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gott-los ?

Verfasst: 22. Jan 2007, 21:58
von Paul A.
Hallo,

wo finde ich folgendes Zitat bei Rilke ?
Laßt uns doch aufrichtig sein, wir haben keinen Gott: Dazu gehört Gemeinsamkeit. Jeder hat seine besonderen Einfälle und Befürchtungen, und er läßt den anderen so viel davon sehen, als ihm nützt und paßt. Wir verdünnen fortwährend unser Verstehen, damit es reichen soll, statt zu schreien nach der Wand einer gemeinsamen Not, hinter der das Unbegreifliche Zeit hat, sich zu sammeln und anzuspannen.
Paul

Verfasst: 22. Jan 2007, 22:22
von stilz
Hallo Paul,

das ist aus dem "Malte", 64. Aufzeichnung...

Und ich möchte noch folgendes Zitat dazusetzen, das mich heute sehr berührt hat:

Ich sehe seit einer Weile ein, daß ich Menschen, die in der
Entwicklung ihres Wesens zart und suchend sind, streng davor warnen
muß, in den Aufzeichnungen Analogien für das zu finden, was sie
durchmachen; wer der Verlockung nachgibt und diesem Buch parallel geht,
muss notwendig abwärts kommen; erfreulich wird es wesentlich nur denen
werden, die es gewissermaßen gegen den Strom zu lesen unternehmen.

Diese Aufzeichnungen, indem sie ein Maß an sehr angewachsene Leiden
legen, deuten an, bis zu welcher Höhe die Seligkeit steigen könnte,
die mit der Fülle dieser selben Kräfte zu leisten wäre.


(Aus einem Brief, 24. Februar 1912)


Lieben Gruß!

Ingrid

Re: gott-los ?

Verfasst: 15. Mai 2013, 06:48
von lilaloufan
Kleine Korrektur – die zitierten Sätze entstammen verschiedenen Briefen; wahrscheinlich hast Du sie einer Zusammenstellung entnommen. Der erste Absatz ist einem Brief an Arthur Hospelt (11. Februar 1912) entnommen, der zweite einem Brief an dessen junge Freundin Ilse Sadée (wie wir dieser Tage hier im Forum gemeinsam herausgefunden haben) mit dem von Dir genannten Datum.

Grüßle, l.

Re: gott-los ?

Verfasst: 22. Jan 2014, 17:11
von stilz
Danke, lilaloufan, für diese Korrektur!
Und nun noch eine späte Ergänzung zu dem Zitat aus dem Brief an Arthur Hospelt vom 11. Februar 1912.
In der Rilke-Chronik finde ich es in dieser Gestalt:

»... erfreuend wird es wesentlich nur denen werden, die es gewissermaßen gegen den Strom zu lesen unternehmen. Strenggenommen aber würd ichs niemandem in die Hand legen, es sei einfach da, da es ja das gute Gewissen hat, sich nicht leichtsinnig gebildet zu haben. Zu lernen, im unmittelbaren Verstande dieses Worts, ist sicher nichts daran ...«

Es sei einfach da.
Ganz ohne „Auftrag“, ohne irgendeinen Anspruch, beispielsweise den, Zwerge zu strecken oder Bettler zu bereichern...
Das ist, glaube ich, ein wesentlicher Bestandteil des Rilke'schen Begriffs eines Kunst-Werkes.

stilz