Hilfe gebraucht!! "Alles Erworbne bedroht die Maschine&

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

Moderatoren: Thilo, stilz

joker14

Hilfe gebraucht!! "Alles Erworbne bedroht die Maschine&

Beitrag von joker14 »

Hallo Leute,

brauche unbedingt Hilfe bei der Interpretation des Gedichts "Alles Erworbne bedroht die Maschine" von Rainer Maria Rilke!!
Überhaupt nicht verstehe ich den 12. Vers: "Worte gehen noch zart am Unsäglichen aus ..." was meint Rilke damit? Vielleicht die Poesie, die noch nicht von der Maschine eingeholt wurde??? vor allem was soll das "Unsägliche" sein?
Außerdem noch eine Frage zur Form. Warum benutzt Rilke die Form des Sonetts in dem Gedicht (oder wie es mir schient auch in vielen anderen?) War die Sonett-Form nicht die typische Form im 17./18. Jahrhundert, oder ist sie auch typisch für die Moderne?
Was ist der "unbrauchbare Raum" im letzten Vers?
Bekommt ihr einen Aufbau hin?

Hier nocheinmal das Gedicht, damit ihr euch besser rein denken könnt:

Alles Erworbne bedroht die Maschine

ALLES Erworbne bedroht die Maschine, solange
sie sich erdreistet, im Geist, statt im Gehorchen, zu sein.
Dass nicht der herrlichen Hand schöneres Zögern mehr prange,
zu dem entschlossenern Bau schneidet sie steifer den Stein.

Nirgends bleibt sie zurück, dass wir ihr ein Mal entrönnen
und sie in stiller Fabrik ölend sich selber gehört.
Sie ist das Leben, - sie meint es am besten zu können,
die mit dem gleichen Entschluss ordnet und schafft und zerstört.

Aber noch ist uns das Dasein verzaubert; an hundert
Stellen ist es noch Ursprung. Ein Spielen von reinen
Kräften, die keiner berührt, der nicht kniet und bewundert.

Worte gehen noch zart am Unsäglichen aus ...
Und die Musik, immer neu, aus den bebendsten Steinen,
baut im unbrauchbaren Raum ihr vergöttlichtes Haus.


Vielen vielen Dank schon jetzt für eure Hilfe!

Gruß
Marc
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Hallo Marc,
viele LyrikerInnen versuchen sich mal an der Sonettform, aber die meisten lassen es dann wieder. So exzessiv wie Rilke hat keinE ModerneR sie benutzt. Ich habe mal gelesen, die strenge Sonettform halte den auseinanderdriftenden oder sich auflösenden Inhalt zusammen. Der unbrauchbare Raum ist nicht zu etwas "Nützlichem", also zum Aufstellen von Maschinen z.B., zu gebrauchen. "Unsäglich" ist das, was nicht gesagt werden kann. Vielleicht meint er, dass die Worte der Dichtung sich an der Grenze zwischen Sagbarem und Unsagbarem vortasten. Der Aufbau? Die Quartette befassen sich mit der Maschine, die Terzette mit der Gegenwelt der Kunst.
Gruß
gliwi
stilz
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Beitrag von stilz »

Hallo,

ich würde es sogar noch wörtlicher verstehen: wenn etwas "unsäglich" ist, dann gehen einem die Worte aus... und das kann "zart" geschehen, wenn man das Schweigen zuläßt und daraus einen "verzauberten" Augenblick macht.

Besonders schön finde ich den Gedanken am Anfang des Gedichts, daß die Maschine dann bedrohlich ist, wenn sie "im Geist, statt im Gehorchen, zu sein" sich erdreistet... das heißt für mich: wir haben noch eine Chance, unser "verzaubertes Dasein" zu erhalten, wenn wir uns nicht von der Maschine beherrschen lassen, sondern uns ihrer bewußt bedienen...

Liebe Grüße

stilz
Tobias

Beitrag von Tobias »

Hallo Ingrid,

... dazu müssen wir aber auch wissen, wie wir sie bedienen können . Wir müßten die Gebrauchsanleitung kennen und verstehen . Wir sollten wissen, wozu die Maschine gut ist, was sie kann und was nicht ... Was meinst Du ?

Liebe Grüße, Tobias
gliwi
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Beitrag von gliwi »

...als hätte er schon geahnt, dass es mal einen Computer geben wird, den nur noch wenige wirklich durchschauen...
Gruß
gliwi
Paula
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so rum oder anders ?

Beitrag von Paula »

Hallo, Alle Metrik-Virtuosen :lol: ,

gerade fällt mir auf, dass man in zwei Richtungen lesen kann:

Alles Erworbene bedroht die Maschine...

oder

Alles Erworbene bedroht die Maschine...

Es könnte also genau so gut bedeuten: wenn wir vieles erwerben (oder alles von uns Erworbene (Kenntnisse, Fähigkeiten...) bedroht die Maschine (bzw ihre Undurchschaubarkeit) ?! Damir wird sie für uns durchschaubarer. Nicht sie beherrscht uns, wir beherrschen sie ! Umgekehrt: die Maschine bedroht alles bisher Erworbene, Bekannte... - solange sie für uns neu und unbekannt ist ...

Was meint Ihr ?

Paula :lol:
stilz
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Beitrag von stilz »

Hallo,

ja, das ist genau, was ich meine, mit "sich der Maschine bewußt bedienen" - dazu müssen wir wissen, was sie kann, wofür sie sich eignet (wie mit jedem Werkzeug, mit einem Hammer kann ich Nägel zwar einschlagen, aber schwer wieder herausziehen, das geht mit einer Zange besser) und ob wir das wirklich im Moment brauchen und wollen, was sie kann... und natürlich müssen wir die Gebrauchsanleitung kennen...

Aber wie oft passiert es, daß wir uns doch "beherrschen lassen" von der Maschine, zunächst aus lauter Begeisterung für sie, und wenn wir nicht aufpassen, später dann auch einfach aus Gewohnheit (ich hab zB einen Nachbarn, der hat einen neuen Rasenmäher-Roboter... oh, und wie oft hat er heuer schon seinen Rasen gemäht, weil's so nett ist, da zuzuschauen...) :wink:

Liebe Grüße!

Ingrid
Cortés
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Re: Hilfe gebraucht!! "Alles Erworbne bedroht die Maschine&

Beitrag von Cortés »

Hallo,

ich soll das hier diskutierte Gedicht interpretieren und dann vorstellen, habe jedoch noch ein paar Fragen.
Wer war WERA OUCKAMA KNOOP, der Rilke die 54 Sonette widmete? In einem anderen thread ist die Frage bereits aufgetaucht, jedoch funktioniert der Link in der Antwort nicht mehr.

Kann man die 54 Sonette allgemein interpretieren? Ich meine ob sie sich alle in etwa mit der selben Thematik befassen?


So wie ich das auffasse, sind die ersten zwei Strophen eine "Prophezeiung" da es in der dritten dann heißt " Aber noch ist uns das Dasein verzaubert.... "
Spricht Rilke von der Aufklärung oder einer anderen Massenbewegung wenn er schreibt

"ALLES Erworbne bedroht die Maschine, solange
sie sich erdreistet, im Geist, statt im Gehorchen, zu sein."
" Nirgends bleibt sie zurück, dass wir ihr ein Mal entrönnen
und sie in stiller Fabrik ölend sich selber gehört. "
? Inwiefern kann man diesen Vers auf Rilkes Zeit/die heutige Zeit interpretieren?

danke schon mal ;)
stilz
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Registriert: 26. Okt 2004, 10:25
Wohnort: Klosterneuburg

Re: Hilfe gebraucht!! "Alles Erworbne bedroht die Maschine&

Beitrag von stilz »

Hallo Cortés,

zu Wera Ouckama Knoop gibt es hier ausführliche Antwort:
http://www.rilke.de/phpBB3/viewtopic.php?p=1821#p1821

(Unser Forum wurde vor kurzem auf ein neues Format umgestellt - wie man die alten, nicht mehr funktionierenden hyperlinks dennoch verwenden kann, beschreibe ich hier)

Und noch zu:
Cortés hat geschrieben: So wie ich das auffasse, sind die ersten zwei Strophen eine "Prophezeiung" da es in der dritten dann heißt " Aber noch ist uns das Dasein verzaubert.... "
Spricht Rilke von der Aufklärung oder einer anderen Massenbewegung [...]?
Inwiefern kann man diesen Vers auf Rilkes Zeit/die heutige Zeit interpretieren?
Ich glaube nicht, daß es um eine "Massenbewegung" geht. Und ich würde auch nicht sagen, daß es eine "Prophezeiung" ist. Rilke spricht von einer Bedrohung. Die liegt ganz klar in der (seiner ebenso wie unserer) Gegenwart.
Die Maschine erfüllt ihre Aufgabe mit gleicher Präzision, gleichgültig, ob sie nun "ordnet, schafft oder zerstört" und ist damit in gewisser Weise der "herrlichen Hand" überlegen: bei einer Maschine gibt es kein "schöneres Zögern", sie arbeitet schnell und fehlerlos...
Die Bedrohung besteht, solange die Maschine (welche auch immer) "sich erdreistet, im Geist, statt im Gehorchen zu sein."
Das ist anthropomorphisierend ( :lol: @helle) ausgedrückt. Denn natürlich kann die Maschine selber sich gar nicht "erdreisten".
Wir sind es, die es zu verantworten haben, wenn die Maschine uns beherrscht, statt uns zu gehorchen...

Ich habe mich noch nicht ausführlich mit den Sonetten an Orpheus beschäftigt; meinem bisherigen Eindruck nach haben sie die Kunst zum Thema.

In diesem Gedicht also: was wird aus der Kunst, wenn wir sie von der Maschine beherrschen lassen?

Es wäre vielleicht spannend, zu vergleichen: Rilke spricht vom "entschlossenen Bau", zu dem die Maschine "steifer den Stein" schneidet. Unter den "hundert Stellen", die noch "verzaubert" sind, auf die die Maschine noch keinen Einfluß hat, sind für ihn einerseits das Wort, andererseits die Musik.
Wie ist das heutzutage? Was hat sich verändert? Wer ist zum Beispiel der "Herrscher", wer der "Gehorchende" bei der Komposition von elektronischer Musik?

Lieben Gruß

stilz

P.S.: Grad heut hab ich übrigens mit meinem Mann über das Verschwinden des Uhrmacherhandwerks gesprochen... das ist zwar nicht Kunst, sondern Handwerk; aber eindeutig von der "Maschine" mehr als nur bedroht, oder?
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
Cortés
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Re: Hilfe gebraucht!! "Alles Erworbne bedroht die Maschine&

Beitrag von Cortés »

wow thx :)

noch eine frage die eig. nicht zum thema passt, aber ich will deswegen keinen extrigen thread eröffnen.

Wie viele Gedichte/Essays/Erzählungen etc. verfasste Rilke insgesamt?
Bei den Gedichten die hier aufgelistet sind komme ich auf über 1000!

edit: und noch was^^
wie gesagt ich mache das "gezwungenermaßen" zum ersten malund leider gehört auch eine sprachlich stilistische analyse zu einer Gedichtinterpretation. :?
Kreuzreime usw. sind schon klar und auch dass es ein typisch " italienisches" Sonett ist mit These in den Quartetten und einer Antithese in den Terzetten.
Es hapert jedoch an den Stilmitteln und deren Interpretation/Wirkung und Jambus/Trochäus oder was auch immer hier verwendet wird^^


ALLES Erworbne bedroht die Maschine, solange
sie sich erdreistet, im Geist, statt im Gehorchen, zu sein.
Dass nicht der herrlichen Hand schöneres Zögern mehr prange,
zu dem entschlossenern Bau schneidet sie steifer den Stein. Alliteration?

Nirgends bleibt sie zurück, dass wir ihr ein Mal entrönnen
und sie in stiller Fabrik ölend sich selber gehört.
Sie ist das Leben, - sie meint es am besten zu können,
die mit dem gleichen Entschluss ordnet und schafft und zerstört. Oxymoron?

Aber noch ist uns das Dasein verzaubert; an hundert
Stellen ist es noch Ursprung. Ein Spielen von reinen
Kräften, die keiner berührt, der nicht kniet und bewundert.

Worte gehen noch zart am Unsäglichen aus ...
Und die Musik, immer neu, aus den bebendsten Steinen,
baut im unbrauchbaren Raum ihr vergöttlichtes Haus.



sry für die vielen fragen^^
gliwi
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Re: Hilfe gebraucht!! "Alles Erworbne bedroht die Maschine&

Beitrag von gliwi »

Hallo Cortez,
es sind natürlich noch viel mehr Alliterationen, als du hier aufzählst, aber "sie" alliteriert nicht mit "schneidet/steifer/Stein." Bei der Alliteration geht es nicht um Buchstaben, sondern um LAUTE! Also: Geist/Gehorchen, herrliche/Hand, Stellen/Spielen, keiner/kniet, bebendst/baut/unbrauchbar. Dann auffällige Vokalhäufungen: 3: ö -ö, 4: ei-ei-ei 5/6/7/8: ö-ö-ö-ö-ö 9/10/11: ei-ei-ei 14: au-au-au-au. 8 ein Oxymoron? Ja, nach der Definition meines Rhetorik-Buchs eventuell ("Zusammenstellung zweier sich widersprechender Begriffe, die in pointierender Absicht eng miteinander verbunden werden"). Das Hauptmetrum ist der Daktylus. Ich weiß nicht, ob nicht das Ganze ein antikes Versmaß hat, es hört sich so an, aber damit kenne ich mich nicht aus. Auffällig ist: 6 Hebungen wie der Alexandriner, der zuletzt im Barock verwendet wurde. Dabei noch mal extra auffällig: Die meisten Verse bestehen aus zwei Halbversen wie der klassische Alexandriner, aber sie stoßen mit zwei Hebungen zusammen - das ist unüblich. (Sind das Hexameter, weiß das jemand?) Zum Metrum Beispiel Vers 2:
-vv-vv- -vv-vv- (- betont, v unbetont). Aber einige Verse weichen von diesem Schema ab.
Soviel mal zur Klanggestalt. Bei der Interpretation müsste dann jeweils ein Zusammenhang zwischen Inhalt und Klanggestalt gesucht werden. Dass er für diesen Inhalt eine barockisierende Form wählt, kann als bewusster Aufbau einer Gegenposition gesehen werden. (Sollte sie gar antik sein, dann um so mehr.)
Gruß
gliwi
A propos Stilfiguren,stilz: Zu deiner Frage wegen "kein..." habe ich tatsächlich nichts in besagtem Buch (Hellmut Geißner: Rhetorik) gefunden.
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. KANT
helle
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Re: Hilfe gebraucht!! "Alles Erworbne bedroht die Maschine&

Beitrag von helle »

Zu den Stilmitteln: vom Oxymoron würde ich dann nicht reden, wenn ich ein sprachliches »Bild« meine. »Schwarze Milch der Frühe« wäre so etwas; in Rilkes Sonett scheint mir weniger eine rhetorische Figur vorzuliegen als das In-eins-Sehen gegensätzlicher Momente, die aber zusammengehören (»mit dem gleichen Entschluss«). Das In-Eins von Schaffen und Zerstören ist ein oft thematisiertes und tradiertes Motiv, von dem z.B. Nietzsche häufig spricht.

Zu den hier gebrauchten Stilmitteln zählen Antithesen, Parallelismen und Wiederholungen, also die gleichartige oder gegensätzliche Beziehung einzelner Wörter und Satzteile – z.B. »Bau« (V.4) und »baut« (V.12), »Stein« (V.4) und »Steinen« (V.11), »Gehorchen« und »gehört« (V.6), das dreimalige »noch« (V.9, 10, 12); antithetische Fügungen sind »steifer den Stein« und »bebendsten Steinen«, womöglich auch »sich erdreisten« und »bewundern« oder »entschlossenern Bau« und »unbrauchbaren Raum«, und vermutlich andere mehr. Das ganze ist ein Beziehungsgeflecht innerhalb des Gedichts, das vielleicht nicht immer eindeutig aufzulösen ist, aber in jedem Fall für Kohärenz in der Bauform sorgt.

Soweit meine unmaßgeblichen Mittagsgedanken.
Cortés
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Registriert: 23. Feb 2008, 16:16

Re: Hilfe gebraucht!! "Alles Erworbne bedroht die Maschine&

Beitrag von Cortés »

vielen dank *g*
jetzt fehlt mir nur noch die Bedeutung von
Daß nicht der herrlichen Hand schöneres Zögern mehr prange,
zu dem entschlossenern Bau schneidet sie steifer den Stein.


und eine ungefähre Zahl seiner gesamten Gedichte/Erzählungen etc. und dann lass ich euch in ruhe :wink:
stilz
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Re: Hilfe gebraucht!! "Alles Erworbne bedroht die Maschine&

Beitrag von stilz »

Die Gedichte und Erzählungen Rilkes zu zählen ist mir bisher noch nicht in den Sinn gekommen... also, mit einer solchen Anzahl kann ich nicht dienen!

Zu Deiner ersten Frage: was ist denn daran unklar?
Rilke hat geschrieben:Daß nicht der herrlichen Hand schöneres Zögern mehr prange,
zu dem entschlossenern Bau schneidet sie steifer den Stein.

Die beiden Zeilen gehören zusammen, das "daß" verstehe ich final, also auf einen Zweck gerichtet.
Oder hab ich mich unverständlich ausgedrückt?
stilz hat geschrieben:Die Maschine erfüllt ihre Aufgabe mit gleicher Präzision, gleichgültig, ob sie nun "ordnet, schafft oder zerstört" und ist damit in gewisser Weise der "herrlichen Hand" überlegen: bei einer Maschine gibt es kein "schöneres Zögern", sie arbeitet schnell und fehlerlos...
Noch zum Versmaß:
Es handelt sich hauptsächlich um Daktylen. Das scheint mir gut zum rhythmischen Hämmern einer Maschine zu passen. Trochäen oder Jamben hingegen ließen mich eher an menschliches Schreiten denken...

Vielleicht ist es ein bisserl weit hergeholt... aber für mich "versuchen" die beiden Quartette, in elegischen Distichen zu reden. Und dieser "Versuch" gelingt nur sehr unvollkommen.

(Der Merkspruch für's zweizeilige "elegische Distichon", das aus einem Hexameter und einem Pentameter besteht, ist, wenn ich mich aus meiner Schulzeit recht erinnere, von Schiller:
"Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule.
Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab.")

Die allererste Zeile ist zum Beispiel für einen Hexameter zu kurz, da fehlt noch ein Trochäus.
Die zweite Zeile: Pentameter, "gelungen"!
Dritte Zeile: lang genug für Hexameter, aber dafür stoßen im Inneren zwei Hebungen aneinander... "verfehlt".
Vierte Zeile: Pentameter, "gelungen"!

Die ersten beiden Zeilen des zweiten Quartetts: Hexameter und Pentameter, somit elegisches Distichon, "gelungen"!
Dann aber wieder wie zu Beginn: der "versuchte" Hexameter zu kurz, nur der Pentameter "gelingt".

In den Terzetten schaut die Sache für mich anders aus.
Es gibt viel weniger daktylisches Hämmern, die erste Zeile beginnt im "alternierenden" Schreiten, dennoch könnte sie wohl als Hexameter gelten (ursprünglich, im Lateinischen und Griechischen, wiegt eine lange Senkung gerade soviel wie zwei kurze, und es dürfen im Hexameter - ausgenommen den fünften Versfuß - statt der Daktylen Spondeen stehen; seit Klopstock läßt man im deutschen Hexameter anstelle des Spondeus auch den Trochäus gelten).

Nachdem so "bewiesen" wurde, daß, auch wenn der menschliche Künstler sich nicht sklavisch an Regeln hält, dabei dennoch am Ende ein gelungenes Werk herauskommen kann, wird der "Distichon-Versuch" gänzlich aufgegeben. Die folgenden Zeilen sind meist fünfhebig, in Daktylen zwar, aber für mein Gefühl "hämmern" diese Daktylen viel weniger als die der Quartette.
Ich bin nicht sicher: ob man diese Zeilen als "Blankverse" bezeichnen könnte?
Die allerletzte Zeile hätte dann wieder Ähnlichkeit mit einem Pentameter. Allerdings mit der Besonderheit, daß nach der Zäsur ein Trochäus statt eines Daktylus' steht. Und natürlich mit diesem herrlichen "unbrauchbaren", ein Wort, das ich als drei aufeinanderfolgende Hebungen und eine Senkung lese, also wirklich ganz unbrauchbar für jedes regel-rechte Versmaß :lol:

Allerdings, lieber Cortés, wäre ich sehr vorsichtig damit, diese Ausführungen in einem Schulaufsatz zu verwenden, es sei denn, ich hätte Dich damit soweit überzeugt, daß Du selber weitere Argumente zur Begründung meiner/in diesem Fall auch Deiner Auffassung anführen könntest.
Jedenfalls spricht daraus meine Neigung, die Form eines Gedichtes nicht losgelöst vom Inhalt zu betrachten, sondern zu versuchen, mögliche Zusammenhänge zwischen ihnen zu finden... wie ja auch gliwi schon vorgeschlagen hat.

Lieben Gruß, und viel Erfolg!

stilz
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
gliwi
Beiträge: 941
Registriert: 11. Nov 2002, 23:33
Wohnort: Ba-Wü

Re: Hilfe gebraucht!! "Alles Erworbne bedroht die Maschine&

Beitrag von gliwi »

stilz hat geschrieben: Ich bin nicht sicher: ob man diese Zeilen als "Blankverse" bezeichnen könnte?
stilz
Blankverse sind reimlos!
Schön, dass du dich mit Distichen usw. auskennst! Den Schillermerkvers kenne ich, aber ich habe einfach keine Erfahrung mit der antiken Dichtung, d.h., bewege mich da auf unsicherem Terrain - leider!
Gruß
gliwi
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