Hallo Sedna.
Ein paar zusätzliche Tage habe ich gebraucht, da die Einarbeitung in meine Abschlussarbeit bereits fordert .. danke für deine Antwort. du hast sehr schöne Bilder gefunden! Einige sehr schöne Bilder ...
Hier ein paar skizzierte Gedanken von mir, ich hoffe das wird einigermaßen übersichtlich

Vorab - ich folge wohl, im Sinne meiner Vorbereitungen auf meine BA, einer psychoanalytischen Lesart ...
„Ein Frauenschicksal" - mutet im
Titel sehr no an, profan, abgenutzt – Rilke-untypisch und doch treffend, es spielt einerseits auf Beliebigkeit an, ist verallgemeinernd, und enthält zugleich eine Abschwächung von Tragik (Kitsch), die der Thematik zugleich Rechnung trägt
Ich habe im Folgenden ein paar Worte herausgepickt ...
„Eine“
bleibt ohne Namen
unbestimmter Artikel
objektiviert – passiv, kein Subjekt, eigener Identität und Gestalt beraubt, nicht handlungsfähig
Stellvertreterinnencharakter, beispielhaft für „viele“, „eine“ von „vielen anderen“
beliebig, zugleich bestimmt
„klein“ (Ein kleines Leben)
reduziert, bedeutungslos, ungeachtet, nicht wahrgenommen, unwert, minderwertig, kaum sichtbar, gläsern, durchscheinend
Leitmotiv – Polarisierung - Lebendigkeit und Tod
Personalisieren von Dingen und Ideen. Demgegenüber steht die Frau, entmenschlicht.
Tod:
Im Bild der Zerbrechlichkeit, das sich durchzieht
Glas (Glas – Vitrine - trinken) - für mich sehr dominant
unsichtbare, doch berührbare Barriere - um sich selbst errichtet, um sich zu schützen
sehr zerbrechliches, fragiles Behältnis, Gefäß
Barriere, die zwischen dem Leben und dem Leben danach besteht
Sinnbild von Transparenz?
aufgrund des Stoffes von übler Vordeutung? Drohen von Gefahr - im Zerbrechen
Zugleich Durchsichtigkeit, Einsicht.
Geht das Glas in Scherben? angstbesetzt.
(Verheißung: Befreiung von Drangsal und Beklemmung)
Vitrine:
Ein GLÄSERNER Schrank, Schau-Kasten
Bewahrung einer Idee oder Identität?
Funktion einer Vitrine: Unbenutztes verwahren, aus Angst es würde zerbrechen, einstauben
(Bürgerlichkeit, Biedermaier, steril, konserviert)
gesellschaftliche Normierung dessen was von Bedeutung ist
Ordnung, Gewissenhaftigkeit
EinSCHRÄNKung, Beklemmung
Die ängstliche Vitrine – personalisiert (wohingegen „Eine“ entmenschlicht wird)
Lebendigkeit:
Im Bild des Trinkens
(Lebenstrieb, gierig, körperlich, animalisch, triebhaft, einverleibend)
König:
archetypisches Vatersymbol, Autorität
regiert, beherrscht, machtvoll
edler Aspekt von Männlichkeit
Analogie König – Untertan (abhängig, ausgeliefert, Objekt, passiv)
Richtet sich auf das Gefühl, ausgeliefert zu sein
Über-Gewissen, oberste psychische Instanz
Bild des Todes (einzig ein König ist wie ein Verstorbener niemandem Untertan)
Bild der Jagd:
Gewaltvoll, Trophäe, animalisch, triebhaft, lebendig, vital
Schicksal:
Zwingend, triumphiert über ein Leben
Vs. Selbstbemächtigung
Lebensangst (Lebensdrang)
Hommage an das Leben, es gibt keinen Schutz vor Verletzlichkeit, Vergänglichkeit, Zerbrechen. In dem sie sich dem Leben entzieht, nimmt sie ihm die Essenz. In dem Willen kostbar zu sein, ist sie es eben nicht. Aufgrund der eigenen Sterblichkeit ist ihr Leben kostbar. Todesangst führt zum nicht gelebten Leben. Angst vor der Gebrechlichkeit des Lebens selbst (was das Leben aber impliziert, ausmacht) führt zur Vermeidung. Was fehlt, ist Lebens-Mut, Kraft. Indem sie ihr Leben zu konservieren versucht, schafft sie schon im Leben den Tod.
Interessant ist die Grammatik des Gedichts!
die ersten 3 Strophen sind ein einziger Satz, wie ein Sog (Bild des Trinkens)
die 4. Strophe dann scheint ein Schlusspunkt.
In der 2. Strophe sehe ich einen
grammatikalischen Doppelsinn
Was ist Subjekt und was Objekt?
Eine oder das Schicksal?
wer trinkt aus wem?
Konditionierung und Wahl
im Focaultschen Sinne - strukturiert strukturierende Struktur
Habitus internalisiert vorgegebene Strukturen i.S.v. Konditionierung
Andererseits hat sie die Möglichkeit, vergegebene Strukturen neu zu strukturieren, transformieren, mitzuverändern
Versöhnung von Determinismus und Freiheit im focaultschen Sinne
Diese Ambivalenz ist für mich sehr spürbar
So in etwa ...
Dank und Gruß
Rahel