Requiem?? Warum Requiem?

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

Moderatoren: Thilo, stilz

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DoMi
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Requiem?? Warum Requiem?

Beitrag von DoMi »

Hallo ihr,

neulich bin ich einmal wieder auf das Requiem aus dem Buch der Bilder gestoßen...Doch, doch ich habe es schon einmal gelesen und ich wusste auch, dass es Clara Westhoff gewidmet ist, aber über das Entstehungsdatum habe ich mir noch nie wirkliche Gedanken gemacht!

Das Buch der Bilder ist in den Jahren 1902 und 1906 entstanden.
Nun fand ich im Internet ein erstes Datum, welches von der rainer-maria-rilke.de-Seite stammt und 20.11.1900, Berlin-Schmargendorf lautet. Meiner Meinung nach kann das doch kaum stimmen, da er Clara doch erst 1901 in Worpswede kennen lernte. Oder irre ich mich??

Das zweite, das mich wundert ist, die Bedeutung...
Ein Requiem ist nach meinem Verständnis zunächst einmal eine Messfeier - und zwar für Verstorbene.
Gut, Rilke schrieb ein literarisches Requiem, wie er es später noch des Öfteren machte, wie zum Beispiel das "Requiem. Für eine Freundin " für Paula Modersohn Becker, 1908, aber diese war ja wirklich verstorben, oder??

Aber ein Requiem, quasi eine "Totenschrift", die normalerweise als Andenken für einen verstorbenen Menschen geschrieben wird, für eine Frau zu schreiben, die man gerade kennen lernte, oder noch besser, vielleicht gerade heiratete, erscheint mir dann doch etwas abwegig.

Ich hoffe das mir bald jemand diesen (vermutlichen) Irrtum aus der Welt schafft :wink:

Liebe Grüße
Dominik
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Ein erster Hinweis ist die Anrede "Gretel". Die Tote ist jedenfalls nicht Clara! Da im Gedicht von Geschwistern die Rede ist, spekuliere ich jetzt mal, es könnte sich um eine jüngere Schwester Claras handeln. Dann hätte er es für Clara als Schwester geschrieben. Aber Renée, wenn sie wieder mal hereinschaut, weiß es sicher genau, wer diese anscheinend jung verstorbene Gretel ist.
Gruß
gliwi
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. KANT
DoMi
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Beitrag von DoMi »

Ja genau, das habe ich mir auch gedacht...er spricht ja auch von Geschwistern.
Aber dann würde dies bedeuten, dass Rilke innerhalb der Absätze wechselnd verschiedene Personen anspricht - seine Geliebte, bzw. Frau, also Clara und deren Schwester.
Wenn er von der "geliebte[n] Gespielin" spricht, oder "dir seit dem Tod der Schwester weitwar", dann richtet er sich doch an Clara, oder? Diejenige, die aber ide Briefe schreibt, die los ließ, diejenige, von der man wusste: "jett müsste man beten", das ist wäre doch dann die Schwester...
Zudem scheint mir ist er dieser "Gretel" sehr vertraut. Aber dazu müsste ich diese Person genauer kenne um das zu beurteilen.
Und auch am Ende spricht er die Tote doch mit "Gespiel" an....Gespiel wird doch als Kosename verstanden oder???(in etwa, wie bayrisch gspusi :wink: )

Seltsam, seltsam...

Liebe Grüße
Dominik
helle
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Beitrag von helle »

Es hat mich selbst interessiert und ich habe bei I. Schnack in der Chronik nachgesehen. Dort, I, 115, unterm 20. Nov. 1900:

»Die Nachricht vom Tode einer Freundin Clara Westhoffs, die im Süden gestorben ist (Gretel Kottmeyer), führt zur Niederschrift des Clara W. gewidmeten Requiem. R. nimmt es ebenso wie eine Anzahl der Gedichte aus dem Herbst/Winter 1900/01 in Das Buch der Bilder auf.«
Vielleicht weiß Renée noch Genaueres?
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Nein, Gespiel ist nicht "Gspusi", es ist ein altes Wort für Spielkamerad.
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stilz
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Beitrag von stilz »

Ja, selber weiß ich zwar auch nix Genaueres, aber ich habe mich erinnert, davon schon mal gelesen zu haben im Forum, und zwar hier.

Lieben Gruß!

stilz
Zuletzt geändert von stilz am 18. Mär 2009, 12:32, insgesamt 1-mal geändert.
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ZaunköniG
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Beitrag von ZaunköniG »

Gespiel, bzw. Gespielin

ist aber auch jemand, mit dem man flirtet, bzw auch eine ausgewachsener Affaire, allerdings ohne 'ernsthafte' Absichten.

LG ZaunköniG
§1: Der Konjunktiv des Menschen ist unbegreiflich
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Hallo Zaunkönig,
Beziehst du dich da aufs Österreichische? Denn im Hochdeutschen ist dem nicht so. Aber es gibt ja einige Austriazismen.
Gruß
gliwi
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ZaunköniG
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Beitrag von ZaunköniG »

Hallo gliwi,

Ich beziehe mich auf den eigenen Sprachgebrauch, gebe aber zu daß ich den Ausdruck, in welcher Bedeutung auch immer, nur selten hier in Hannover höre. Meine Mutter kommt allerdings aus der Lausitz, möglich daß ich es daher habe. Da Rilke selbst aus Prag, also aus habsburgischen Landen stammt, fände ich auch eine österreichische Lesart nicht so abwegig.

LG ZaunköniG
§1: Der Konjunktiv des Menschen ist unbegreiflich
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