen Fall: Danke, liebe stilz!

Giselle
stilz
Beiträge: 1243
Registriert: 26. Okt 2004, 10:25
Wohnort: Klosterneuburg

Beitrag von stilz »

Hallo Giselle,

das finde ich aber ziemlich erstaunlich, daß man Rilke heute nicht mehr zitieren dürfen soll... hab ich noch nie gehört, wer sagt denn so was, und mit welcher Begründung???

Lieben Gruß

stilz
gliwi
Beiträge: 941
Registriert: 11. Nov 2002, 23:33
Wohnort: Ba-Wü

Beitrag von gliwi »

...wo doch sogar unser Kanzler im Fernsehn Rilke zitiert.... :roll: :wink:
Gruß
gliwi
Giselle

"Rilke heute (nicht) zitieren" an gliwi und stilz

Beitrag von Giselle »

Hallo liebe gliwi und stilz,

ja, dass man Rilke heute nicht mehr zitieren dürfe, hörte ich kürzlich im "nachtstudio" vom 19.6.05 (etwa in der 57. Minute des Gespräches, das sich im Augenblick übrigens noch als Video auf der ZDF-Seite im PC anhören und anschauen lässt).
nachtstudio vom 19.06.05:
"Über die Engel". Gäste: Detlef B. Linke, Kurt Flasch.

Herr Flasch sagte (fast wörtlich): "Man darf ja Rilke heute nicht mehr zitieren,
ich denke, das ist so altmodisch, dass man sich geniert, dass man einmal für Rilke gewesen ist."

Ich geniere mich natürlich nicht, Rilke zu zitieren und kenne viele Gedichte seit frühester Jugend auswendig und gebe sie auch weiter.

Eine gute Woche Euch!

Giselle
*Petra*
Beiträge: 21
Registriert: 17. Jul 2005, 08:04

Beitrag von *Petra* »

Und ich finde diesen Text oben einfach wunderbar!
Er ist wirklich eine Art Lebenshilfe.... danke dafür!

*Petra*
Glücklich, die wissen, dass hinter allen Sprachen das Unsägliche steht;
Rainer Maria Rilke
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