Re: der Eindruck, der sich verwandeln wird ...
Verfasst: 18. Jul 2013, 10:53
Ich komme noch einmal auf das Patmos-Duino zurück, das Schreiben mit beiden Händen, das «Geschrieben Werden» mehr denn: Schreiben.
1915, 15½ Monate nach dem Ausbruch der Vielvölkerkrieg-Katastrophe, schreibt Rilke in München:
[Die sekundär angegebene Überschrift: „Die Worte des Herrn an Johannes auf Patmos“ finde ich nicht in meinem Rilke-Gedicht-Band.]
Kann man ‹interpretierend› erkennen: Von welcher Person der trinitarischen Gottheit, aus welcher Hierarchie der Himmel, aus dem Bereich welcher inspirierender Genien, erfolgte wohl das „Diktat“, von dem Rilke hinsichtlich seines Capri-Erlebnisses sprach? Das ist mir zwar eine echte, keine seminaristische Frage, aber mir ist klar, es wird keine Antwort geben können. Gleichwohl ist sie doch berechtigt, denn Rilke selbst unterschied zum Beispiel: „Gott der Liebe“ (womit der den All-Vater meinte) von: „Liebe-Mann“ (als den er Jesus von Nazareth als Träger des neutestamentarischen Messias bezeichnete).
Christoph
1915, 15½ Monate nach dem Ausbruch der Vielvölkerkrieg-Katastrophe, schreibt Rilke in München:
[Die sekundär angegebene Überschrift: „Die Worte des Herrn an Johannes auf Patmos“ finde ich nicht in meinem Rilke-Gedicht-Band.]
- ------------:
Siehe: (denn kein Baum soll dich zerstreuen)
reinen Raum auf diesem Eiland stehn.
Vögel? - - Sei gefasst auf Leuen,
welche durch die Lüfte gehn.
Bäume würden scheuen,
und ich will nicht, dass sie sehn.
- Aber du, du sieh, gewahre, sei
schauender, als je ein Mann gewesen.
Du sollst fassen, nehmen, lesen,
schlingen sollst du, die ich dir entzwei
breche, meines Himmels volle Frucht.
Dass ihr Saft dir in die Augen tropfe,
sollst du knieen mit erhobnem Kopfe:
dazu hab ich dich gesucht.
Und sollst schreiben, ohne hinzusehn;
denn auch dieses ist von Nöten: Schreibe!
leg die Rechte rechts und links auf den
Stein die Linke: dass ich beide treibe.
Und nun will ich ganz geschehn.
Jahrmillionen muss ich mich verhalten,
weil die Welten langsamer verleben,
muss den kalten
nach und nach von meinen Gluten geben,
statt in allen alle Glut zu sein.
Und so bin ich niemals im Geschaffnen:
wenn die Menschen eben mich vermuten,
so vergisst mich schon der Stein.
Einmal will ich mich vor dir entwaffnen.
Meine Mäntel, meine Reichsgewänder,
meine Rüstung alles, was mich schnürt:
abtun und dem hohen Doppel-Händer,
den der Engel für mich führt,
meiner Rechten Strom entziehn -. Doch jetzt
siehe die Bedeutung meiner Trachten.
Da Wir uns so große Kleider machten,
kommt das Unbekleidetsein zuletzt.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Kann man ‹interpretierend› erkennen: Von welcher Person der trinitarischen Gottheit, aus welcher Hierarchie der Himmel, aus dem Bereich welcher inspirierender Genien, erfolgte wohl das „Diktat“, von dem Rilke hinsichtlich seines Capri-Erlebnisses sprach? Das ist mir zwar eine echte, keine seminaristische Frage, aber mir ist klar, es wird keine Antwort geben können. Gleichwohl ist sie doch berechtigt, denn Rilke selbst unterschied zum Beispiel: „Gott der Liebe“ (womit der den All-Vater meinte) von: „Liebe-Mann“ (als den er Jesus von Nazareth als Träger des neutestamentarischen Messias bezeichnete).
Christoph