Verfasst: 21. Mai 2007, 22:59
Hallo steffi,
viele von denen, die dieses Forum regelmäßig besuchen und darin schreiben, werden irgendwann bei einer Schüleranfrage mal grantelig, obwohl die Diskussionen andererseits auch von solchen Anfragen leben. Wenn man so fragt wie Du, und sich seine eigenen Gedanken zum Thema macht, gibt es hier meistens auch Antworten, das sieht man ja, und manchmal auch längere Gespräche, »thread« heißt das ja jetzt und ich werde es nicht aufhalten, daß sich der Begriff etabliert, aber ich finde ihn doof.
Das eine ist Rilkes Verhältnis zur Musik, das andere ist die Metapher der Musik, wie im »Liebeslied« – beides muß nicht unmittelbar zusammenhängen. Rilke hat erst spät zum Verständnis der Musik gefunden und war weit von dem, was man einen Kenner nennt. Er hatte aber Freundinnen oder Bekannte, die musizierten, so die Gräfin Sidonie Nádherny, die auf ihrem Schloß in Böhmen vor allem Beethovensachen spielte, die bei Rilke hängenblieben oder spät die Geigerin Alma Moodie, die für ihn in den Räumen von Muzot Bach spielte, und vor allem die Pianistin Magda von Hattingberg, mit der er 1914 eine kurze und stürmische Liaison hatte, eine Schülerin des Komponisten Ferruccio Busoni, der Rilke (dem »Musiker in Worten«) 1907 eine seiner musiktheoretischen Schriften gewidmet hatte; diese persönlichen Bekanntschaften veränderten und formten Rilkes Haltung zur Musik, der er zunächst und lange Zeit äußerst schüchtern und mißtrauisch gegenübergestanden und deren verführende Gewalt er gefürchtet hatte. Da ist schon eine Analogie von Musik und Liebe wie im »Liebeslied«.
Außerdem besteht von früh an eine gewisse Beziehung zur Musik, weil Rilke ein hörender Mensch war und natürliche Klänge und Laute und auch den Lärm der Welt in besonderer Weise wahrnahm, und Musik nicht nur der Stimme und den Instrumenten und meinethalben dem Wind und den Sphären, sondern auch den Dingen zusprach. Und er begreift sich als Sänger und sein dichterisches Tun als Gesang, zwar in einem übertragenen Sinn, aber kategorisch ist das von der Musik auch wieder nicht zu trennen, auch wenn für Rilke diese beiden Seiten erst gegen Ende seines Lebens zusammenfallen.
Ich glaube, die Verschränkung, das Ineinanderblenden von Liebe und Musik im »Liebeslied« kommt weniger aus der Überlegung als aus dem Gefühl. Verliebte haben so etwas wie gemeinsame Schwingungen, das ist mehr als eine Metapher, vielleicht so etwas wie ein elektrostatisches Phänomen, auch wenn Rilke diese Empfindung sprachlich natürlich als Metapher ausführt. Darum bin auch entschieden anderer Auffassung als Du, was den letzten Vers angeht. Rilke ist, wie gliwi sagt, selten ironisch, aber wenn er es ist, ist das unmißverständlich und schillert nicht so herum. Hier ist er's nicht, sondern hier sind zwei Personen derart von einer höheren Gewalt erfaßt, daß sie fast willenlos sind, nur Instrumente, die ein anderer betätigt (da liegt das Dilemma, das stimmt wiederum), vielleicht nicht der liebe Gott, aber der Liebesgott bzw. wie zwei Saiten auf seiner Fidel. Nun hat Rilke es andererseits nicht ungern, sich etwas Höherem zu beugen, das darf dann auch süß sein.
So seh ich's, stimmen, um im Bild zu bleiben, muß das deswegen noch nicht.
Gruß
h.
viele von denen, die dieses Forum regelmäßig besuchen und darin schreiben, werden irgendwann bei einer Schüleranfrage mal grantelig, obwohl die Diskussionen andererseits auch von solchen Anfragen leben. Wenn man so fragt wie Du, und sich seine eigenen Gedanken zum Thema macht, gibt es hier meistens auch Antworten, das sieht man ja, und manchmal auch längere Gespräche, »thread« heißt das ja jetzt und ich werde es nicht aufhalten, daß sich der Begriff etabliert, aber ich finde ihn doof.
Das eine ist Rilkes Verhältnis zur Musik, das andere ist die Metapher der Musik, wie im »Liebeslied« – beides muß nicht unmittelbar zusammenhängen. Rilke hat erst spät zum Verständnis der Musik gefunden und war weit von dem, was man einen Kenner nennt. Er hatte aber Freundinnen oder Bekannte, die musizierten, so die Gräfin Sidonie Nádherny, die auf ihrem Schloß in Böhmen vor allem Beethovensachen spielte, die bei Rilke hängenblieben oder spät die Geigerin Alma Moodie, die für ihn in den Räumen von Muzot Bach spielte, und vor allem die Pianistin Magda von Hattingberg, mit der er 1914 eine kurze und stürmische Liaison hatte, eine Schülerin des Komponisten Ferruccio Busoni, der Rilke (dem »Musiker in Worten«) 1907 eine seiner musiktheoretischen Schriften gewidmet hatte; diese persönlichen Bekanntschaften veränderten und formten Rilkes Haltung zur Musik, der er zunächst und lange Zeit äußerst schüchtern und mißtrauisch gegenübergestanden und deren verführende Gewalt er gefürchtet hatte. Da ist schon eine Analogie von Musik und Liebe wie im »Liebeslied«.
Außerdem besteht von früh an eine gewisse Beziehung zur Musik, weil Rilke ein hörender Mensch war und natürliche Klänge und Laute und auch den Lärm der Welt in besonderer Weise wahrnahm, und Musik nicht nur der Stimme und den Instrumenten und meinethalben dem Wind und den Sphären, sondern auch den Dingen zusprach. Und er begreift sich als Sänger und sein dichterisches Tun als Gesang, zwar in einem übertragenen Sinn, aber kategorisch ist das von der Musik auch wieder nicht zu trennen, auch wenn für Rilke diese beiden Seiten erst gegen Ende seines Lebens zusammenfallen.
Ich glaube, die Verschränkung, das Ineinanderblenden von Liebe und Musik im »Liebeslied« kommt weniger aus der Überlegung als aus dem Gefühl. Verliebte haben so etwas wie gemeinsame Schwingungen, das ist mehr als eine Metapher, vielleicht so etwas wie ein elektrostatisches Phänomen, auch wenn Rilke diese Empfindung sprachlich natürlich als Metapher ausführt. Darum bin auch entschieden anderer Auffassung als Du, was den letzten Vers angeht. Rilke ist, wie gliwi sagt, selten ironisch, aber wenn er es ist, ist das unmißverständlich und schillert nicht so herum. Hier ist er's nicht, sondern hier sind zwei Personen derart von einer höheren Gewalt erfaßt, daß sie fast willenlos sind, nur Instrumente, die ein anderer betätigt (da liegt das Dilemma, das stimmt wiederum), vielleicht nicht der liebe Gott, aber der Liebesgott bzw. wie zwei Saiten auf seiner Fidel. Nun hat Rilke es andererseits nicht ungern, sich etwas Höherem zu beugen, das darf dann auch süß sein.
So seh ich's, stimmen, um im Bild zu bleiben, muß das deswegen noch nicht.
Gruß
h.