Hallo, ich habe erst vor Kurzem dieses, eher doch unbekannte, Gedicht gefunden, und mich an der Interpretation/Analyse/Inhaltsangabe versucht (cih stehe allerdings noch ganz am Anfang (also ist das so eine Art erster Leseindruck und Stoffsammlung)). Nun interessieren mich eure Meinungen dazu!
Ein Frühlingswind
Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß
es kommen, all das Drängende und Blinde,
vor dem wir glühen werden -: alles das.
(Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.)
O unser Schicksal kommt mit diesem Winde.
Von irgendwo bringt dieser neue Wind,
schwankend vom Tragen namenloser Dinge,
über das Meer her was wir sind.
.... Wären wirs doch. So wären wir zuhaus.
(Die Himmel stiegen in uns auf und nieder.)
Aber mit diesem Wind geht immer wieder
das Schicksal riesig über uns hinaus
Rainer Maria Rilke
also, das habe ich mir dazu gedacht (das ist etwas unschematisch, aber da schon im Deutschunterricht so viele Strukturen herrschen, bin ich davon geschädigt

-Thema: Schicksal, Veränderung
- der lyrische Sprecher (oder ist es ein lyrisches Ich ?) beschreibt einen Wind, der das Schicksal bringt, es erinnert mich an einen "Wind der Veränderungen"
- auf diesen Wind setzt er seine Hoffnungen (der Wind bringt Neues), der lyrische Sprecher möchte unbedingt von diesem Wind erfasst werden
-Titel: ein Frühlingswind, im Text: dieser Frühlingswind, für mich bedeutet jenes, dass es zwar immer wieder solche winde gibt, in diesem Gedicht exemplarisch aber nur von einem gesprochen wird
- der lyrische Sprecher sieht in dem wind Drängelndes und Blindes; das erinnert mich an den Frühling (Bezug zum Titel), in dem es zwar Keime und Sprösslinge gibt, sie müssen sich aber eigenständig entwickeln -> der Wind bringt Vorlangen, schafft neue Situationen, was daraus wird(Schicksal), bleibt aber schließlich jedem Menschen selbst überlassen (nur eine Richtung wird gegeben)
- obwohl es ein bestimmter Wind ist, kommt er von irgendwo her (vom Meer, wie einwarmer Frühlingswind aus dem Süden), seine Entstehung ist also unbekannt, die erhofften Veränderungen können für den lyrischen Sprecher also nur von außen beeinflusst werden
- der lyrische Sprecher erlebt die Situation nicht alleine, er spricht noch eine Person an -> andere Menschen sind in der gleichen Situation wie er
- das, was der Wind bringt ist dem lyrischen Sprecher unbekannt und kann auch nicht beschrieben bzw. benannt werden ("namenlose Dinge"), aber da der Wind mit ihnen ins Schwanken gerät, müssen sie wohl sehr schwer sein (-> schwerwiegende Veränderungen)
-"was wir sind" -> wenn dieses Sein erst vom Wind gebracht wird, was sind sie dann jetzt? Oder ist es ein zeitloser Prozess, denn wind kommt erst noch; wenn es erst auf die Zukunft zutrifft, hätte es doch eigentlich "was wir sein werden" heißen müssen?
- die dritte Strophe wirkt auf mich ernüchternd: der lyrische Sprecher wurde vom Wind überflogen, sein Schicksal hat ihn nicht erreicht (und das ist nicht das erste Mal)
-wäre der der Wind angekommen, so wäre der lyrische Sprecher (die anderen auch) überglücklich und zu hause; dieses zu hause sehre ich als Metapher für sich selbst, zu der er dann gefunden hätte, d. h. es würde ihm besser gehen, er hätte durch sein Schicksal zu sich selbst gefunden
-Reimschema: aba(b)b cbc d(e)ed , durch den umarmenden Reim grenzt sich die dritte Strophe also nicht nur inhaltlich ab, sie wirkt auch in sich als etwas abgeschlossenes
das Schicksal ist zu groß (=zu mächtig) für den lyrischen Sprecher; am Ende hat sich seine Situation also nicht verändert
- wenn ich an das Gedichtende von „Archaïscher Torso Apollos“ (Du musst dich ändern) denke, dann sehe ich das Gedicht als Gesellschaftskritik für Menschen, die nur auf das Schicksal, bzw. eine Veränderung von außen warten, und selbst nicht auf die Idee kommen, etwas an sich (und damit an der Situation) zu ändern
Schon mal Danke,
Maria