Durch die Wanduhr...
Durch die Wanduhr...
Hallo,
neulich las ich "Die Nacht" aus den Christus-Visionen und bin über die Zeile "und langsam durch die Wanduhr tropft die Zeit.-" gestolpert. Nein!, ich war erschüttert! Denn kennt ihr Erich Kästners doch sehr bekanntes und beliebtes Gedicht "Kleines Solo"?
Ich fand dieses Gedicht auch immer sehr ansprechend und dies nicht zuletzt aufgrund des schönen Bildes "Aus der Wanduhr tropft die Zeit."
Was meint ihr? Wollte Kästner absichtlich auf die Christus-Visionen anspielen, evt. weil der Piccolo in einer ähnlichen Situation ist, wie die Person im Kästnergedicht, oder hat er diese Stelle einfach geklaut??
Liebe Grüße
Dominik
neulich las ich "Die Nacht" aus den Christus-Visionen und bin über die Zeile "und langsam durch die Wanduhr tropft die Zeit.-" gestolpert. Nein!, ich war erschüttert! Denn kennt ihr Erich Kästners doch sehr bekanntes und beliebtes Gedicht "Kleines Solo"?
Ich fand dieses Gedicht auch immer sehr ansprechend und dies nicht zuletzt aufgrund des schönen Bildes "Aus der Wanduhr tropft die Zeit."
Was meint ihr? Wollte Kästner absichtlich auf die Christus-Visionen anspielen, evt. weil der Piccolo in einer ähnlichen Situation ist, wie die Person im Kästnergedicht, oder hat er diese Stelle einfach geklaut??
Liebe Grüße
Dominik
Lieber Dominik,
vielen Dank für's Mitteilen Deines "Stolperns" !
Das ist eine sehr interessante Verbindung, die diese Zeile zwischen den beiden Gedichten herstellt.
Ob Kästner "geklaut" hat, das kann ich nicht sagen. Es würde mich aber wirklich interessieren, ob das eine Koinzidenz ist, oder ob Kästner dieses Rilke-Gedicht bekannt war.
Ich finde auch den Unterschied zwischen "durch die Wanduhr" (Rilke) und "aus der Wanduhr" (Kästner) bemerkenswert: als ob bei Rilke die Zeit etwas "Wirkliches" wäre, das schon da ist, bevor es durch die Wanduhr tropft; bei Kästner hingegen könnte man fast glauben, die Uhr ist es, die die Zeit erst erzeugt...
Der Vergleich dieser beiden Gedichte stößt sehr viele Gedanken an in mir... Ich wäre nicht darauf gekommen, Kästners "Solisten" mit Rilkes Piccolo in Beziehung zu setzen, sondern ich vergleiche Kästners "Du" schon mit Rilkes "blassem Nachbar".
Vermeintliche "Liebe", die zu Paaren treibt, was dann die Einsamkeit umso stärker spüren läßt... das "Glück", das vor Suchenden das Weite sucht... bei Kästner wird der Mensch, der das erlebt, sich dessen sehr bewußt und leidet darunter.
Bei Rilke gibt es in diesem Menschen darüber hinaus noch das Bewußtsein des Gottessohnes... das macht es noch viel schwerer erträglich...
In diesem Zusammenhang ist es mir auch von Bedeutung, daß Kästner nicht ein "lyrisches Ich", sondern sozusagen ein "lyrisches Du" zur Hauptgestalt seines Gedichtes macht. Denn dabei fällt mir wieder das "tiefinnere Gegenüber" ein, und ich erinnere mich an unseren Austausch zu "Die Blinde"...
Nochmal: danke fürs Aufmerksammachen!
Lieben Gruß
stilz
P.S.: Das Kästner-Gedicht findet man beim Googeln im Netz, ich will's aber nicht hier hereinstellen, da Kästner ja erst 1974 gestorben und daher noch nicht "frei" ist --- wie seltsam übrigens, daß wir zum Beispiel Rilke als "frei" bezeichnen und damit meinen, daß wir nun frei sind, mit seinem Werk nach Belieben umzugehen...
vielen Dank für's Mitteilen Deines "Stolperns" !
Das ist eine sehr interessante Verbindung, die diese Zeile zwischen den beiden Gedichten herstellt.
Ob Kästner "geklaut" hat, das kann ich nicht sagen. Es würde mich aber wirklich interessieren, ob das eine Koinzidenz ist, oder ob Kästner dieses Rilke-Gedicht bekannt war.
Ich finde auch den Unterschied zwischen "durch die Wanduhr" (Rilke) und "aus der Wanduhr" (Kästner) bemerkenswert: als ob bei Rilke die Zeit etwas "Wirkliches" wäre, das schon da ist, bevor es durch die Wanduhr tropft; bei Kästner hingegen könnte man fast glauben, die Uhr ist es, die die Zeit erst erzeugt...
Der Vergleich dieser beiden Gedichte stößt sehr viele Gedanken an in mir... Ich wäre nicht darauf gekommen, Kästners "Solisten" mit Rilkes Piccolo in Beziehung zu setzen, sondern ich vergleiche Kästners "Du" schon mit Rilkes "blassem Nachbar".
Vermeintliche "Liebe", die zu Paaren treibt, was dann die Einsamkeit umso stärker spüren läßt... das "Glück", das vor Suchenden das Weite sucht... bei Kästner wird der Mensch, der das erlebt, sich dessen sehr bewußt und leidet darunter.
Bei Rilke gibt es in diesem Menschen darüber hinaus noch das Bewußtsein des Gottessohnes... das macht es noch viel schwerer erträglich...
In diesem Zusammenhang ist es mir auch von Bedeutung, daß Kästner nicht ein "lyrisches Ich", sondern sozusagen ein "lyrisches Du" zur Hauptgestalt seines Gedichtes macht. Denn dabei fällt mir wieder das "tiefinnere Gegenüber" ein, und ich erinnere mich an unseren Austausch zu "Die Blinde"...
Nochmal: danke fürs Aufmerksammachen!
Lieben Gruß
stilz
P.S.: Das Kästner-Gedicht findet man beim Googeln im Netz, ich will's aber nicht hier hereinstellen, da Kästner ja erst 1974 gestorben und daher noch nicht "frei" ist --- wie seltsam übrigens, daß wir zum Beispiel Rilke als "frei" bezeichnen und damit meinen, daß wir nun frei sind, mit seinem Werk nach Belieben umzugehen...
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
Liebe Stilz,
zu deinem entsprungenen Gedanken ein kleines (nicht ganz passendes) Zitat von Thomas Mann aus seiner Novelle "Mario und der Zauberer"...
Ich wollte zunächst auch das Gedicht hier rein schreiben (hatte es auch schon eingefügt) aber hab es dann aus selbigen Gründen doch noch gelöscht.
Du hast natürlich volkommen recht...
Bei meinem zu flüchtigen zweiten Durchlesen, ging ich aus unbegreifbaren Gründen davon aus, dass es sich bei dem "König" um den Piccolo handelt...dies hätte einige andere Schlüsse nach sich gezogen...vorallem was die Interpretation des Endes betrifft.
Aber so müsste der Vergfleich natürlich zum "Gefährten" gezogen werden.
Wenn ich genauer beide Gedichte mir durchlese, so denke ich mehr und mehr, dass Kästner aus ähnlichen Gründen, wie den deinigen, absichtlich diese Stelle zitiert hat....und allzu unbekannt waren die Christus-Visionen doch damals auch nicht, oder?
Deine Anmerkungen bezüglich des Hindurch- und des Heraustropfens sind wirklich interessant....
Leider geht Kästner auf dieses Bild in dem Gedicht nicht tiefer ein.
Für mich schwingt bei Kästner auch immer noch die Möglichkeit die "Einsamkeit zu zweit" als Sehnsucht, als Fernes, oder sogar als Liebesleid zu interpretieren mit......also etwas, das nicht mehr oder noch nicht da ist...wenn man ganz weit ausschweift, könnte das Aus-der-Uhr-tropfen ein Zeichen dafür sein.....
Aber das ist reine Spekulation....
In beiden Versionen spielt aber das Gefühlsinnere, der Freund im Innern ein große Bedeutung!...natürlich!
Liebe Grüße
Dominik
„Die Freiheit existiert, und auch der Wille existiert; aber die Willensfreiheit existiert nicht, denn ein Wille, der sich auf seine Freiheit richtet, stößt ins Leere.“
zu deinem entsprungenen Gedanken ein kleines (nicht ganz passendes) Zitat von Thomas Mann aus seiner Novelle "Mario und der Zauberer"...
Ich wollte zunächst auch das Gedicht hier rein schreiben (hatte es auch schon eingefügt) aber hab es dann aus selbigen Gründen doch noch gelöscht.
Du hast natürlich volkommen recht...
Bei meinem zu flüchtigen zweiten Durchlesen, ging ich aus unbegreifbaren Gründen davon aus, dass es sich bei dem "König" um den Piccolo handelt...dies hätte einige andere Schlüsse nach sich gezogen...vorallem was die Interpretation des Endes betrifft.
Aber so müsste der Vergfleich natürlich zum "Gefährten" gezogen werden.
Wenn ich genauer beide Gedichte mir durchlese, so denke ich mehr und mehr, dass Kästner aus ähnlichen Gründen, wie den deinigen, absichtlich diese Stelle zitiert hat....und allzu unbekannt waren die Christus-Visionen doch damals auch nicht, oder?
Deine Anmerkungen bezüglich des Hindurch- und des Heraustropfens sind wirklich interessant....
Leider geht Kästner auf dieses Bild in dem Gedicht nicht tiefer ein.
Für mich schwingt bei Kästner auch immer noch die Möglichkeit die "Einsamkeit zu zweit" als Sehnsucht, als Fernes, oder sogar als Liebesleid zu interpretieren mit......also etwas, das nicht mehr oder noch nicht da ist...wenn man ganz weit ausschweift, könnte das Aus-der-Uhr-tropfen ein Zeichen dafür sein.....
Aber das ist reine Spekulation....
In beiden Versionen spielt aber das Gefühlsinnere, der Freund im Innern ein große Bedeutung!...natürlich!
Liebe Grüße
Dominik
Hallo,
gerade lese ich über Rilkes Prager Freund Hugo Salus. Kennt jemand hier zufällig sein Gedicht "Alte Uhr" ? Weiss schon, dass das im Forum nicht gerne gesehen wird, aber ich brauche es dringend !
Mona
gerade lese ich über Rilkes Prager Freund Hugo Salus. Kennt jemand hier zufällig sein Gedicht "Alte Uhr" ? Weiss schon, dass das im Forum nicht gerne gesehen wird, aber ich brauche es dringend !
Mona
"Wie man sich lange über die Bewegung der Sonne getäuscht hat, so täuscht man sich immer noch über die Bewegung des Kommenden. Die Zukunft steht fest,... wir aber bewegen uns im unendlichen Raume."(RMR)
Hallo, Mona,
ich habe nur dieses frühe Gedicht von Rilke gefunden:
DIE ALTE UHR
Bald hättest, alte Rathausuhr,
du nimmer dürfen Stunden weisen;
sie hätten bald in altem Eisen
versplittert deine letzte Spur.
Der Geizhals hätt zum letzten Mal
sein Haupt gewiegt in starrem Trotzen,
zum letzten Mal der Tod mit Glotzen
geschwungen seinen Sensenstahl.
Dann hätt der Hahn auch ausgekräht.
Und heut noch kräht er, freilich heiser;
noch nickt der Geizhals fort, und leiser
droht ihm des Todes Majestät.
Anna B.
ich habe nur dieses frühe Gedicht von Rilke gefunden:
DIE ALTE UHR
Bald hättest, alte Rathausuhr,
du nimmer dürfen Stunden weisen;
sie hätten bald in altem Eisen
versplittert deine letzte Spur.
Der Geizhals hätt zum letzten Mal
sein Haupt gewiegt in starrem Trotzen,
zum letzten Mal der Tod mit Glotzen
geschwungen seinen Sensenstahl.
Dann hätt der Hahn auch ausgekräht.
Und heut noch kräht er, freilich heiser;
noch nickt der Geizhals fort, und leiser
droht ihm des Todes Majestät.
Anna B.
"anna blume... man kann dich auch von hinten lesen... du bist von hinten wie von vorne: "a-n-n-a." (kurt schwitters)
Hallo Dominik,
ja, das könnte sein. Ich denke, ich habe schon davon gehört... Einige seiner Gedichte sind doch vertont worden. Vielleicht findet es sich ja noch ?!
Mona
ja, das könnte sein. Ich denke, ich habe schon davon gehört... Einige seiner Gedichte sind doch vertont worden. Vielleicht findet es sich ja noch ?!
Mona
"Wie man sich lange über die Bewegung der Sonne getäuscht hat, so täuscht man sich immer noch über die Bewegung des Kommenden. Die Zukunft steht fest,... wir aber bewegen uns im unendlichen Raume."(RMR)
Na ja, wohl eher eine Mischung von Kevin allein zu Haus und dem Gedanken an meine Auftraggeber ?! Ja, als freier Journalist hat man´s nicht immer leicht ! (letzteres schreib ich hier aber nur, weil mein profil gerade nicht einsehbar ist)
Paul chen Panther
Paul chen Panther
"... Knaben, o werft den Mut/ nicht in die Schnelligkeit,/ nicht in den Flugversuch./ Alles ist ausgeruht:/ Dunkel und Helligkeit,/ Blume und Buch." (R.M. Rilke)
Hallo Mona,
hat ein bisschen gedauert, aber jetzt habe ich zumindest den Anfang von der "Alten Uhr" von Hugo Salus gefunden, wobei es sich um eine Ballade handeln dürfte:
Ist eine alte Uhr in Prag,
verrostet ist ... Stundenschlag,
verstummt ihre Stimme im Munde,
zeigt immer dieselbe Stunde...
So kann ich es gerade aus dem alten Notenfaksimile entziffern.
Anna
hat ein bisschen gedauert, aber jetzt habe ich zumindest den Anfang von der "Alten Uhr" von Hugo Salus gefunden, wobei es sich um eine Ballade handeln dürfte:
Ist eine alte Uhr in Prag,
verrostet ist ... Stundenschlag,
verstummt ihre Stimme im Munde,
zeigt immer dieselbe Stunde...
So kann ich es gerade aus dem alten Notenfaksimile entziffern.
Anna
"anna blume... man kann dich auch von hinten lesen... du bist von hinten wie von vorne: "a-n-n-a." (kurt schwitters)
Hallo Anna,
das klingt ja sehr spannend. Ist denn auf dem alten Notenfaksimile erkennbar, von wem die Komposition ist ?
Mona
das klingt ja sehr spannend. Ist denn auf dem alten Notenfaksimile erkennbar, von wem die Komposition ist ?
Mona
"Wie man sich lange über die Bewegung der Sonne getäuscht hat, so täuscht man sich immer noch über die Bewegung des Kommenden. Die Zukunft steht fest,... wir aber bewegen uns im unendlichen Raume."(RMR)