Re: Dichtung und Philosophie
Verfasst: 11. Jun 2012, 00:06
Freunde, nach einigen Monaten habe ich dieses Thema wieder durchgelesen, sehr zufrieden dass die Frage doch so viele gute Beitraege angeregt hat, weniger zufrieden mit meinen eigenen.
Erstens haette ich doch klarer beschreiben sollen, wie es ist fuer mich Gedichte zu lesen ohne besondere Interesse fuer deren Gedankeninhalt; nicht auf der Suche nach philosophische “Wahrheit,” also, sonders nur als Liebhaber der sprachlichen Kunst. Die Schwierigkeit hier ist dass ich selber nicht sehr klar bin wie ich es mache; kann nur etwas stammeln von “ herrlicher Wortmusik.” Es ist zu grossem Teil bei mir eine Sache des Gefuehls, und ich weiss es nicht schoen zu verteidigen.
Von einem anderen Gesichtspunkt aber haette ich vielleicht ein wenig tapferer sein sollen; wenn ich in einem Rilke Forum frage ob man Gedichte mit “falschen Ideen” dennoch lieben kann, muss es ja sein dass mich wenigstens einige von Rilke’s Ideen stoeren. Ich habe da vorsichtshalber einen anderen Poeten (John Donne) als Beispiel genommen, denn ich weiss dass viele Rilke’s Leser ihn nicht nur als Dichter verehren, sondern auch beinahe als Heiliger oder Guru. Da moechte man niemand beleidigen; aber man muesste sich doch hier sehr kurz und hoffentlich nicht allzu derb ausdruecken.
Es sind jedenfalls nicht Holthusen’s “falsche Ideen” die mich stoeren, und ich wuerde lieber von “wahr” und “falsch” gar nicht reden, sondern von einigen Beschraenkungen in Rilke’s Lebenserfahrung. Was mich stoert in Rilke sind die Aussagen ueber die Liebe, und ueber die Armut.
Wenn ich mich nicht irre, hat er nie die Tiefen einer echten Ehe erfahren, in der auch Kinder eine wichtige Rolle spielen. So eine Ehe ist aber das groesste Erlebnis meines Lebens gewesen, und ein Mann der nie wirklich Vater gewesen ist kein Lehrer der Liebe … fuer mich. Wenn er von Liebe schreibt, scheint er immer von jugendlichen Liebesaffaeren auszugehen, oder dann fliegt er sofort ins Kosmische.
Er hat auch nie die wirkliche Armut erlebt. Seine Behandlung der Armut, als “Uebung des Herzens,”manchmal, oder als esthetischen Objekt, missfaellt mir eigentlich noch mehr. Da hat es eine fuerchterlich heikle Stelle in der 7. Elegie, wo er die “Maedchen in den aergsten Gassen der Staedte, schwaerende, oder den Abfall offene” troestet, weil sie vielleicht einen Augenblick “die Adern voll Dasein” hatten. Es ist eine der wenigen Stellen in seinem Werk, die ich einfach peinlich finde. Dass man aber ueberhaupt von solcher Armut schreiben kann ohne die kleinste politische Teilnahme aergert den Sozialist in mir der doch nicht vollkommen gestorben ist. Es kommt mir vor dass er da mit diesen Maedchen spielt ohne sich wirklich um sie zu kuemmern.
Ich muss aber sagen dass diese beiden “falschen Ideen” mich niemals SEHR gestoert haben. Ich bin ja auch Atheist und kann John Donne lieben, und ohne J.S. Bach und seine Mathhaus-Passion koennte ich gar nicht weiter! Rilke bleibt fuer mich so wichtig wie Beethoven und Bach; er hat mir mehr gegeben als alle anderen Dichter zusammengenommen. Ich lese ja nicht, vorwiegend, fuer gedanklichen Inhalt.
So, jetzt wird vivic wieder schweigen. Liebe Gruesse in die Runde, habe ich dass richtig geschrieben? Zeigt mir nun, wo ich selber "falsch" gegangen!
Erstens haette ich doch klarer beschreiben sollen, wie es ist fuer mich Gedichte zu lesen ohne besondere Interesse fuer deren Gedankeninhalt; nicht auf der Suche nach philosophische “Wahrheit,” also, sonders nur als Liebhaber der sprachlichen Kunst. Die Schwierigkeit hier ist dass ich selber nicht sehr klar bin wie ich es mache; kann nur etwas stammeln von “ herrlicher Wortmusik.” Es ist zu grossem Teil bei mir eine Sache des Gefuehls, und ich weiss es nicht schoen zu verteidigen.
Von einem anderen Gesichtspunkt aber haette ich vielleicht ein wenig tapferer sein sollen; wenn ich in einem Rilke Forum frage ob man Gedichte mit “falschen Ideen” dennoch lieben kann, muss es ja sein dass mich wenigstens einige von Rilke’s Ideen stoeren. Ich habe da vorsichtshalber einen anderen Poeten (John Donne) als Beispiel genommen, denn ich weiss dass viele Rilke’s Leser ihn nicht nur als Dichter verehren, sondern auch beinahe als Heiliger oder Guru. Da moechte man niemand beleidigen; aber man muesste sich doch hier sehr kurz und hoffentlich nicht allzu derb ausdruecken.
Es sind jedenfalls nicht Holthusen’s “falsche Ideen” die mich stoeren, und ich wuerde lieber von “wahr” und “falsch” gar nicht reden, sondern von einigen Beschraenkungen in Rilke’s Lebenserfahrung. Was mich stoert in Rilke sind die Aussagen ueber die Liebe, und ueber die Armut.
Wenn ich mich nicht irre, hat er nie die Tiefen einer echten Ehe erfahren, in der auch Kinder eine wichtige Rolle spielen. So eine Ehe ist aber das groesste Erlebnis meines Lebens gewesen, und ein Mann der nie wirklich Vater gewesen ist kein Lehrer der Liebe … fuer mich. Wenn er von Liebe schreibt, scheint er immer von jugendlichen Liebesaffaeren auszugehen, oder dann fliegt er sofort ins Kosmische.
Er hat auch nie die wirkliche Armut erlebt. Seine Behandlung der Armut, als “Uebung des Herzens,”manchmal, oder als esthetischen Objekt, missfaellt mir eigentlich noch mehr. Da hat es eine fuerchterlich heikle Stelle in der 7. Elegie, wo er die “Maedchen in den aergsten Gassen der Staedte, schwaerende, oder den Abfall offene” troestet, weil sie vielleicht einen Augenblick “die Adern voll Dasein” hatten. Es ist eine der wenigen Stellen in seinem Werk, die ich einfach peinlich finde. Dass man aber ueberhaupt von solcher Armut schreiben kann ohne die kleinste politische Teilnahme aergert den Sozialist in mir der doch nicht vollkommen gestorben ist. Es kommt mir vor dass er da mit diesen Maedchen spielt ohne sich wirklich um sie zu kuemmern.
Ich muss aber sagen dass diese beiden “falschen Ideen” mich niemals SEHR gestoert haben. Ich bin ja auch Atheist und kann John Donne lieben, und ohne J.S. Bach und seine Mathhaus-Passion koennte ich gar nicht weiter! Rilke bleibt fuer mich so wichtig wie Beethoven und Bach; er hat mir mehr gegeben als alle anderen Dichter zusammengenommen. Ich lese ja nicht, vorwiegend, fuer gedanklichen Inhalt.
So, jetzt wird vivic wieder schweigen. Liebe Gruesse in die Runde, habe ich dass richtig geschrieben? Zeigt mir nun, wo ich selber "falsch" gegangen!