Ich kannte Frau Dr. Scharffenberg leider nicht persönlich. Aber
Renée – oder
Arena, wie sie sich eine Zeitlang hier nannte – war einer der Menschen, die mich dazu veranlaßten, mich als Teilnehmerin hier im Rilke-Forum anzumelden: mit Menschen wie ihr wollte ich in Kontakt sein, mit ihnen gemeinsam an etwas „bauen“ - - -
Ich wußte zunächst nichts von ihr. Aber jedesmal, wenn ich im Forum ihren Namen las, freute ich mich darauf, zu lesen, was sie zu sagen hatte. Es waren meist ziemlich kurze und immer sehr freundliche Beiträge, die nicht nur von ihrer profunden Rilke-Kenntnis zeugten, sondern auch von etwas, für das ich kein besseres Wort habe als „Herzensbildung“.
Eines Tages las ich einen der Beiträge, die sie schon „vor meiner Zeit“ geschrieben hatte (Barbara hatte nach „Zeitzeugen Rilkes“
gefragt) – und geriet ins Staunen. Das Bild, das ich mir bis dahin von Renée gemacht hatte, strahlte nicht nur Weltoffenheit und Herzensbildung aus, sondern auch etwas wie
Jugendlichkeit... ich kann kaum sagen, mit welchen Empfindungen ich dieses innere Bild nun im Äußerlichen ein wenig „korrigierte“. Meine Hochachtung war noch ein Stück gewachsen...
In den letzten Jahren tauschten wir einige private (elektronische) Briefe, und einmal kam es sogar zu einem Telefongespräch, das mir unvergeßlich geblieben ist. Kostbar bleibt mir auch das Duwort in ihren letzten beiden mails, das mich tief berührte...
Ein großer Schmerz ist Renate Scharffenberg nicht erspart geblieben - vor etwa zwei Jahren schrieb sie mir:
»Der Insel Verlag trennt sich nämlich von Rilke - man kann es kaum fassen, sie haben kein Interesse mehr daran. Meine „Chronik“ [...] und Rilkes Briefe an seine Mutter werden wohl das Letzte gewesen sein, was herausgebracht wurde. Von der "Chronik" sind dann im letzten Jahr nur sechs Exemplare verkauft worden: sie tun also gar nichts dafür... [...]
Es ist ein Jammer - und ich darf garnicht daran denken, was Anton und Katharina Kippenberg dazu sagen würden! Nicht einmal Rilkes Briefwechsel mit dem Insel-Lektor Hünich, an dem gearbeitet wird, soll bei der Insel erscheinen...«
Wer etwas übrig hat für
oral history und zudem Renée noch nachträglich ein wenig näher kennenlernen will, dem empfehle ich, im
Marburger Forum zu stöbern. Hier findet sich auch – unter vielem anderen – ihr Essay
Eine Kindheit im alten Peking...
In den letzten Jahren wurden ihre Beiträge im Rilke-Forum seltener. Aber sie las noch regelmäßig mit, und es war ihr wichtig, uns das auch
wissen zu lassen.
Noch in einer ihrer letzten mails an mich (vor etwas über einem Jahr) schrieb sie (und ich las darin auch so etwas wie eine ganz, ganz leise „Mahnung“):
»Ich bin ja immer noch oft im Rilkeforum, aber es kommen nur noch selten Fragen, die ich beantworten kann, und wenn, dann seid Ihr Lieben mir schon zuvorgekommen.«
Ich werde Renée sehr vermissen - die Gewißheit, daß sie mitlas, hatte einen großen Einfluß auf meine eigenen Beiträge hier im Forum, wie mir jetzt erst deutlich wird: sie war mir so etwas wie eine „Richtschnur“, ich prüfte alles, was ich hier sagte, ganz selbstverständlich, gewissermaßen „instinktiv“, an der Frage, was ein Mensch von ihrem „Format“ dazu sagen würde, ein Mensch, der obendrein Rilke beinahe noch persönlich gekannt hat (das erinnert mich an
einen ihrer letzten Beiträge, der zeigte, daß auch der Humor nicht zu kurz gekommen war in ihrem langen Weg mit Rilke, der mich aber auch sehr nachdenklich machte...) - - -
Liebe Renée, diese „Richtschnur“ will ich auch künftig im Herzen tragen - ich betrachte sie nun als Dein Vermächtnis. Danke auch dafür.
Ingrid