An Detlev von Liliencron zum 3. Juni 1904
Geburtstags-Morgen, Detlev Liliencron!
In blanker Stille steht das Turmuhrschlagen
und ferne Lerchen. - Da beginnt es schon,
kaum will Dir Wulff und Abel etwas sagen,
so gehts: "eine Depesche, Herr Baron."
Hat denn Alt-Rahlstedt einen Güterwagen?
Denn diese ´erste Post´ ist furchtbar heute:
alles für Dich und nichts für andre Leute.
Und sieh: nun trag ich auch noch dazu bei
und mache nur noch platzender den Ranzen
indem ich schreibe: Sei gesegnet, sei
weit wie ein Wald, durch den die Lichter tanzen,
Du Volkslied zu der schallenden Schalmey!
So schreib ich Dir. - Gedenkst Du noch der Stanzen,
der Worte drin ein gleiches Segnen lag?
Ich schrieb sie, ein Beginnender, aus Prag.
Ein Stadtkind war ich damals, dem der Hang
sich abzusondern viele Tränen brachte,
ein Noch-nicht-Lebender und stubenkrank,
bis daß ich meine ersten Reisen machte: -
wohin? - In Deinen wehenden Gesang.
Der war für mich das Land, an das ich dachte;
wenn Stadt und Stube lieblos schien und leer,
dann war er Ebene und Wind vom Meer.
Und seither bin ich viel und weit gereist
und habe überall versucht zu lernen
was Leben will, was es uns werden heißt.
Aber die erste unter meinen Fernen
warst Du und warst gewaltig: denn Du weißt
von allen Stimmen und von allen Sternen.
Du, der die Heide kennt zu einer Zeit
da meilenweit kein Mensch ist, weit und breit.
Und wie ich Dich noch liebe, weites Land,
begriff ich wieder, da mich viele luden
jetzt laut zu sagen, wie ich Dich ´empfand´.
Sie haben alle: Professoren, Juden,
Dichter und Damen sich zu Dir bekannt:
so kann mans kaufen in den Zeitungsbuden.
Sie reden süß und wie die Seraphim, -
mir aber ist mein Wünschen zu intim.
Geburtstagsmorgen, Detlev Liliencron!
Da will ich Dir ein Guten-Morgen geben,
das niemand sieht. Die Andern wissen schon,
daß ich Dich ´schätze´. Aber deshalb eben
erlaube mir den leisen Flüsterton:
Gesegnet sei, Du liebes, weites Leben.
Das Licht, mit dem Du in die Menschen schienst,
kam wie die Sonne in den Gottesdienst.
Du bist die Glocke, die frohlockt und fleht
und heult und hämmert; aber im Verklingen
kannst Du vergehen, wie ein Duft zergeht.
Oft können zwanzig Männer Dich nicht schwingen,
oft kanns ein Kind. Auf Deinem Mantel steht:
"Ich bin ein Ding hoch über allen Dingen;
wer mich gemacht hat weiß ich nicht. Sein Namen
ist ohne Ende. Deshalb bin ich. Amen."
Rom, Frühling 1904
Übrigens war es D. v. Liliencrons 60. Geburtstag !
Liebe Grüße von Barbara