Analyse+Interpretation " Vor dem Sommerregen"

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Ariane

Analyse+Interpretation " Vor dem Sommerregen"

Beitrag von Ariane »

Ich arbeite im Moment an der Analyse und der Interpretation von "Vor dem Sommerregen". Die Interpretation verläuft sehr schleppend;in die Thematik kann man so ziemlich alles "reinlesen", solange es man gut begründet. Vielleicht kann mir jemand einen Tip geben. Hat es mit den Ausführungen über den Tod zu tun-so wie in vielen seiner neuen Gedichte-?Ist es die Auseinandersetzung mit dem Wandel vom Kind zum Erwachsenen? Oder der Angst vor dem Verlust der Sicht für die kleinen Dinge?
Wäre froh, wenn mir jemand helfen könnte. :wink:
Grüße
Ariane
Gast

Beitrag von Gast »

Vielleicht hat sich das Thema längst erledigt, deshalb nur ein paar abgerissene Bemerkungen zu dem Rilke-Sonett. Es ist wohl in Zusammenhang mit einem Besuch von Schloss, Park und Bildergalerie von Chantilly am 31.Mai 1906 entstanden.
Es stellt am Anfang die überraschende Veränderung des Orts dar. Der Park hat seine Lebendigkeit verloren, wurde still und auch dem Besucher im Gebäude, der nur bis zu den Fenstern kommt bewußt. Der Zeilensprung in das 2.Quartett (hübscher Einfall) hat den Klageton des Vogels (der den Regen herbeiruft, alter Aberglaube und Zauber), der in den Innenraum (also räumliche Antithese) eindringt. Der Vogel wird im Gebüsch als abgeschotteter eher düstere Gelehrtenstube verstanden (der Kirchenvater, Literat, Polemiker und Bibelübersetzer Hieronymus, wir kennen ihn von Dürers Kupferstich wohl am besten in seinem 'Gehäuse'). In der Dürre der Zeit wartet ein Einsamer beharrlich auf das Eintreten der Veränderung, er will sie herbeizaubern, ein Vorgang, der mit einem weiteren Zeilensprung in das steigernde 1.Terzett schon die Gewissheit suggerieren will.
Hier wechselt das unpersönliche "man" in ein "wir". Will man das biographisch sehen, könnte man daran erinnern, dass Rilke diesen Ausflug mit der schwedischen Schrifstellerin Ellen Key und dem norwegischen Maler Johan Bojer unternommen hat. "Wir" wäre dann wohl keine Zweisamkeit. Vielleicht ist es ja auch anders, das die Gespräche, die man führte, sich ganz von der schönen, gemalten Umgebung entfernt haben (Rilke hat ja auch im 1.Quartett wie hier den bekannten Trick von der Umkehrung von Bewegung und Ruhepunkt in der Wahrnehmung verwendet - wir bei den Stäben des Panthers). D.h. die Bilder werden funktionslos, analog dazu verbleichen in der abschließenden Strophe die Tapeten. Aber die sind ja in Chantilly nicht vorhanden. In dem Gedicht wird die Situation im Bildersaal zum Auslöser der ERinnerung an eine viel ältere, aber analog gesehene Situation in der Kindheit (möglicherweise im sehr großbürgerlichen, aber schon verblichenen Palais des Prager Großvaters von Rilke). Es ist eine Angstsituation vor einem unmittelbar bevorstehenden Ereignis, das sich ankündigt, das aber in seiner Art nicht einzuschätzen ist. Als Kind fürchtet man sich davor. Als Erwachsener wohl nicht mehr (vor dem Regenschauer). Denkbar ist ja, dass hier die Situation eines Künstlers oder Dichters präsentiert wird, der eine Veränderung der Situtation sich ankündigen spürt, eine Zwischensituation, die Stille und Anspannung verrät, die die alltägliche (oder auch ganz schöne) Situation in den Zweifel zieht, Erwartungen auslöst, die dann mit dem Sommerregen (könnte durchaus ein Rilke oft überwältigende Kreativitätsphase nach langer 'Dürre' und 'Krise') eintreffen werden.
Übrigens hat Rilke den Besuch und diese Wettersituation auch ganz anschaulich in seinem Brief an seine Frau vom 1.Juni 1906 dargestellt.
Gast

Beitrag von Gast »

Vielleicht hat sich das Thema längst erledigt, deshalb nur ein paar abgerissene Bemerkungen zu dem Rilke-Sonett. Es ist wohl in Zusammenhang mit einem Besuch von Schloss, Park und Bildergalerie von Chantilly am 31.Mai 1906 entstanden.
Es stellt am Anfang die überraschende Veränderung des Orts dar. Der Park hat seine Lebendigkeit verloren, wurde still und auch dem Besucher im Gebäude, der nur bis zu den Fenstern kommt bewußt. Der Zeilensprung in das 2.Quartett (hübscher Einfall) hat den Klageton des Vogels (der den Regen herbeiruft, alter Aberglaube und Zauber), der in den Innenraum (also räumliche Antithese) eindringt. Der Vogel wird im Gebüsch als abgeschotteter eher düstere Gelehrtenstube verstanden (der Kirchenvater, Literat, Polemiker und Bibelübersetzer Hieronymus, wir kennen ihn von Dürers Kupferstich wohl am besten in seinem 'Gehäuse'). In der Dürre der Zeit wartet ein Einsamer beharrlich auf das Eintreten der Veränderung, er will sie herbeizaubern, ein Vorgang, der mit einem weiteren Zeilensprung in das steigernde 1.Terzett schon die Gewissheit suggerieren will.
Hier wechselt das unpersönliche "man" in ein "wir". Will man das biographisch sehen, könnte man daran erinnern, dass Rilke diesen Ausflug mit der schwedischen Schrifstellerin Ellen Key und dem norwegischen Maler Johan Bojer unternommen hat. "Wir" wäre dann wohl keine Zweisamkeit. Vielleicht ist es ja auch anders, das die Gespräche, die man führte, sich ganz von der schönen, gemalten Umgebung entfernt haben (Rilke hat ja auch im 1.Quartett wie hier den bekannten Trick von der Umkehrung von Bewegung und Ruhepunkt in der Wahrnehmung verwendet - wir bei den Stäben des Panthers). D.h. die Bilder werden funktionslos, analog dazu verbleichen in der abschließenden Strophe die Tapeten. Aber die sind ja in Chantilly nicht vorhanden. In dem Gedicht wird die Situation im Bildersaal zum Auslöser der ERinnerung an eine viel ältere, aber analog gesehene Situation in der Kindheit (möglicherweise im sehr großbürgerlichen, aber schon verblichenen Palais des Prager Großvaters von Rilke). Es ist eine Angstsituation vor einem unmittelbar bevorstehenden Ereignis, das sich ankündigt, das aber in seiner Art nicht einzuschätzen ist. Als Kind fürchtet man sich davor. Als Erwachsener wohl nicht mehr (vor dem Regenschauer). Denkbar ist ja, dass hier die Situation eines Künstlers oder Dichters präsentiert wird, der eine Veränderung der Situtation sich ankündigen spürt, eine Zwischensituation, die Stille und Anspannung verrät, die die alltägliche (oder auch ganz schöne) Situation in den Zweifel zieht, Erwartungen auslöst, die dann mit dem Sommerregen (könnte durchaus ein Rilke oft überwältigende Kreativitätsphase nach langer 'Dürre' und 'Krise') eintreffen werden.
Übrigens hat Rilke den Besuch und diese Wettersituation auch ganz anschaulich in seinem Brief an seine Frau vom 1.Juni 1906 dargestellt.
e.u

Beitrag von e.u »

Entschuldigung, da ist mir gerade eine nicht ganz überdachte 1.Version mitgerutscht. Ich kann das leider nicht nachträglich löschen, aber die Fehler sind ja so offensichtlich, dass damit kein Schaden angerichtet wird.
Viel Spaß beim eigenen Interpretieren!
e.u.
e.u

Beitrag von e.u »

Entschuldigung, da ist mir gerade eine nicht ganz überdachte 1.Version mitgerutscht. Ich kann das leider nicht nachträglich löschen, aber die Fehler sind ja so offensichtlich, dass damit kein Schaden angerichtet wird.
Viel Spaß beim eigenen Interpretieren!
e.u.
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