Der Blinde

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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nellas
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Der Blinde

Beitrag von nellas »

Hallo zusammen!

Meine Matura steht bevor und es ist Pflicht, eine Einheit Lyrik abzugeben. Ich habe mir ein Gedichtband von Rainer Maria Rilke gekauft und bin tief beeindruckt.
Momentan bin ich mit der Interpretation des Gedichtes "Der Blinde" beschäftigt.
Was ist mit Widerschein der Dinge gemeint? Ich glaube, das Dinghafte war für Rilke ein sehr wichtiges Thema (ab Beschäftigung mit Rodin), aber es fehlt mir der Zusammenhang zum Gedicht.
Im Forum habe ich auch schon eine Interpretation vom Blinden und der Passage "Schein der Dinge" gelesen. Rilke soll bei diesem Gedicht die Wahrnehmung im Vordergrund gestanden sein, und der Schein der Dinge wäre durch die Blindheit weniger beeinträchtigt. Dies erscheint mir sehr logisch, aber wo ist das wider- hingekommen?

lg nellas
gliwi
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Re: Der Blinde

Beitrag von gliwi »

"Der Widerschein" heißt für mich hier: es ist das, was die Dinge reflektieren, ihr Spiegelbild, nicht ihr "Schein". Erinnert mich ein wenig an Platons Höhlengleichnis.
Gruß
gliwi
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stilz
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Re: Der Blinde

Beitrag von stilz »

Hallo Nellas,
julimond hat geschrieben: Beim Gedicht "Der Blinde" gehts nicht etwa um den Verlust des Sehens, sondern vielmehr um die Gabe des Nichtsehenkönnens. Er hat es den Sehenden voraus, daß er "nur" hört und fühlt, sich also nicht vom flüchtigen Schein der Dinge verführen lassen kann -

Wenn es also heißt:

"hingegeben hebt er seine Hand, / festlich fast, wie um sich zu vermählen." -
dann deutet er damit auf das sensible Wahrnehmungsvermögen des Blinden, aber auch des Künstlerideals hin, denen es beiden gelingt, den Schein der Dinge zu überwinden und in den "reinen", "seinlosen" "Weltinnenraum", wo alles seine vorgeformte Bedeutung verliert, hineinzugreifen....
nellas hat geschrieben:
... Dies erscheint mir sehr logisch, aber wo ist das wider- hingekommen?
Ja, das ist eine sehr berechtigte Frage.

Denn Julimond hat ja die Wahrnehmung des Blinden behandelt, während es mir bei Rilke darum zu gehen scheint, wie der Blinde wahrgenommen wird.

Die Augen eines sehenden Menschen wirken ja nicht nur in sein Inneres hinein (indem er eben mit ihrer Hilfe seine Umwelt wahrnimmt), sondern auch nach außen. Insofern sind sie die „Fenster der Seele“. In den Augen eines Menschen sehen wir nicht nur, was er gerade anblickt, sondern wir können auch irgendwie erkennen, was er denkt, was er fühlt, was er begreift oder nicht begreift…
Sehende Augen, in denen menschliches Verständnis aufleuchtet, zeigen uns, daß ein solcher Mensch den „Widerschein der Dinge“ in sich hineingenommen hat und ihn nun, "verwandelt" in seinem Inneren, wieder nach außen ausstrahlen kann.

Bei blinden Augen ist das anders. Sie können nicht nur die Umwelt nicht wahrnehmen, sondern sie können auch nicht nach außen leuchten und die Gedanken und Gefühle des Blinden kommunizieren. An solchen Augen können wir keine „im Inneren verwandelten“ Dinge wahrnehmen.
Der „Widerschein der Dinge“ bleibt für den Blinden insofern also etwas „Äußerliches“, er kann nicht in sein Inneres dringen, bleibt „wie aufgemalt“…

Danke, gliwi, für die Platon-Assoziation. Ja, das ist in diesem Zusammenhang ein schöner Gedanke, daß ohne menschlich-sehendes „inneres Verwandeln“ bloß der Schatten/das Spiegelbild/der Widerschein der Dinge wahrgenommen wird, und nicht sie selber…

Zu Julimonds „Verteidigung“ möchte ich aber noch anmerken, daß dieses menschlich-sehende „innere Verwandeln“ natürlich auch fehleranfällig ist. Es kann Mißverständnisse geben, und wie oft lassen wir uns täuschen vom „Schein“ der Dinge --- das passiert einem Blinden, ebenso wie einem Blatt, nicht so leicht. Sie fangen die Welt „in kleinen Wellen ein“, nicht als Gesamtbild… aber diese „kleinen Wellen“ können einen dafür auch nicht blenden

Für mich drückt sich in diesem Gedicht auch noch etwas aus, das schwer zu beschreiben ist. Es geht darum, daß wir ein Gesicht, aus dessen Augen uns menschliches Verständnis entgegenstrahlt, sofort ganz unwillkürlich, also noch bevor wir darüber nachdenken, als Menschen wahrnehmen, mit dem wir ganz unmittelbar nonverbal kommunizieren. Bei einem Gesicht mit blinden Augen gibt es diese unmittelbare Reaktion und Kommunikation zunächst nicht. Von einem solchen Gesicht scheint etwas "Fremdes" auszugehen, das uns zunächst Scheu einflößt. Und wir haben die (nonverbale) Kommunikation mit einem blinden Menschen, die Signale, die er aussendet ebenso wie die Signale, die wir ihm zu geben haben, erst zu lernen.
Natürlich ist das, solange der Blinde nicht auch noch taub ist, viel leichter, als die Kommunikation mit einem Tier oder einer Pflanze zu erlernen. Dennoch: dadurch, daß dem Blinden der Gesichts-Sinn fehlt, ist er für uns in gewisser Weise (in Bezug auf unsere Fähigkeit, mit ihm zu kommunizieren) dem Blatt, also der Pflanze, ein Stückerl nähergerückt...

So wie ich den "Ding-Begriff" bei Rilke bisher verstanden habe, umfaßt er alles, was "nicht menschlich" ist. Insofern könnte man vielleicht sagen: dadurch, daß die Augen des Blinden nichts "Menschliches" widerspiegeln können, kommt uns zunächst auch von ihm selber, wie von einem Blatt, der "Widerschein der Dinge", des "Ding-haften", entgegen (hier ist meiner Meinung nach das "wider" hingekommen :wink: ).

Sehr interessant finde ich den Gedanken, daß der Blinde „die Stadt unterbricht“ --- das scheint mir darauf hinzudeuten, daß es so etwas wie eine Stadt (mit allem positiven, aber auch mit allem negativen „Drum und Dran“) vielleicht gar nicht geben könnte, wenn die Menschen nicht grundsätzlich Augen hätten, die sehen können…


Soweit einige meiner Gedanken zu diesem Gedicht.

Lieben Gruß

stilz
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
nellas
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Re: Der Blinde

Beitrag von nellas »

Vielen lieben Dank für eure Kommentare!

Ich sehe das Gedicht nun in einem ganz anderen Licht:
Allgemein finde ich, dass zwei Betrachtungsweisen möglich sind. Auf der einen Seite steht der Leser, der mit der Einleitung "Sieh" angesprochen wird, der aufgefordert wird, den Blinden zu verstehen, ihn vielleicht sogar als Vorbild zu sehen. Auf der anderen Seite steht der Blinde, der existiert und von dem aus das Ganze geht.

Ich denke, dass mit dem Widerschein der Dinge schlicht und einfach die Lichtreflexion an Objekten gemeint ist. Denn dadurch sind wir erst in der Lage zu sehen, WIR, die Sehenden. Der Blinde jedoch kann den Widerschein der Dinge nicht aufnehmen, nicht verinnerlichen. Er wird nicht von den Äusserlichkeiten, vom Widerschein geblendet. Er kann nur tasten und hören, die Stille und den Widerstand hören und fühlen. Und in dieser Isolation ist er fähig, die zwischenmenschlichen Schwingungen zu erfassen und sie zu beurteilen. Das ist seine Wahrnehmung, seine ungeblendete, nicht oberflächliche Wahrnehmung. Mit diesen Resultaten entscheidet er schliesslich, UNVOREINGENOMMEN, und vermählt sich.

In diesem Sinne ist das Gedicht eine Kritik an der Voreingenommenheit, der Beurteilung die von Äusserlichkeiten beeinflusst wird.

Vielen Dank stiltz, du hast mir die Augen geöffent (obwohl es ja kein richtig oder falsch sondern nur verschiedene Betrachtungsweisen gibt;))!

lg nellas

Ps: Wahrscheinlich habt ihr diese Gedanken alle schon geäussert, aber zusammenfassen und reflektieren tut auch gut:-).
nellas
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Re: Der Blinde

Beitrag von nellas »

sorry, stilz natürlich:D
dalia
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Re: Der Blinde

Beitrag von dalia »

hallo!
Ist der " der Blinde" ein Trochäus oder Jambus und was ist die Kernaussage des Gedichtes??
Wäre froh wenn mir mal einer ein bischen weiter helfen kann.
gliwi
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Re: Der Blinde

Beitrag von gliwi »

Hallo dalia,
deine Ausdrucksweise ist inexakt. "Der Blinde" ist nicht ein Versmaß, er hat eines. Und das ist der Trochäus.
Hast du eigentlich das Voranstehende durchgelesen? Dann erübrigt sich die Frage nach der Aussage. Eine "Kernaussage", also einen Satz wie eine Gleichung, gibt es bei Rilkes Gedichten nicht - bei anderen meistens auch nicht. (Höchstens vielleicht bei Goethes "Sah ein Knab ein Röslein stehn" - da wird eine Vergewaltigung geschildert.) Du hast Glück, dass dieses Gedicht hier schon so ausführlich besprochen ist.
Gruß
gliwi
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lilaloufan
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Re: Der Blinde

Beitrag von lilaloufan »

gliwi, eine "kernaussage" gebe es selten, mh, der Satz sprengt die Zielscheibe, für deren Zentrum er gemünzt sein mag.

MRR (nein, kein Buchstabendreher! :)) hat sich da moderater geäußert (ausgerechnet ER!!! :lol:) - auch im Hinblick auf das Goethe-Gedicht.:
«Allerdings gibt es ein Thema, das ungleich bedeutender ist als alle Darstellungen von Bergen und Tälern, von Blumen, Bäumen und Büschen, von Flüssen und Seen, als alle Landschafts- und Naturbeschreibungen. Dieses Thema, das seit Jahrtausenden im Mittelpunkt der Weltliteratur steht, ist der Mensch (…). - Übrigens sei noch rasch darauf hingewiesen, dass, wenn große Dichter von Blumen sprechen, sie beinahe immer anderes und ungleich mehr als Blumen meinen. Da beginnt ein deutsches Gedicht: „Sah ein Knab' ein Röslein stehn“. Ist das ein Naturgedicht, das von einer Blume, jung und morgenschön, erzählt? Oder sind es vielleicht Verse über die Vergewaltigung eines Mädchens?» fragt er in einem Interview.

Ich kann MRRs Doppelfrage aus einem bestimmten Blickwinkel verneinen, ohne anderen Antworten, wenn sie aus anderem Blickwinkel gefunden sind, ihre Berechtigung bestreiten zu müssen. Dann ist die Ballade „Heideröslein“ ein Gedicht, das das Naturerleben des Menschen beleuchtet, nicht die Naturerscheinung rosa canina dumetorum. [Dass andere Interpretatoren mutmaßen, Goethe habe ein Helianthemum gemeint, sei mal ganz außer acht gelassen…]

{Wieso meinst Du, „höchstens vielleicht“ die Schilderung einer Vergewaltigung enthalte als Ausnahmefall eine "kernaussage" = „einen Satz wie eine Gleichung“? - Welche?}

Aber wir sind hier bei Rilke, und überhaupt bei einer anderen Thematik.

l.
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Harald
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Re: Der Blinde

Beitrag von Harald »

Die unreflektierte Metaphorik des Wortes "Kernaussage" entlarvt das ewige Missverständnis der Lyrikrezeption: Wenn man die süßen oder sauren Weichteile verschlungen hat, bleibt der Kern. Und den spuckt man dann aus? Ein Baum der Erkenntnis wird wohl kaum draus wachsen.
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gliwi
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Re: Der Blinde

Beitrag von gliwi »

Ganz kurz noch off-topic, lilaloufan: ich halte es hier mehr mit RK= Ruth Klüger als mit MRR!
Gruß
gliwi
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lilaloufan
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Re: Der Blinde; ausdrücklich OFF TOPIC!

Beitrag von lilaloufan »

Ruth Klüger ('Frauen lesen anders', 1994) hat geschrieben:«Die Verherrlichung oder Verharmlosung der Gewalt gegen Frauen in der Literatur beginnt früh, zum Beispiel mit dem „Heideröslein“. Man sollte meinen, dass sich die symbolische Darstellung einer brutalen Vergewaltigung, vertont oder unvertont, nicht zum Schulunterricht eigne und schon gar nicht auf eine Stufe mit wirklichen Liebesliedern gesetzt werden solle. Denn Goethe hin, Schubert her, die letzte Strophe ist eine nur leicht verbrämte Terrorszene: „Doch der wilde Knabe brach's Röslein auf der Heiden | Röslein wehrte sich und stach | Half ihm doch kein Weh und Ach | Musst es eben leiden.“
Die Verharmlosung entsteht dadurch, dass der Vergewaltiger, also ein ausgewachsener, zumindest geschlechtsreifer Mann, als „wilder Knabe“ einher kommt, dass die Tat symbolisch an einer Blume ausgeführt wird, obwohl deutlich Kraftmeier und schwächeres Mädchen gemeint sind, und dass im hingeträllerten Refrain „Röslein, Röslein, Röslein rot | Röslein auf der Heiden“ der Terror verplätschert. Das Lied ist verlogen, weil es ein Verbrechen als unvermeidlich und obendrein wie eine Liebesszene darstellt. Helke Sander hat in ihrem umstrittenen Dokumentarfilm "BeFreier und Befreite" einen Männerchor eingesetzt, der das „Heideröslein“ kommentarlos und unmissverständlich, im Kontext der Massenvergewaltigungen des Zweiten Weltkrieges, singt. Damit ein Mädchen oder eine Frau ein solches Lied hübsch findet, muss sie mehr von ihrem menschlichen Selbstbewusstsein verdrängen als sich lohnt - von ihren erotischen Bedürfnissen ganz zu schweigen…
»
Also wirklich gliwi. Da kämpfst Du hier für das Dinggedicht, und dann hältst Du’s zugleich mit einer Tendenzrhetorik, in der ein Röslein auf Biegen und Brechen kein Röslein sein darf. Pardon, aber die Vergewaltigungsphantasie ist auf Seiten Ruth Klüger zu suchen, nicht auf Seiten Goethes.

Goethe hin, sagt sie, da müsste ich jetzt ein Buch schreiben statt einer kleinen Replik. Aber Schubert her - gut, die Probe sei unternommen. Hör’s Dir mal an, mit aller darin schwingenden Schwermut. Und welche Mittel setzt der Komponist ein? Diejenigen, die die Romantik immer dem Reinseelischen hinordnet, nicht dem Sozialen, auch nicht dem dramatisch Agitatorischen, das sie ja durchaus auch kennt. Unsere Seele selbst ist durchaus von jenem „wilden Knaben“ wie eben auch von dem „Röslein“ erfüllt; nicht gerade unbekannt ist Goethes Wort von den «Thaten und Leiden» der Seele.

«Da wird eine Vergewaltigung geschildert.» Aha. Und der Schubert der hat sich womöglich dran aufgegeilt?

Gibt es nicht einen Bereich in der Seele, wo dieses „musst es eben leiden“ ganz berechtigt ist? Wo es Daseinssinn gibt?

Und nein, ich stehe nicht an, psychoanalytischem Deutungsgefasel nun mit irgendeinem nicht weniger weit hergeholten spirituell-psychologischen Herumgedeute zu begegnen, wirklich nicht.

Aber ich stoße mich an der gedanklichen Inkonsequenz, ein dichterisches Bild als "höchstens vielleicht" literarische Ausnahmeerscheinung mit "kernaussage" (vermutlich: «Brutalität und Leiden muss schon sein zwischen den Geschlechtern»?) herunterzustilisieren, bloß weil’s willkommen in ein emanzipationsideologisches Klischee zu passen scheint.

Reich-Ranitzki hat’s immerhin bei der Frage bewenden lassen; eine Frage kann bereichern. Eine Pauschalverdammung dagegen wie bei Ruth Klüger ist unklug und schlechtes Benehmen: Sie ist nicht weniger gewalthaft als das, was sie im Rundumschlag bekämpfen will.

findet
l.
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Re: Der Blinde

Beitrag von Harald »

Sprechende Röslein müssen Deutungsvielfalt eben leiden. Si tacuisses rosa mansisses.

Bei Herder, wo Goethe fündig wurde, endet die letzte Strophe noch erheblich dumpfmännerphantasienäher:

"Röslein wehrte sich und stach,
Aber es vergaß darnach
Beim Genuß das Leiden."
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Re: Der Blinde

Beitrag von lilaloufan »

Nein Harald.

Genau umgekehrt:

Er, der Knabe, vergaß. So heißt es bei Herdern, so erinnert er es und sagt dazu: «Es enthält zwar keine transcendente Weisheit und Moral, mit der die Kinder zeitig gnug überhäuft werden - es ist nichts als ein kindisches Fabelliedchen.»

Liebe Grüße,
Christoph

P.S.: Von wegen "kernaussage"!
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Re: Der Blinde

Beitrag von Harald »

Der Text vor meiner Nase sagt unmissverständlich "es", und eine Druckfehler- und Überarbeitungsdebatte wurde schon im 19. Jahrhundert geführt.
Die Erotisierung des Rösleins ist ein alter Hut:
"Ein Röslein stand ganz ungeziert,
Im Knospenmiederchen keusch eingeschnürt ..." (Saphir, 1800)
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Re: Der Blinde

Beitrag von lilaloufan »

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