Spanische Tänzerin

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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nellas
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Spanische Tänzerin

Beitrag von nellas »

Hallo zusammen!

Nun widme ich mich auch noch der spanischen Tänzerin.
Worin liegt eurer Meinung nach die Aussage des Gedichtes?
Geht es einzig und allein um die Beschreibung eines Flamencos?
Oder existiert ausser der Bildebene auch noch eine Sachebene (parabelähnlich, gibts das für Gedichte?) und ist das Gedicht somit auf andere Lebenssituationen oder Handlungen übertragbar?

Und noch eine zweite Frage: Denkt ihr, das Gedicht ist negativ angehaucht? V.a. das Wort Schlange, aber auch Feuer(oder ist das die Leidenschaft?) und die Adjektive mit der die Tänzerin in der letzten Strophe beschrieben wird, verleihen dem Gedicht meiner Meinung nach einen negativen Touch.

lg nellas
helle
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Re: Spanische Tänzerin

Beitrag von helle »

Hallo Nellas,

Die Aussage eines Gedichtes ist ja in der Regel etwas anderes als in anderen Sprachzusammenhängen, einer Satzaussage etwa, also einer Behauptung oder Feststellung oder Wertung usf. oder gar einer Aussage vor Gericht. Wenn man ein Gedicht von Mallarmé liest oder von Ernst Jandl oder von Celan, wird das noch deutlicher. Was das Gedicht sagt, hat immer mehr mit der Form und dem Spiel zu tun als in der alltäglichen Rede. Darum weiß ich nicht, ob die Suche nach einer Aussage, in die man Rilkes Gedicht übersetzen kann, so glücklich ist.

Wenn man sich fragt, was er da eigentlich tut, fällt einem sofort die Ineinssetzung von Tanz und Feuer auf. Es ist eine vollständig ausgeführte Analogie, das ganze Gedicht hindurch, nicht ein einzelner Vergleich, keine isolierbare Metapher wie in anderen seiner Gedichte. Dieses erscheint als Verwandlungsgeschehen, Tanz und Tänzerin entfachen das Feuer, werden selbst zur Flamme, werfen sie aber auch wieder ab und bändigen es, löschen es aus.

Ich sehe das das nicht als negativ, wohl aber als Darstellung einer Gefahr – als ein Spiel mit dem Feuer. Andere Lebenssituationen kann man sicher damit in Verbindung bringen, etwa, weil es naheliegt, den Stierkampf, oder auch die amour fou. Aber nicht modellhaft und parabolisch, dafür wäre es mir doch zu konkret und zu stark von einem einzigen, unauslöschlichen ( :D ) Eindruck aus entworfen.

Gruß, helle
nellas
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Re: Spanische Tänzerin

Beitrag von nellas »

Herzlichen Dank für die Aufzeichnung deine Gedankengänge!
Spiel mit dem Feuer beschreibt es sehr treffend, finde ich.

Du hast recht, ein Gedicht ist im Gegensatz zu einer Novelle eher eine Beschreibung einer Situation oder eines Gefühls, würd ich mal sagen.

Und kannst du mir einen Tipp geben, wie ich den Versfuss bestimme? Also ob Jamben/Trochäen oder Anäpast/Daktylus ist ja nicht soo schwierig. Aber wie weiss ich denn ob die erste Silbe betont oder unbetont ist?

Und in der ersten Strophe zeichnet sich das folgende Reimschema ab: abaab. Kennst du eine Bezeichnung dafür?

lg nellas
helle
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Re: Spanische Tänzerin

Beitrag von helle »

Für das Reimschema »abaab« habe ich keinen Begriff, d.h. nicht, daß es keinen dafür gibt. Das metrische Schema sind fünfhebige Jamben.

Viel Glück!
h.
nellas
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Re: Spanische Tänzerin

Beitrag von nellas »

Vielen Dank;-)!
gliwi
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Re: Spanische Tänzerin

Beitrag von gliwi »

Na, gerade zum Versmaß steht doch hier ("Gedichte") unten bei dem Doppelthema "Sp. Tä. + "Blinde" eine ganze Menge!
Gruß
gliwi
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DoMi
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Re: Spanische Tänzerin

Beitrag von DoMi »

Guten Morgen zusammen,

wenn du,nellas, von Gedichten, bzw. Versen als Ausdruck oder Beschreibung von Gefühlen sprichst, fällt mir ein Zitat aus dem Malte ein. Ich denke, diese Zeilen beschreiben Rilkes Vorstellung von einem Gedicht - und im übrigen auch die von Celan - ziehmlich gut.
Denn Verse sind nicht, wie die Leute meinen, Gefühle (die hat man früh genug), - es sind Erfahrungen. Um eines Verses willen muß man viele Städte sehen, Menschen und Dinge, man muß die Tiere kennen, man muß fühlen, wie die Vögel fliegen, und die Gebärde wissen, mit welcher die kleinen Blumen sich auftun am Morgen.
Aus: "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge"

Das moderne Gedicht beschreibt also vornehmlich "Erfahrungen". Daher ist es auch so schwierig eine eindeutige Interpretation, eine klare, "richtige", zutreffende Aussage zu finden. Die gibt es nämlich nicht. Daher hat jeder seine eigenen Eindrücke, bei jedem werden eigene Gefühle geweckt und jeder bezieht das Gedicht auf eigene Erfahrungen, die dann zu einer eigenen Interpretation führen.

Ich glaube auch nicht nicht, dass Worte wie "Feuer" oder "Schlangen" negativ zu betrachten sind. Aber ein Tanz, wie der Flammenco, der unkontrollierbar, unberechenbar, gewaltig, gefährlich wirkt, kann mit ebensolchen Ausdrücken (, die vielleicht Unbehagen oder zumindest Unruhe beim Leser hervorrufen,) am besten umschrieben werden. Sein Kern, sein Innerstes kommt somit stärker hervor. Dann stellt sich natürlich die Frage, was der Einzelne mit diesen Umschreibungen verbindet; ob Stierkampf, oder Streitsituationen, oder Kampf an sich. Ich halte auch einen Interpretationsansatz für möglich, der hierin die Beschreibung einer Eigenschaft, wie zum Beispiel der Eifersucht (, die es ja nach Rilke zu überwinden gilt,) oder des Hasses oder einfach nur der Leidenschaft sieht.

Liebe Grüße,

Dominik
Renée
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Re: Spanische Tänzerin

Beitrag von Renée »

Liebe(r) nellas,

es ist vielleicht ganz hilfreich zu wissen, daß die "Spanische Tänzerin" auf ein Bild des spanischen Malers Ignacio Zuloaga (1870-1945) zurück geht, den Rilke in Paris kennen gelernt und häufig besucht hat. Auch in Ausstellungen hat er seine Bilder gelobt und wollte sogar einmal eine Arbeit über ihn verfassen...

Ob Du das brauchen kannst? Renée
gliwi
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Re: Spanische Tänzerin

Beitrag von gliwi »

Für Rilke stimme ich dir völlig zu, Dominik (für Celan nicht, aber das ist hier nicht Thema).
Rilke ist ein Augenmensch. Er sieht etwas, und das beschreibt er dann aufs Genaueste - dichterisch, aber genau! Dabei steht es uns frei, eine eigene Symbolik hineinzulegen, z. B. beim Panther der Gefangene, bei der blauen Hortensie die Vergänglichkeit - aber das ist dann unsere Erfahrung und unsere Interpretation, nich seine oder eine von ihm vorgegebene. Und das müssen wir dann auch so sagen (im Falle uns eine Interpretation abverlangt wird): Dieses ... lässt mich an ....denken, nicht ....= ..... Letzteres ist ein häufiger Schülerfehler.
Gruß
gliwi
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