Am Abend des 29.Juli war's, einem Sonntag, so gegen 19.00, da gelangten wir nach Sierre, an den Umkehrpunkt unserer einwöchigen Fahrrad-Tour im Rhonetal. Es war ein sehr heißer Abend, es zog uns gleich aus dem Tal mit seiner städtischen Betriebsamkeit hinauf in die Weinberge - und so radelten wir schweißgebadet gen Muzot. Ich hatte Rilkes Wort an
Gerd Kluge im Ohr (naja, nicht wirklich im Ohr natürlich
), dem er die im Winter schlechten Wege in seine Abgeschiedenheit nicht zumuten wollte...
Nun, jetzt ist alles asphaltiert, aber es geht steil bergan, bis man zum Turm von Muzot gelangt (ich mußte mein Radl ein paarmal schieben
).
"Schloß" würde ich es nicht nennen, es ist ein sogenannter "Wohnturm" (ein solcher Turm war es auch, der dann zur Bergkirche in Raron umgebaut wurde, wie ich am Tag zuvor erfahren hatte).
Ja - genauso sah es aus. Und mehr konnten wir auch leider nicht zu Gesicht bekommen - der Turm ist heute in privatem Besitz (wenn auch im Moment unbewohnt) und nicht öffentlich zugänglich, wie wir am nächsten Morgen in Sierre erfuhren (und wie ja auch Mike schon berichtet hat).
Ganz in der Nähe, einige Meter höher, steht eine kleine Kapelle (auch sie fanden wir verschlossen, ebenfalls Privatbesitz, und sie scheint niemals geöffnet zu sein, meinte jedenfalls das junge Mädchen in der Touristeninformation), früher war sie wohl der Heiligen Agnes geweiht (Rue St Agnes heißt jedenfalls die Straße), heute nennt man sie "St. Anna". Auf einem Hinweisschild unterhalb des Turms ist zu erfahren, daß Rilke diese Kapelle teilweise restaurieren ließ, daß seine Mutter nach seinem Tod eine "Schwarze Madonna" stiftete, und daß das Franziskus-Gemälde, das heute in der Kapelle hängt, zu Rilkes Lebzeiten im "Schloß Muzot" hing.
Durch ein kleines Fensterchen in der Kapelle konnte ich an der linken Wand den Rand eines hohen Gemäldes erspähen - das könnte es wohl gewesen sein.
Ja - und am nächsten Tag war Montag, da sind alle Schweizer Museen geschlossen; da wir nicht noch einen ganzen Tag länger bleiben konnten, mußte ich mich damit begnügen, am Tag zuvor in Raron an Rilkes Grab gestanden zu sein und auch das kleine Burgmuseum besichtigt zu haben.
Dort sah ich Rilkes handschriftliches Testament vom 27.10.1925, und ich habe mir die Stelle, die sich auf die Gestaltung des Grabsteines bezieht, abgeschrieben (weil ich mich beim Grabmal gewundert hatte, und auch, weil ich mich erinnerte, daß hier im Forum einmal nach dem Wappen gefragt wurde):
Das Wappen (: in der von meinem Urgroßvater geführten älteren Form, die - das kürzlich aus Paris mitgebrachte silberne Petschaft wiederholt),
den Namen, und, in einigem Abstand, die Verszeilen:
- Rose, oh reiner Widerspruch, Lust,
niemandes Schlaf zu sein unter soviel
Lidern.
Gewundert hatte ich mich deshalb, weil wohl entweder der Grabstein zu schmal oder die Schrift zu ausladend geraten waren, jedenfalls sind die Zeilenumbrüche nicht so, wie sie hätten sein sollen:
Schade - so geht dieser ganz besondere Eindruck der abwechselnden Versfüße ein wenig verloren.
Wie dem auch sei - das Grabmal ist wunderschön (ebenso wie der Ausblick, den Rilke von dort hat
), und ich mochte auch das Museum.
Hier noch eine kleine Stelle aus einem Brief an Nanny Wunderly-Volkart, vom 14.10.1920 - wir waren eine ganze Woche im Valais, und ich kann sehr gut nachvollziehen, was Rilke meinte:
Liegts am Katholischsein: daß sich der Charme des 18. Jahrhunderts noch so vielfach in diesen Gegenden bewahrt hat?: in den Gärten fanden wir ihn, die Treppen waren noch wie bekränzt damit und wieviel Häuser, die sich noch nicht aufgegeben hatten!
(Ist es nicht herrlich, wie RMR seine Doppelpunkte setzt, ganz ohne sich darum zu kümmern, daß es schon ein Satzzeichen gibt )
Lieben Gruß!
stilz