Der Panther

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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Paul A.
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Der Panther

Beitrag von Paul A. »

Hallo,

was meint Ihr: schielt Rilkes Panther ?

Paul A. :lol:
"... Knaben, o werft den Mut/ nicht in die Schnelligkeit,/ nicht in den Flugversuch./ Alles ist ausgeruht:/ Dunkel und Helligkeit,/ Blume und Buch." (R.M. Rilke)
sveta
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Beitrag von sveta »

Ich weiß nicht, ob er schielt - wo könnte sich denn das im Text zeigen?
Ich bin mir aber sicher, dass das Tier hinkt.
Das von Rilke verwendete Versmaß weist eindeutig auf dieses körperliche Gebrechen des Panthers hin. :D
Und wenn man das Gedicht vorträgt, scheint es den Zuhörenden, als schleppe Rilkes "Ding" in dem Gedicht den rechten Vorderlauf nach.
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Dann müsste ja jeder Jambus hinken! Das überzeugt mich nicht. Belege bitte!
Gruß
gliwi
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. KANT
DoMi
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Beitrag von DoMi »

Hallo,

also wie man auf die ernsthafte (?) Idee kommen könnte, dass der "Panther" schielt würde mich nun auch wirklich interessieren...
Und das er hinkt erscheint mir auch recht zweifelhaft. Eher im Gegenteil. Für mich ist der Jambus eher ein Versmaß, welches Ruhe, Normalität, bzw. hier die Eintönigkeit seiner Welt ausdrückt und da der Jambus soveil ich weiß durchgehend erhalten bleibt finde ich keinen Grund, warum er hinken sollte.
Außerdem sind solche Diskussionen doch irgendwie sinnlos, oder? Meiner Meinung sind Gedichtinterpretationen eine unglaublich faszinierende Möglichkeit in die Welt des Dichters, bzw. der Thematik einzutauchen...und man kann immer wieder nur staunen, was man findet. Doch solche Versuche ein Gedicht zu zerpflügen finde ich zu weit. Ich denke, wenn man danach im Gedicht ernsthaft sucht, dann geht der Reiz und die Stimmung verloren.

Liebe Grüße

Dominik
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Lieber Dominik,
nicht böse sein, aber was du hier sagst, ist die Ausrede aller faulen SchülerInnen, die keine Lust haben, das "Handwerk" der Gedichtinterpretation zu lernen. :evil: Brecht, der große Lyriker, hat zum Thema des Gedichte-Zerpflückens schon die ultimative Aussage gemacht: "Zerpflücke eine Rose, und du wirst finden, dass jedes einzelne Rosenblättchen schön ist." Ebenso der große Germanist Emil Staiger, der sagte, wir wollen "Begreifen, was uns ergreift." Auch in der Musik oder in der Malerei schadet es unserem Eindruck nicht, wenn wir etwas darüber wissen, wie der Komponist/die Malerin gearbeitet hat. :D
Gruß
gliwi
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Anna B.
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der schielende Tiger

Beitrag von Anna B. »

Hallo.

jetzt misch ich mich mal ein in die Diskussion über den schielenden Panther, denn ich habe heute - tatsächlich ! - ein Gedicht über einen schielenden Tiger :wink: gefunden, das mich irgendwie auch an Rilkes Panther erinnert.

Hier kommt es:

Der Tiger

Aus Gier auf Beute biegt sich leis sein Schritt
und seine Tatzen buhlen mit dem weichen Sand,
in den des Himmels blanke Sterne fallen.
Er bringt den Blutgeruch der Opfer mit,
die aus dem Dickicht er mit Sprung und Biß erstand,
und deren Schreie durch die Nächte schallen.
Sein Blick ist manchmal leer von Grausamkeit
und seine Flanken sind nicht mehr bereit zum Sprung,
als wär um ihn der Jungen tölpisch Spielen. –
Doch wenn ein nahes Opfer achtlos schreit,
dann spannen seine Muskeln sich zum letzten Schwung
und seine Augen flackern grün und schielen.

Es ist übrigens von Georg Zemke.

Ich entdecke da ein paar Ähnlichkeiten mit Rilkes Panther. Seht Ihr das auch so ?

Anna Blume :lol:
"anna blume... man kann dich auch von hinten lesen... du bist von hinten wie von vorne: "a-n-n-a." (kurt schwitters)
DoMi
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Beitrag von DoMi »

Halt, halt, halt,...!!!

Liebe Gliwi,

also entweder habe ich mich so komplett falsch ausgedrückt, oder du hast mich einfach falsch verstanden!!
Ich gehöre zu der (leider sehr geringen) Anzahl an Menschen in meinem Alter, die sich unglaublich stark für Gedichte und Literatur insgesamt interessieren. Zudem bin ich ein großer Verfechter von Gedichtinterpretationen!!! Ich finde sie faszinierend, spannend, wundervoll, atemberaubend,...!! da man
in die Welt des Dichters, bzw. der Thematik ein[zu]tauchen
kann!!!
Ich bin so ziemlich genau das Gegenteil von dem, wofür du mich hier verdächtigst! Ich liebe Gedichte und deren Interpretation...
So...Das musste mal gesagt werden!!! :wink:
Ich bin leidenschaftlicher Musiker, Leser und schreibe auch hin und wieder. Und gerade, wer selbst den einen oder anderen Versuch des Dichtens, bzw. Schreibens unternimmt muss, meiner Meinung nach, ein Liebhaber von Interpretationen sein, da er sie ja selbst auch verwendet, bzw. verwenden will!!!!
Das Zitat von Bertolt Brecht gefällt mir übrigens sehr gut! Es ist ein sehr schönes und treffendes Bild!
Gut....
Nun zu meiner eigentlichen Aussage!

Ich wollte eigentlich sagen, dass diese speziellen Gedanken und Fragen, wie sie sich in diesem Gespräch (wie heißt es in der internetsprache??->"Post"??) bilden für mich persönlich zu weit gehen. Ich erachte diese Fragen nicht als interpretationswürdig, da ein Suchen nach deren Antworten in den Gedichten, bzw. in dem Gedicht die Stimmung, welche das Gedicht für mich und in mir erzeugt, zerstört. Sie sind mir zu "kleinkariert" und erscheinen mir als nichtig und unwichtig - schlicht unrelevant. (ich bezweifle auch, dass Rilke eines der beiden aufgeworfenen Dinge ausdrücken wollte.)

Um in Brechts Bild zu bleiben, so überscheiten diese Fragen für mich den Akt des Rosenzerpflückens, sie beginnen die Rosenblätter zu untersuchen, sie nach ihren eventuellen chemischen Zusammensetzungen, die man noch unbewiesen, rein hypothetisch in ihnen vermutet, zu untersuchen. Man will sie sezieren! (Als wäre es Tod!) Und das Blättchen, das schöne wird langsam, aber beständig welken. Wird Form und Farbe verlieren und du wirst sehen, es wird vergehen!!

Das meinte ich! Und nichts anderes!

Liebe Grüße

(der aufgrund des hoffentlich aufgeklärten Missverständnisses erleichterte)
Dominik
DoMi
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Beitrag von DoMi »

Hallo Anna,

ich denke du meinst dein Gedicht, oder? :) Ich finde es sehr interessant. Ich kannte den Dichter nicht. Wer ist Georg Zemke? Wann lebt/e er? Was schrieb er? Allerdings fällt es mir schwer den inhaltliche Zusammenhang zu "unserem" Panther finden. Denn...dieser Panther lebt wahrlich, er ist frei, und lebt sein Leben in wildnis und Natur - er jagt.
Wenn ich es mir so druchlese scheint er mir fast ein "Gegenpanther" zu jenem Rilkes zu sein. Findest du nicht auch? Er ist nicht der betäubte, welcher ehemals gejagt und nun gefangen wurde, er ist der Jagende!! Er ist der Grausame!
Was mir gut gefällt sind die Tatzen, die mit dem Sand buhlen...das ist schön gemacht!

Liebe Grüße

Dominik
Mona
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Beitrag von Mona »

Wer ist Georg Zemke? Wann lebt/e er? Was schrieb er?
Lustig, genauso fragt mein Prof auch immer :lol: !

Mona :lol:
"Wie man sich lange über die Bewegung der Sonne getäuscht hat, so täuscht man sich immer noch über die Bewegung des Kommenden. Die Zukunft steht fest,... wir aber bewegen uns im unendlichen Raume."(RMR)
stilz
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Beitrag von stilz »

DoMi hat geschrieben:Halt, halt, halt,...!!!
...
Nun zu meiner eigentlichen Aussage!
...
Ich wollte eigentlich sagen, dass diese speziellen Gedanken und Fragen, wie sie sich in diesem Gespräch (wie heißt es in der internetsprache??->"Post"??) bilden für mich persönlich zu weit gehen. Ich erachte diese Fragen nicht als interpretationswürdig, da ein Suchen nach deren Antworten in den Gedichten, bzw. in dem Gedicht die Stimmung, welche das Gedicht für mich und in mir erzeugt, zerstört. Sie sind mir zu "kleinkariert" und erscheinen mir als nichtig und unwichtig - schlicht unrelevant. (ich bezweifle auch, dass Rilke eines der beiden aufgeworfenen Dinge ausdrücken wollte.)
Ja, ganz genauso geht es auch mir ... und ich hatte ja auch den Eindruck, Pauls Frage nach dem "Schielen" wäre scherzhaft gemeint.

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe ... na klar, wenn er schielt, sieht er mindestens doppelt oder noch mehr-fach, die Stäbe vertausendfachen sich... so einfach ist das also!

Natürlich ist das eine Möglichkeit. Wenn man keine andere Möglichkeit sehen kann oder will, wieso sonst dem Panther so sein könnte,
...als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.


Lieber Dominik, für mich, ebenso wie offenbar für Dich, bedeutet "Ding-Gedicht" nicht, daß man so "reduktionistisch" interpretieren muß, das möchte ich eigentlich nur als Scherz gelten lassen.

Allerdings ist mir bewußt, daß wir Rilke nicht wirklich vor solcher Interpretation werden "schützen" können ... na, das wird er schon aushalten, ebenso wie er ja auch Parodien aushalten kann :lol:

meint

stilz
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Anna B.
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Beitrag von Anna B. »

Hallo,

... das Gedicht - über den schielenden Tiger - von Georg Zemke habe ich in einer alten Anthologie aus den 30er Jahre gefunden. Leider steht nichts über den Autoren da.

Übrigens, wie sieht es mit Parodien über Rilkes Panther aus ? Es gibt doch bestimmt welche , oder ?!

Anna :lol:
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Beitrag von stilz »

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Volker
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Beitrag von Volker »

Georg Zemke? - Kenn ich auch nicht.

Das was googel über ihn weiß, erscheint fragwürdig:
Die Reichsautobahn in Literatur und anderen Medien des "Dritten Reiches"

"Durch seinen Willen nun zur Tat geworden" von Georg Zemke
Gefunden: hier
Ich hab' auch Verstand.©
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Beitrag von DoMi »

Hallo ihr,

du triffst, stilz, ziemlich gut meine Meinung und auch ich dachte zunächst, dass es sich nur um einen Scherz handelte, daher antwortete vorerst ja auch keiner....

Der Link von Volker deutet ja fast auf einen Lyriker hin, der im Dienste der Nazionalsozialisten stand, bzw. propagandische, im Sinne der Reichführung stehende Schriften verfasste.
Das würde erklären, warum man so wenig über ihn findet.

Liebe Grüße

Dominik
Paul A.
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Beitrag von Paul A. »

Hallo,

hätte nicht gedacht, dass meine Frage solch einen Wirbel veranstalten würde :wink: ! Tatsächlich war sie scherzhaft gemeint ... :lol:

Ob es wohl auch eine Parodie gibt auf die verhinderten Raucher in diversen Lokalen :wink: ? Denn diese kommen mir auch oft so vor, als ob sie tausend Stäbe sehen - und hinter diesen keine Welt ....

Paul :lol:
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