Rilke in Klosterneuburg - Ein Essay

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Georg Trakl
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Rilke in Klosterneuburg - Ein Essay

Beitrag von Georg Trakl »

Bei seiner Studienreise durch die österreichischen Erblande besuchte der junge Rilke 1885 auch Niederösterreich, wo er im Städtchen Klosterneuburg Station machte und sich seiner Faszination über diesen Ort nicht entziehen konnte. Gerüchteweise soll der Aufenthalt dort seinem Bestreben, in Niederösterreich ansässig zu werden, förderlich gewesen sein. Hier also sein Bericht, im Jahre 2021 gefunden auf dem Dachboden eines verfallenen Bauernhauses in Worpswede:

Idylle in der Stille – mein Klosterneuburg
Inmitten des steten Treibens der Jetztzeit gibt es Orte, die als kostbare Refugien der Stille gemahnen. Einer dieser besonderen Orte ist zweifelsohne Klosterneuburg, ein malerisches Fleckchen, welches uns mit seiner faszinierenden Historie und seiner einzigartigen Atmosphäre in seinen Bann zieht. Schon bei der Ankunft in diesem idyllischen Orte spürt man, wie die Sinne ganz in eine andere Welt eintauchen. Die majestätische Stiftskirche, die sich stolz über der Stadt erhebt, grüßt den Wanderer mit dem wohlgestimmten Klange ihres majestätischen Geläutes. Ihre jahrhundertalte Präsenz scheint die Zeitläufte zu überschreiten und versetzt den staunenden Besucher in einen Zustand der Ehrfurcht. Die kunstvollen Verzierungen an den Fassaden der Bauten und die fein gearbeitete Ziselierung gemahnen an das Geschick vergangener Generationen begnadeter Baumeister. Jedoch erst in den stillen Mauern des Stiftes entdeckt man die wahre Essenz von Klosterneuburg. Die Stille, die dort vorherrscht, ist von einer solchen Tiefe, dass sie die Seele zutiefst berührt. Es scheint, als würde die Zeit ihre Bedeutung verlieren, während man durch die alten Gemäuer wandelt. Jeder Schritt auf den polierten Steinböden dort erzeugt einen Widerhall, welcher uns mit längst vergangenen Jahrhunderten verbindet. Die Stille schenkt den Raum, die Gedanken zu ordnen und sich mit dem Wesentlichen, Göttlichen, zu verbinden. Doch Klosterneuburg ist nicht nur ein Ort der Ruhe, sondern auch der Erhabenheit. Die reich verzierten Altäre der Kirchen, die kunstvoll gestalteten Fresken und die kostbaren Reliquien zeugen von der herausragenden Meisterschaft der Künstler vergangener Epochen. In der Stiftsbibliothek, umgeben von unzähligen Büchern, wähnt der staunende Besucher sich in einer wahren Schatzkammer des Wissens. Hier kann er sich verlieren und gleichzeitig geistig erbaut wiederfinden. Die Liebe zur Buchkunst, die in jedem Folianten und jeder Inkunabel steckt, ist spürbar und tief beeindruckend. Jedoch nicht nur das Stift selbst bezaubert, sondern auch dessen Umgebung. Die malerische Landschaft bei Klosterneuburg, die sich sanft über Hügel und Weinberge erstreckt, ist eine wahre Augenweide. Die Anger zwischen den grünen Rebstöcken, die im warmen Sonnenlichte schimmern, laden zum Verweilen ein und lassen die Unbill des Alltags vergessen. Der Duft frisch gemähten Grases und das jauchzende Tirilieren der Vögel begleiten zudem die erbauenden Spaziergänge durch die unberührte Natur und bereiten Momente der inneren Einkehr und des inneren Friedens. Klosterneuburg - wahrlich ein Ort, der die Sinne belebt und die Seele nährt! Ein Ort, an dem die Zeit stillzustehen scheint und man sich ganz dem Momente hinzugeben vermag. Die Stille des Klosters, die Schönheit der Kunst und die Harmonie der Natur verschmelzen hier zu einem Gesamtkunstwerk, das jeden in seinen Bann zu ziehen vermag. In der Zeit in diesem Orte hat so mancher Scholar gelernt, die Bedeutung der Stille zu schätzen. Diese, die Stille also, ist ein kostbares Gut, das uns ermöglicht, uns mit unserem Innersten zu verbinden und Selbsterkenntnisse zu gewinnen. Die Erinnerung an die Zeit dort wird mich stets daran gemahnen, wie wichtig es ist, innezuhalten und dem steten Takte des Lebens zu lauschen. Klosterneuburg - ein Ort der Stille, der Schönheit und der Inspiration! Möge seine Magie noch viele Menschen berühren und sie dazu ermutigen, dem Rufe dieser Stille zu folgen und ihre eigne innere Reise anzutreten!


Obwohl dieser Aufsatz den handschriftlichen Vermerk "Nur für Studienzwecke - nicht zum öffentlichen Gebrauche" trägt, wollte ich ihn der geneigten sachverständigen Leserschaft hier im Forum nicht vorenthalten. Ich hoffe zuversichtlich, keine Probleme in Bezug auf diese Veröffentlichung mit den Nachkommen Rilkens zu bekommen und ersuche diese gegebenenfalls um Pardonierung ...
Georg Trakl jun.

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Anmerkung der Moderatorin:
Wie der geneigte Leser sicherlich bemerkt hat: auch dieser Beitrag unseres Mitglieds Georg Trakl jun. ist cum grano salis zu lesen - hier habe ich eine kleine Sammlung seiner originellen postings angelegt.
Herzlichen Gruß in die Runde,
stilz
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helle
Beiträge: 343
Registriert: 6. Mai 2005, 11:08
Wohnort: Norddeutsche Tiefebene

Re: Rilke in Klosterneuburg - Ein Essay

Beitrag von helle »

Rilke war 1885 zehnjährig, das kommt also nicht ganz hin, aber einerlei. Unlogisch ist nur die Formulierung, während Du doch sonst sehr sorgfältig Deine Worte wählst - der Name Georg Trakl ist ja auch ausreichend Verpflichtung, nicht wahr - "sich seiner Faszination über diesen Ort nicht entziehen konnte". Rilke konnte sich, immer im Gleichnis, vielleicht der Faszination des Ortes nicht entziehen, das wäre verständlich. Aber wie soll man sich seiner eigenen Fasziniertheit entziehen?

Ich will aber eigentlich nur bekennen, das Gedicht "Der Stifter" auf Adalbert Stifter zu beziehen, fand ich wirklich ziemlich witzig, das war ein echter Coup.

Glückwunsch, oder wie Du vielleicht sagen würdest, hochachtungsvoll,
helle
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