Fear of the Inexplicable

Hier könnt Ihr nach Übersetzungen spezieller Rilke-Texte in fremde Sprachen fragen

Moderatoren: Thilo, stilz

Antworten
Rilke Fan
Beiträge: 187
Registriert: 8. Apr 2003, 18:56
Wohnort: Texas, USA

Fear of the Inexplicable

Beitrag von Rilke Fan »

Hallo,

Weiss jemand aus welchem Buch das folgende Gedicht von Rilke stammt? Ich hätte es gerne in Deutsch.

Fear of the Inexplicable

But fear of the inexplicable has not alone impoverished
the existence of the individual; the relationship between
one human being and another has also been cramped by it,
as though it had been lifted out of the riverbed of
endless possibilities and set down in a fallow spot on the
bank, to which nothing happens. For it is not inertia alone
that is responsible for human relationships repeating
themselves from case to case, indescribably monotonous and
unrenewed: it is shyness before any sort of new, unforeseeable
experience with which one does not think oneself able to cope.
But only someone who is ready for everything, who excludes
nothing, not even the most enigmatical, will live the relation
to another as something alive and will himself draw exhaustively
from his own existence. For if we think of this existence of
the individual as a larger or smaller room, it appears evident
that most people learn to know only a corner of their room, a
place by the window, a strip of floor on which they walk up and
down. Thus they have a certain security. And yet that dangerous
insecurity is so much more human which drives the prisoners in
Poe's stories to feel out the shapes of their horrible dungeons
and not be strangers to the unspeakable terror of their abode.
We, however, are not prisoners. No traps or snares are set about
us, and there is nothing which should intimidate or worry us.
We are set down in life as in the element to which we best
correspond, and over and above this we have through thousands of
years of accommodation become so like this life, that when we
hold still we are, through a happy mimicry, scarcely to be
distinguished from all that surrounds us. We have no reason to
mistrust our world, for it is not against us. Has it terrors,
they are our terrors; has it abysses, those abysses belong to us;
are dangers at hand, we must try to love them. And if only we
arrange our life according to that principle which counsels us
that we must always hold to the difficult, then that which now
still seems to us the most alien will become what we most trust
and find most faithful. How should we be able to forget those
ancient myths about dragons that at the last moment turn into
princesses; perhaps all the dragons of our lives are princesses
who are only waiting to see us once beautiful and brave. Perhaps
everything terrible is in its deepest being something helpless
that wants help from us.

Vielen Dank,

Linda
Gast

Beitrag von Gast »

Hallo Linda,
es hätte mich schon sehr gewundert, wenn das ein Rilke-Gedicht wäre, denn die (wenigen) Prosa-Gedichte, die Rilke verfasst hat, lassen sich an einer Hand abzählen und sind ziemlich bekannt.
Hier handelt es sich um einen Abschnitt (Borgeby gaard, Flädie, Schweden, am 12.August 1904) aus den Briefen an Kappus, die später unter dem Titel 'Briefe an einen jungen Dichter' veröffentlicht worden sind.
Soweit ich sehe ist das der einzige Text, in dem Rilke auf E.A.Poe eingeht, vermutlich auf 'The Pit and the Pendulum'. Doch erstaunlich, was man damals als Dichter in Old Europe gelesen hatte...
Ich vermute, an den deutschen Text ist nicht schwer heranzukommen.

Aber da hätte ich noch eine ganz andere Sache: In L.A. soll es in letzter Zeit (?) eine ganze Reihe von Rilke-Recitals mit prominenter Besetzung gegeben haben (Details müsste ich noch nachsehen). Gibt es davon ausführlichere Berichte oder gar Mitschnitte? Das würde mich interessieren. Aber freilich - die USA sind ein großes Land ...
Viele Grüße
e.u.
Gast

Beitrag von Gast »

Hallo Linda,
es hätte mich schon sehr gewundert, wenn das ein Rilke-Gedicht wäre, denn die (wenigen) Prosa-Gedichte, die Rilke verfasst hat, lassen sich an einer Hand abzählen und sind ziemlich bekannt.
Hier handelt es sich um einen Abschnitt (Borgeby gaard, Flädie, Schweden, am 12.August 1904) aus den Briefen an Kappus, die später unter dem Titel 'Briefe an einen jungen Dichter' veröffentlicht worden sind.
Soweit ich sehe ist das der einzige Text, in dem Rilke auf E.A.Poe eingeht, vermutlich auf 'The Pit and the Pendulum'. Doch erstaunlich, was man damals als Dichter in Old Europe gelesen hatte...
Ich vermute, an den deutschen Text ist nicht schwer heranzukommen.

Aber da hätte ich noch eine ganz andere Sache: In L.A. soll es in letzter Zeit (?) eine ganze Reihe von Rilke-Recitals mit prominenter Besetzung gegeben haben (Details müsste ich noch nachsehen). Gibt es davon ausführlichere Berichte oder gar Mitschnitte? Das würde mich interessieren. Aber freilich - die USA sind ein großes Land ...
Viele Grüße
e.u.
Rilke Fan
Beiträge: 187
Registriert: 8. Apr 2003, 18:56
Wohnort: Texas, USA

Beitrag von Rilke Fan »

Hallo e.u.,
Danke sehr für die Information über diesen Brief. Ich wußte nicht mehr wo ich ihn her hatte - nur das es ein Stück von Rilke war. Wahrscheinlich habe ich ihn im Internet gefunden, und leider war das Deutsch nicht dabei. Ich habe das Buch “Briefe an einen jungen Dichter,” aber leider nur in Englisch. Vielleicht finde ich das Deutsche text irgendwo auf dem Internet.

Ich war auch erstaunt, dass Rilke den Name E. A. Poe erwäht hat. Natürlich hat man damals nicht so viel Auswahl gehabt wie wir heute haben. Manchmal denke ich das es auch besser so war. Heute gibt es so viel, dass man kaum weiss wo anzufangen

Leider weiss ich überhaupt nichts von einem Rilke-Recital in L. A.. Leider wohne ich ganz an der Ostküste, und L.A. ist an der Westküste, also sehr, sehr weit weg (es dauert 5 Tage wenn man mit Auto dorthin fährt!) Aber trotzdem wüßte ich gern mehr Details davon. So was wäre ganz toll, und ich würde mich dafür sehr interssieren. Leider ist es so in den USA, das man in den Nachrichten kaum was hört von anderen Staaten, wenn es kein grosses Geschichte ist! Es ist sehr schade, das Rilke immer noch nicht sehr bekannt ist in den Staaten. Ich glaube das wird sich mit der Seit ändern, aber wahrscheinlich dauert es noch ein bißchen.

Vielen Dank und viele Grüße, Linda
Zuletzt geändert von Rilke Fan am 11. Jun 2003, 04:09, insgesamt 2-mal geändert.
Rilke Fan
Beiträge: 187
Registriert: 8. Apr 2003, 18:56
Wohnort: Texas, USA

Beitrag von Rilke Fan »

Hallo e.u.,

Ganz herzlichen Dank noch einmal. :lol: Ich habe es bei http://www.litlinks.it/r/rilke.htm (unter Briefen) gefunden.


Angst vor dem Unaufklärbaren

Aber die Angst vor dem Unaufklärbaren hat nicht allein das Dasein des einzelnen ärmer gemacht, auch die Beziehungen von Mensch zu Mensch sind durch sie beschränkt, gleichsam aus dem Flußbett unendlicher Möglichkeiten herausgehoben worden auf eine brache Uferstelle, der nichts geschieht. Denn es ist nicht die Trägheit allein, welche macht, daß die menschlichen Verhältnisse sich so unsäglich eintönig und unerneut von Fall zu Fall wiederholen, es ist die Scheu vor irgendeinem neuen, nicht absehbaren Erlebnis, dem man sich nicht gewachsen glaubt.

Aber nur wer auf alles gefaßt ist, wer nichts, auch das Rätselhafteste nicht, ausschließt, wird die Beziehung zu einem andren als etwas Lebendiges leben und wird selbst sein eigenes Dasein ausschöpfen. Denn wie wir dieses Dasein des einzelnen als einen größeren oder kleineren Raum denken, so zeigt sich, daß die meisten nur eine Ecke ihres Raumes kennen lernen, einen Fensterplatz, einen Streifen, auf dem sie auf und nieder gehen. So haben sie eine gewisse Sicherheit. Und doch ist jene gefahrvolle Unsicherheit so viel menschlicher, welche die Gefangenen in den Geschichten Poes drängt, die Formen ihrer fürchterlichen Kerker abzutasten und den unsäglichen Schrecken ihres Aufenthaltes nicht fremd zu sein. Wir aber sind nicht Gefangene. Nicht Fallen und Schlingen sind um uns aufgestellt, und es gibt nichts, was uns ängstigen oder quälen sollte. Wir sind ins Leben gesetzt, als in das Element, dem wir am meisten entsprechen, und wir sind überdies durch jahrtausendelange Anpassung diesem Leben so ähnlich geworden, daß wir, wenn wir stille halten, durch ein glückliches Mimikry von allem, was uns umgibt, kaum zu unterscheiden sind. Wir haben keinen Grund, gegen unsere Welt Mißtrauen zu haben, denn sie ist nicht gegen uns. Hat sie Schrecken, so sind es unsere Schrecken, hat sie Abgründe, so gehören diese Abgründe uns, sind Gefahren da, so müssen wir versuchen, sie zu lieben.

Und wenn wir nur unser Leben nach jenem Grundsatz einrichten, der uns rät, daß wir uns immer an das Schwere halten müssen, so wird das, welches uns jetzt noch als das Fremdeste erscheint, unser Vertrautestes und Treuestes werden. Wie sollten wir jener alten Mythen vergessen können, die am Anfange aller Völker stehen, der Mythen von den Drachen, die sich im äußersten Augenblick in Prinzessinnen verwandeln; vielleicht sind alle Drachen unseres Lebens Prinzessinnen, die nur darauf warten, uns einmal schön und mutig zu sehen. Vielleicht ist alles Schreckliche im tiefsten Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will.

Viele Grüße, Linda
Marie
Beiträge: 308
Registriert: 9. Mär 2003, 21:27
Wohnort: rhld.-pfalz

Beitrag von Marie »

Hi Linda,

there is such a deep truth in this text. Especially the last paragraph with its mythological reference should be a great comfort to anybody who gets overwhelmed by anxciety. I fear, Rilke himself wasn't able to release all those mighty dragons he had been fighting against for so long during his lifetime. To me this shows his very special kind of religiousness which he probably didn't recognize: he sacrificed his own release by writing (instead of getting a treatment) and by doing this he became a wonderful help for others surching for answers in his poems, letters and prose throughout the decades after he died. It's a little bit like the mythological Prometheus, isn't it: the one who brings the light to others has to bear the utmost darkness!
(That's already a piece out of "Rilke and death", I guess)

Libe Grüße :roll:
ulrich
Beiträge: 21
Registriert: 8. Jun 2003, 17:49
Wohnort: London,UK
Kontaktdaten:

Beitrag von ulrich »

' Und ihr warfet ihn noch, Wahnsinnige, bis in die Sterne (...)
Was ist er nicht einfach ein Toter. Er waere es gerne.
Und vielleicht waere ihm nichts geschehn. '

Rilke, Klage um Antinous
' The immense hazard and the immense blindness of the world are
only an illusion to him who believes. '
--Pierre Teilhard de Chardin
Antworten