Rilke in Konstanz ?

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Constanze

Rilke in Konstanz ?

Beitrag von Constanze »

Hallo,

ich mache hier gerade ein Praktikum in Konstanz und heute hat mir mein Dozent erzählt, dass auch Rilke mal in Konstanz gewesen ist und es darüber ein Gedicht gibt . Weiss jemand da was ?

Viele Grüße von Constanze :lol:
Arena
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Rilke in Konstanz

Beitrag von Arena »



Rilke besuchte seinen Freund Wilhelm von Scholz in seinem Elternhaus in Konstanz, schrieb am 17. April 1897 aus dem Hotel Schönebeck an M.N Goudstikker in München: "An der [Meersburg] bin ich von Lindau her vorbeigefahren. Sie sieht recht trotzig und übermüthig heute noch drein, da längst statt dünkeltoller Erzbischöfe und statt der großen Vorläuferin moderner Lyrik, der Droste - die beiden greisen Freifräuleins von Lassberg drinnen hausen ..."

Am 18./19.April war Rilke dann im Elternhaus W.v.Scholz' zu Gast - er kannte dessen Eltern wohl, weil er am 2.März 1897 bei der Hochzeit seines Freundes zugegen war und auch ein Gedicht dazu vortrug. Es ist gedruckt im 3.Band der Sämtlichen Werke, S.558/59.

"Für Wilhelm und Irmgard von Scholz: Zur Hochzeitsfeier"

Ein Gedicht "Konstanz" habe ich nicht gefunden, aber das will nichts heißen ..
Vielleicht findet es noch jemand !

Viel Glück, Renée (Arena).
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo ihr beiden, hallo Forum,

es gibt ein Gedicht über Konstanz in den Jugendgedichten Rilkes (SW). Hier ist es:

Vision

Ich geh durch die greise, nächtige Stadt,
will wissen, was Konstanz für Träume hat.

Ob sich der alte Zauber schon brach?
Lichter erstehen und sterben im Hafen,
Giebelhäuser sinnen verschlafen
wilden, weiten Zeiten nach.
Etwas weht in dem Dämmer des Orts,
etwas wohnt in den dumpfen Gassen
noch von dem alten Pfaffenhassen
eines erlösenden Flammenworts.
Dunkel stiert ein gieriger Sinn
aus der ewigen Kälte der Säle,
und wie Gewänder der Kardinäle
schleppt der Wind an den Häusern hin.
Heimlich wie leise Knappen der Herrn
schwinden Schatten im Dämmerflocken...
über den Hafen von fern, von fern.

Und ich schaue zurück nach der Stadt,
will wissen, was Konstanz für Träume hat.

Und über dem schwarzen Zinnentor
wächst es reckenriesig empor,
wächst in das nächtige Glockengebraus,
wächst in die dröhnende Nacht hinaus.
Seltsam. - Ist das der Münsterturm? -

Schultern sind das, erstarkt im Sturm,
ehern, darauf geschraubt,
ruht,
sternumlaubt,
herrlich ein Heldenhaupt
mit dem Ketzerhut. -
Huß. Wie in der Worteschlacht,
hoch, wie einst beim Konzil.
Da weint die Nacht.
Und er nickt nur sacht
und lacht
über Kaiser- und Pfaffenspiel. -

So sah ich den Helden in nächtiger Stadt:
Er will wissen, was Konstanz für Träume hat. -


Geschrieben hat Rilkes es in Konstanz in der Osternacht 1897.

Liebe Grüße von Barbara :lol:
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