Everything is blooming most recklessly

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Aeneas
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Everything is blooming most recklessly

Beitrag von Aeneas »

"Everything is blooming most recklessly; if it were voices instead of colors, there would be an unbelievable shrieking into the heart of the night."

Dieses Zitat komt aus einem Brief von Rainer Maria Rilke an Clara Rilke vom 8. April 1907.

Konnen Sie mir das originel Zitat auf deutsch geben oder besser den ganzen Brief?

Vielen dank!

Aeneas
Harald
Beiträge: 230
Registriert: 28. Dez 2005, 23:47

Re: Everything is blooming most recklessly

Beitrag von Harald »

Das kommt ein bisschen spät, aber vielleicht nicht zu spät:
Briefe aus den Jahren 1906 bis 1907, 1930, S. 240:
"Alles blüht natürlich auf das Rücksichtsloseste: wären es Stimmen statt der
Farben: es gäbe ein unglaubliches Geschrei bis in die Nacht hinein."
Die englische Übersetzung ist etwas "dreist".

Hier ist der ganze Brief, ein verzögertes Weihnachtsgeschenk:

An Clara Rilke
Capri, Villa Discopoli, am 8. April 1907 (Montag)
... es ist merkwürdig, daß der Frühling uns hier immer noch warten läßt; oder eigentlich, er läßt nicht warten; er hat angefangen, aber es ist wie bei der Eröffnung einer Ausstellung: nichts ist fertig geworden. Man geht von Arrangement zu Arrangement über die schlimmsten Löcher und zwischen lauter Unordnung. (Daß einen dieser südliche Frühlingsaufwand immer zu solchen Vergleichen nötigt.) Das Frieren ist immer noch nichts Abgelegtes, und erst einmal war ein Morgen so, daß die Vogelstimmen mich weckten: das Ansetzen einer Nachtigall, die sich hier ja am liebsten in den frühen Stunden versuchen mag, als ob sie nicht, wie bei uns, entschlossen wäre, zu wachen um ihrer Sehnsucht willen, sondern höchstens etwas früher als die anderen aufzustehen. Alles blüht natürlich auf das Rücksichtsloseste: wären es Stimmen statt der Farben: es gäbe ein unglaubliches Geschrei bis in die Nacht hinein. Aber trotz den Tagen mit dem vielen Regen: die Luft läßt den Duft immer wieder fallen, als hätte sie noch zu kalte Hände für ihn. Am weitesten von allem sind die Sternennächte, die mondlos im Dunkel aufblühn und gleitende Sterne hinstreuen aus Überfluß: solche, die rasch und plötzlich abfallen und, als fielen sie in Wasser, unversehens ausgehen; brennende, die aus einem Stern springen und, als hätten sie ihren Sprung abgemessen, in einen anderen Stern hinein, und stille, die gleich Vögeln mit ausgehaltenen Flügeln in flachem Bogen quer durch die Himmel schweben, zwischen zwei Sternen auftauchend, zwischen zwei anderen verschwindend, als wären diese Himmel nur ein Durchgang für sie, in dem sie sich nicht aufhalten. So sahen wirs gestern abend vom Balkon des Studio aus, und die gute Frau Nonna war ganz gerührt, all diese Herrlichkeit noch zu haben vor ihrem Fortgehen . .. Sie hat uns aufrichtig lieb, und wir sind alle eingeladen, auch Ruth, einmal eine Weile lang in Urgroßvaters Pavillon in Londorf uns einzurichten.
. . . Wenn ... die Montagsbriefe wirklich immer erst am nächsten Sonntag in Deine Hände kommen (das wäre der 14.), so wird dies der letzte sein, der Dich in Heluan rindet. Er wünscht Dir einen guten Abschied, hastlos wie das Schließen eines Buches, mit dem man allein in der Nacht fertig wird und das man, während man den Einband über das letzte Blatt legt, in einem unbeschreiblich erweiterten Gefühl eine Sekunde lang zu umfassen glaubt . . .
... und Anfang glänzt / an allen Bruchstelln unseres Mißlingens
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