Zurück aus dem Urlaub, war ich nach dem Lesen der letzten Beiträge auch fast geneigt, es dabei zu lassen... aber nun etnschließe ich mich doch anders.
Ihr,
lilaloufan und
gliwi, scheint davon auszugehen, daß es Anselm in erster Linie um Provokation geht, oder um ein Verulken.
Vielleicht habt Ihr recht, und ich mache mich lächerlich, indem ich ihn dennoch ernstnehme - aber das werde ich schon aushalten.
Und nun zu Dir, Anselm: auch wenn Du aus meiner ersten Reaktion "Anerkennung" herausgelesen hast, bin ich nicht Deiner Meinung. Allerdings aus etwas anderen Gründen, die ich für wichtig genug halte, um hier doch noch zu posten.
Nananoa hat geschrieben:Nun, nachdem 82 Jahre lang wohl niemand an den Lidern zu zupfen wagte,...
Ich habe das Gefühl, Du verdächtigst uns hier des „Konformismus“, so als hätten wir uns auf eine ganz bestimmte Meinung oder Lesart festgelegt und würden diese nun niemals mehr hinterfragen wollen.
Ich weiß nicht recht, wie Du darauf kommst – gerade in diesem thread gibt es doch sehr viele unterschiedliche Meinungen…
Allerdings steht hinter jeder dieser Lesarten ein Mensch, der bemüht ist, kenntlich zu machen, welche Gedankengänge und Fragestellungen ihn bei seiner Interpretation geleitet haben.
Das ist etwas, das ich bei Dir noch immer vermisse. Schade!
Wenn Du mit Deinen Beiträgen hier gern ernstgenommen werden willst, dann solltest Du in den "gegnerischen" Beiträgen nicht nur die Ablehnung sehen, sondern auch die
Begründungen lesen.
Findest Du nicht, die Zitate, die
Paula und
lilaloufan hier hereingestellt haben, wiegen um einiges schwerer als der bloße Klang der Worte und ein anderer „Sinn“, der sich ihnen vielleicht unterlegen läßt? Wenn nein: warum nicht?
Und ich schlage Dir auch vor,
Deine eigenen konventionellen Ansichten ein wenig zu überprüfen:
Nananoa hat geschrieben:Ohne Frage gehörte die Poesie zu Rilkes Lebenslust.
Sätze, die mit "ohne Frage" beginnen, bereiten mir immer ein gewisses Unbehagen.
Und bevor ich Vermutungen darüber anstelle, was zu Rilkes "Lebenslust" gehörte, lese ich lieber bei ihm selber nach, als etwas mir persönlich vielleicht Naheliegendes zu behaupten.
Im
"Requiem für eine Freundin" liest es sich jedenfalls anders:
- Denn irgendwo ist eine alte Feindschaft
zwischen dem Leben und der großen Arbeit.
Hier hat lilaloufan dazu noch zwei weitere Zitate herangetragen.
Aber vor allem:
Nananoa hat geschrieben:
... was spricht sosehr dagegen, mit geringen Ergänzungen, die im Klang der Worte schon angelegt sind, eine sinnvolle Aussage abzuleiten? [Hervorhebung stilz]
Wenn Du unter einer "sinnvollen Aussage" etwas verstehst, das
Dir selber ohne weiteres verständlich ist und bequem in Deine Weltanschauung paßt – dann, lieber Anselm, spricht wirklich
alles dagegen.
Denn hier geht es nicht um etwas, das
Dir "logisch" vorkommt, oder das
Du Dir immer schon gedacht hast, und auch nicht um den "Urtraum der Menschheit"... sondern es geht um
Rainer Maria Rilke und sein Testament (, das ich vor kurzem in Raron gesehen habe,
hier habe ich davon berichtet).
Es ist leider sehr weit verbreitet, alles, was jemand (nicht nur Rilke) schreibt oder sagt, auf eine dem Leser/Hörer ohne jede Schwierigkeit verständliche „sinnvolle Aussage“ zu reduzieren.
Und dagegen wehre ich mich, nicht nur, wenn es um Rilke geht!
Und auch gar nicht nur aus „Pietät“ dem Dichter gegenüber.
Denn es ist ein wundervolles Erlebnis, in fremde Gedankenwelten einzutauchen und zu versuchen, sie sich für einen Augenblick zu eigen zu machen – ganz unabhängig davon, ob der Inhalt dessen, was man da erlebt, für das eigene Leben von Bedeutung bleiben wird, oder ob man selber weiterhin gänzlich andere Meinungen vertreten will.
Aber daß man diesen „shift“ gemacht hat, immer wieder bereit ist, ihn zu machen - darauf kommt es an.
lilaloufan hat geschrieben:Aber von Tag zu Tag deutlicher empfinde ich, hier ist es dran, einzutreten, wenn Rilke geradezu dilettantisch Unrecht getan würde.
Ja. Das empfinde ich genauso.
Deshalb übrigens ist es mir so besonders unbehaglich, daß – aus welchem Grund auch immer – der Grabspruch auf Rilkes Grabstein nicht in der Gestalt zu lesen ist, wie Rilke es in seinem Testament gewünscht hat.
Gruß in die Runde!
stilz
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)