"Ja, Hofmannsthal!"
Verfasst: 15. Aug 2016, 21:26
... und Rilke und die Zeit ...
Als ich vor kurzem einmal noch gliwis Rat suchte, erreichte mich dieser begeisterte Ausruf über Hofmannsthals "Terzinen über Vergänglichkeit" -- diese hier noch einmal vollständig (erstgedruckt in Blätter für die Kunst, März 1896):
Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen:
Wie kann das sein, daß diese nahen Tage
Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen?
Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,
Und viel zu grauenvoll, als daß man klage:
Daß alles gleitet und vorüberrinnt.
Und daß mein eignes Ich, durch nichts gehemmt,
Herüberglitt aus einem kleinen Kind
Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.
Dann: daß ich auch vor hundert Jahren war
Und meine Ahnen, die im Totenhemd,
Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar,
So eins mit mir als wie mein eignes Haar.
1907 liest Rilke einen "merkwürdigen, ganz unheimlich hellseherischen Vortrag Hugo von Hofmannsthals über: den Dichter und diese Zeit" ... Darin heißt es an einer Stelle:
Wer zu lesen versteht, liest gläubig. Denn er ruht mit ganzer Seele in der Vision. Er läßt nichts von sich draußen. Für einen bezauberten Augenblick ist ihm alles gleich nah, alles gleich fern: denn er fühlt zu allem einen Bezug. Er hat nichts an die Vergangenheit verloren, nichts hat ihm die Zukunft zu bringen. Er ist für einen bezauberten Augenblick der Überwinder der Zeit. Wo er ist, ist alles bei ihm und alles von jedem Zwiespalt erlöst. Das einzelne ist ihm für vieles: denn er sieht es symbolhaft, ja das eine ist ihm für alles, und er ist glücklich ohne den Stachel der Hoffnung. Er vergißt sich nicht, er hat sich ganz, diesen einzigen Augenblick: er ist sich selber gleich.
Diese Zeit ... als wär sie kaum vergangen.
Und das Forum nun schon seit einigen Tagen in Christianes sechstem Todesjahr, woran ich hiermit erinnern möchte.
sedna
Als ich vor kurzem einmal noch gliwis Rat suchte, erreichte mich dieser begeisterte Ausruf über Hofmannsthals "Terzinen über Vergänglichkeit" -- diese hier noch einmal vollständig (erstgedruckt in Blätter für die Kunst, März 1896):
Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen:
Wie kann das sein, daß diese nahen Tage
Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen?
Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,
Und viel zu grauenvoll, als daß man klage:
Daß alles gleitet und vorüberrinnt.
Und daß mein eignes Ich, durch nichts gehemmt,
Herüberglitt aus einem kleinen Kind
Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.
Dann: daß ich auch vor hundert Jahren war
Und meine Ahnen, die im Totenhemd,
Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar,
So eins mit mir als wie mein eignes Haar.
1907 liest Rilke einen "merkwürdigen, ganz unheimlich hellseherischen Vortrag Hugo von Hofmannsthals über: den Dichter und diese Zeit" ... Darin heißt es an einer Stelle:
Wer zu lesen versteht, liest gläubig. Denn er ruht mit ganzer Seele in der Vision. Er läßt nichts von sich draußen. Für einen bezauberten Augenblick ist ihm alles gleich nah, alles gleich fern: denn er fühlt zu allem einen Bezug. Er hat nichts an die Vergangenheit verloren, nichts hat ihm die Zukunft zu bringen. Er ist für einen bezauberten Augenblick der Überwinder der Zeit. Wo er ist, ist alles bei ihm und alles von jedem Zwiespalt erlöst. Das einzelne ist ihm für vieles: denn er sieht es symbolhaft, ja das eine ist ihm für alles, und er ist glücklich ohne den Stachel der Hoffnung. Er vergißt sich nicht, er hat sich ganz, diesen einzigen Augenblick: er ist sich selber gleich.
Diese Zeit ... als wär sie kaum vergangen.
Und das Forum nun schon seit einigen Tagen in Christianes sechstem Todesjahr, woran ich hiermit erinnern möchte.
sedna