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liebliches zeitiges Licht
Verfasst: 31. Jan 2015, 21:50
von lilaloufan
Auf Seite
394 des Nachdrucks der Briefe an Anton Kippenberg (Erstdruck 1941 bei Insel) steht das folgende Gedicht (
oder ist es nur eine Strophe aus einem mehrstrophigen Gedicht?):
- Nein, ich vergesse Dich nicht,
__________ was ich auch werde,
liebliches zeitiges Licht,
__________ Erstling der Erde.
Wie fasst ihr es auf, dass die erste Zeile mit diesem „Nein“ beginnt, geradeso als ob ein unterstelltes Vergessen zu bestreiten wäre?
Und: Ist das Frühlicht des Tages gemeint oder das Licht des ersten Erdenschöpfungs-Tages wie im Stundenbuch: »
Dein allererstes Wort war: Licht«?
l.
Re: liebliches zeitiges Licht
Verfasst: 2. Feb 2015, 18:46
von stilz
Dieses Gedicht ist Teil einer Sammlung mit dem Titel:
- (ENTWÜRFE AUS ZWEI WINTERABENDEN)
und der Widmung:
- Anton Kippenberg in Freundschaft
zugewendet zum 22. Mai 1924
In meinem Rilke-Gedichte-Band steht es in dieser Gestalt:
- Nein, ich vergesse Dich nicht,
. . . was ich auch werde,
liebliches zeitiges Licht,
. . . Erstling der Erde.
Alles, was du versprachst,
. . . hat sie gehalten,
seit du das Herz mir erbrachst
. . . ohne Gewalten
Flüchtigste frühste Figur,
. . . die ich gewahrte:
nur weil ich Stärke erfuhr,
. . . rühm ich das Zarte.
Das »Nein« zu Beginn erklärt sich für mich aus den Gedichten davor --- da geht es um das Flüchtige, Vergängliche der Jugendzeit (»Nichts blieb so schön.« oder »Dies ist Besitz: daß uns vorüberflog/die Möglichkeit des Glücks.«...).
Und das „liebliche zeitige Licht“ begreife ich als die »Flüchtigste frühste Figur,/die ich gewahrte«: das Licht, wie es in der Kindheit zum ersten Mal gesehen wurde; nicht als Neugeborenes, sondern
bewußt, sodaß man sich daran erinnern kann...
Herzlich,
stilz
Re: liebliches zeitiges Licht
Verfasst: 4. Feb 2015, 19:01
von lilaloufan
Danke, ganz herzlich. Das beantwortet es mir vollständig und wirklich aufklärend. Ja – danke!
Christoph