Lieber helle,
ich freu mich sehr, daß Du diese "Spielereien" nicht für sinnloser hältst als vieles andere, das man ganz selbstverständlich "mitspielt"
Und wenn Du sagst:
aber ich glaube trotzdem, daß Rilke in Schreibung und Aussehen der Wörter so etwas wie Physiognomien wahrgenommen hat.
dann möchte ich Dir nicht nur beipflichten, sondern gestehe, daß es mir selber ja auch ähnlich geht. Deshalb leide ich wirklich unter "Delfin" oder "Frisör" oder "Schofför", und ich erschrecke, ganz ähnlich wie bei der Begegnung mit einer Freundin, die plötzlich mit einer neuen Nase daherkommt...
Mir ist die Sprachentwicklung sehr wichtig, ich mache immer wieder neue Entdeckungen daran, ich finde, sie ist wesentlich beteiligt an der Entwicklung des "Geistigen" im Menschen überhaupt, und ich fände es wirklich traurig, den Sinn dafür ganz zu verlieren, nur damit etwas für irgendjemanden im Moment "einfacher" zu werden scheint (woran ich übrigens, in Bezug auf Migrantentum, gar nicht glaube)...
gliwi hat geschrieben:
ich lebe sehr mit der Sprache, trotzdem halte ich es nicht für sinnvoll, durch eine schwierige Schreibung anzuzeigen, dass ein Wort aus dem Griechischen stammt. Was soll die Migrantin aus Anatolien mit dieser "Information"?
Liebe gliwi,
es geht doch nicht darum, durch eine "schwierige" Schreibung die Herkunft eines Wortes "anzuzeigen". Sondern es geht darum, nicht extra durch eine willkürliche Änderung dieser Schreibung zu
verhindern, daß man erkennen kann, woher ein Wort kommt, das jahrhundertelang niemandem Schwierigkeiten bereitet hatte.
Ich weigere mich einfach, zu glauben, daß unsere heutigen MigrantInnen soviel unfähiger sein sollen als die früherer Zeiten!
Und: ob jemand, der aus einer fremden Sprachumgebung kommt, sofort ohne Schwierigkeiten zurechtkommt hier in der für ihn neuen Sprache… das kann
mir doch nicht Kriterium sein für die Sprache, die
ich selber spreche und schreibe.
Dafür gibt es Piktogramme, und dafür kann ich Englisch und habe rudimentäre Kenntnisse anderer Sprachen (und treffe ja auch bei Fremden darauf), und es gibt ja auch noch Mimik und Gestik… und ich würde auch niemals auf die Idee kommen, jemanden für einen dummen oder gar schlechten Menschen zu halten, weil er irgendein Wort nicht richtig schreibt. Ich bin wirklich sehr für „Barrierefreiheit“!
Aber das kann doch nicht heißen, daß es in der Sprache eines Landes
ausschließlich Informationen geben darf, die für einen Touristen oder Migranten, der sich nicht näher damit auseinandersetzen will, von dringendem Interesse sein könnten.
Wenn jemand in einem fremden Land mehr erleben will als nur „Barrierefreiheit“, dann wird er sich schon mit der Sprache dieses Landes beschäftigen müssen. Und dabei wird ihm ja möglicherweise aufgehen, worin die Schönheit und Besonderheit gerade dieser Sprache liegt… und in wie andere Bahnen seine Gedanken von dieser zunächst fremden und ungewohnten Sprache geleitet werden können…
Na --- darauf freilich müßte man sich gefaßt machen: daß die Gedanken auch mal anders gehen könnten als bisher… ich habe das immer sehr bereichernd gefunden, mich selber in einer neuen Sprache zu erleben, selbst wenn ich sie nur ganz wenig kennenlernt habe.
Noch zu:
Für mich soll Rechtschreibung nicht Sprachgeschichte lehren, sondern logisch, eindeutig und einsehbar sein.
Na --- also da möchte ich doch fragen, wo beispielsweise die Logik bleibt, wenn ich ein Wort wie "Gemse", das doch wirklich niemals irgendwelche Schwierigkeiten verursacht hat, plötzlich als "Gämse" verordnet bekomme... nur weil es auch das Wort "Gams" gibt, also grad um
durch schwierige Schreibung anzuzeigen, woher es kommt ... und von Konsequenz kann dabei nicht die Rede sein, sonst müßte es auch "ämsig" heißen, denn die
emsige Emse ist doch nichts anderes als eine
Ameise... und auch die
Henne dürfte nicht mehr so tun, als ob sie gar nix mit dem
Hahn zu tun hätte...
Lieben Gruß, und nix für ungut!
stilz
Die Dichter haben ja, wie Mallarmé sagte, das Problem, dass sie, anders als Musiker und Maler, ihr Medium mit dem Alltag teilen müssen
Na -- also wenn ich an diverse Hintergrundmusiken denke, bin ich nicht sicher, ob Musiker nicht dasselbe Problem haben...