Rainer und Paula

Lou Andreas-Salomé, Clara Westhoff, Marie von Thurn und Taxis, Ellen Key, Baladine Klossowska, Leonid Pasternak, Anton Kippenberg, ...

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LadyBird
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Rainer und Paula

Beitrag von LadyBird »

Hallo liebe Mitglieder des Rilke-Forums,

zunächst mal einen großen Dank an die tolle Seite, die einen sehr viele Informationen anbietet. Ich bin zufällig hier gelandet, da ich demnächst eine Präsentation über Rilke halte.
Bin schon fertig, habe aber dennoch noch eine Frage.

Ich lese in mehreren Büchern und auch auf mehreren Internetseiten, dass Rainer und Paula sehr gut befreundet waren. In der Worpsweder Zeit, hat er sie ja auch vermehrt in ihrem Atelier besucht und sie haben über ernste Themen diskutiert. Ich wollte fragen, wie eng die Beziehung der beiden zu der Zeit war. Kann es sein, dass Rilke Paula ein wenig „angehimmelt“ hat, ja sogar in sie verliebt war?
Ein Indiz dafür könnte seine plötzliche Abreise aus Worpswede nachdem sich Paula mit Otto verlobt hatte sein, oder? War er eifersüchtig?

Was meint ihr?

Danke für die Antworten!!
gliwi
Beiträge: 941
Registriert: 11. Nov 2002, 23:33
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Beitrag von gliwi »

Hallo Ladybird,
da noch niemand geantwortet hat, habe ich mal in meiner noch ungelesenen Biographie gestöbert. Ja, du hast wohl recht, Zitat: "Wenn Rilke drauf und dran sein sollte, sich in beide (Paula und Clara) zu verlieben, dann setzt Paulas Verlobung mit Modersohn dem ein Ende." Oberflächlich betrachtet ähnelt dieser Worpsweder Freundeskreis jenem romantischen Zirkel, wo auch alle gemeinsam leben und arbeiten wollten und sich dann doch wieder in Zweierbeziehungen zurückgezogen haben.
Gruß
gliwi
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. KANT
LadyBird
Beiträge: 3
Registriert: 30. Mai 2007, 20:12

Beitrag von LadyBird »

Einen schönen Dank, gliwi!

Ich habe vorher in mehreren Büchern nachgeschlagen, aber jeder Autor hat die Beziehung eher als eine Art Freundschaft beschrieben.
Rilke fühlte sich als "geistiger Spender und Paula empfindet er als einfühlsame Empfängerin". Ein anderer Autor schreibt, dass Rainer Maria Rilke evtl. an eine Verbindung mit ihr gedacht hat, aber er hätte ihr keine feste Existenz geben können. Paula wurde nämlich von ihrer Familie gedrängt, eine gewisse Existenz zu ergreifen.
Also zusammenfassend: so direkt wie in deinem Biographie-Buch haben sie es nicht beschreiben.

Danke nochmal

Gruß
LadyBird :D
helle
Beiträge: 343
Registriert: 6. Mai 2005, 11:08
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Beitrag von helle »

Einiges zum Thema steht sicher bei Decker, »Rilkes Frauen«, aber durch meine fortschreitende Amnesie weiß ich schon nicht mehr, was. Leppmann spricht von der wohl einzigen Frau in Rilkes Leben, »die ihm an künstlerischer Potenz ebenbürtig« war.

Außerdem war sie einer der wenigen Menschen, gegen die Rilke ein schlechtes Gewissen hatte, Ursachen dafür hat's verschiedene, alle will ich nicht aufzählen, aber ein paar.

Rilke hat das Talent der Malerin sichtlich unterschätzt. Er, der sonst jeder Frau Mut zu den eigenen Fähigkeiten gemacht hat, hat in den Worpsweder Anfängen ihre Begabung nicht gesehen. Das kann man ihm schlecht vorhalten, daß er ihre Bilder und Skizzen nur flüchtig betrachtet und deshalb nicht erkannt hat, darum druckst er allerdings in einem Brief an sie vom Jan. 1901 etwas herum. Ihr Talent war natürlich in der frühen gemeinsamen Worpsweder Zeit auch noch nicht sehr ausgebildet. Immerhin notiert Rilke damals schon: »Wieviel lerne ich im Schauen dieser beiden Mädchen, besonders der blonden Malerin, die so braune, schauende Augen hat« (man kann dazu auch das Gedicht: »Mädchen, Dichter sind, die von euch lernen« aus dem »Buch der Bilder« lesen), aber in diesem Fall hatte Rilke nicht den Instinkt wie in anderen Fällen.

Die Tatsache, daß Paula B. ihm im Herbst 1900 ihre Liebe zu Otto Modersohn gesteht, läßt Rilke keineswegs gleichgültig, seine zuvor aus Berlin geschriebenen Briefe und die ihr gewidmeten Gedichte hatten eine andere Sprache gesprochen und alle Optionen offen gelassen. Jutta Heinz im »Rilke-Handbuch« hat die darauf entstandenen Gedichte aus dem »Buch der Bilder« als »Krise der lyrischen Ich« verstanden und auf jenes Geständnis zurückgeführt. Allerdings nimmt Rilke in dem Moment, da er davon erfährt, mit einer Art frommem Abschiedsgedicht (»Es ist so seltsam: jung sein und zu segnen«) die Töne zurück, die man zuvor noch getrost als Gebalze interpretieren konnte.

Das Ende vom Lied ist die Bekanntgabe seiner Verlobung mit Clara im Febr. 1901, und nun ist es an Paula Becker, einigermaßen verblüfft zu sein, vor allem weil Rilke es jetzt so eilig hat, daß er glatt einen Monat vor ihr heiratet.

Dann gab's bald Vorwürfe an Rilke, weil Paula M.-B. glaubte, daß sich Clara Rilkes Leben nach ihrer Hochzeit verdüsterte, auch weil Rilkes selten hoher und etwas dämlicher Anspruch, es zur »ewigen Weihestunde« machen zu wollen, natürlich nicht einzuhalten war. Darum gibt es in ihren Briefen manchmal ziemlich scharfe Töne, z.B. am 10. Febr. 1902, als sie Clara vorhält, sie habe »viel von Ihrem alten Selbst abgelegt und als Mantel gebreitet, auf daß Ihr König darüber schreite«, und ziemlich sarkastisch über die »schönen bunten Siegel« schreibt, die er, Rilke, »nicht nur auf [seine] feingeschriebenen Briefe« drücke. Daß Rilke seine Frau und ihre künstlerischen Möglichkeiten einenge, dieser Vorwurf muß ihn einigermaßen getroffen und könnte auch seine dezidierte Auffassung von der besitzlosen Liebe bestimmt haben.

Im Paris der folgenden Jahre versöhnt man sich dann kurzfristig, später mal mehr, mal weniger, es bleiben immer Spannungen, vor allem 1903, z.B. daß Rilke in seinem im selben Jahr erschienenen »Worpswede«-Buch weder Clara Rilke noch Paula Modersohn-Becker erwähnt und diese bei prominenter Gelegenheit auch nur als »femme d'un peintre allemand très distingué« vorstellt, findet sie nicht so toll, gliwi wird das verstehen.

Rilke sieht Paula M.-B. das letzte Mal im Sommer 1906 in Paris, und verhält sich merkwürdig spröde; als er sich im August mit Clara und Ruth in Belgien trifft, reagiert er auf Paulas Bitte, vielleicht mit den Rilkes zusammen Urlaub in einem Küstenort zu machen, sogar abweisend, wofür er sich später brieflich entschuldigt. Entschuldigen muß er sich auch für eine blöde Geschichte im Spätsommer 1907, die sich um das Pariser Mobiliar von Paula M.-B. dreht, wobei Rilke die Sache schlichtweg verschlampt, das ist nichts furchtbares, aber ein häßliches kleines Versäumnis, das ihm Leid tut, vor allem angesichts ihres gänzlich unvermuteten Todes nur wenige Wochen später.

Ich weiß nicht, ich habe vor längerer Zeit den Briefwechsel zwischen den beiden gelesen und fand, daß er zu Recht heißt: »Paula Modersohn-Becker. Briefwechsel mit Rainer Maria Rilke« und nicht umgekehrt, weil mich Paula Modersohn-Becker als Person und selbst im Briefstil, der doch Rilkes Domäne ist, ganz anders angesprochen hat, auch da mag ihr trauriger und früher Tod eine Rolle gespielt haben, über den im übrigen auch Rilke nicht hinweggekommen ist, wie man so sagt.

Später sollte er eine Ausgabe der Briefe und Aufzeichnungen von PMB edieren, aber das hat er abgelehnt, mit der leicht fadenscheinigen Begründung, der Ruf der Künstlerin könne durch eine solche Ausgabe beschädigt werden, offenbar hat ihn das einfach nicht sonderlich gereizt und von eigenen Dingen abgehalten, ich glaube, sein Schuldbewußtsein war durch die künstlerische Auseinandersetzung im »Requiem« so weit getilgt, daß er keine äußerliche Verpflichtung gegen Paula Modersohn-Becker mehr empfand, von der inneren glaube, daß sie blieb.

Call it a day
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Anna B.
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Wohnort: Franken

Beitrag von Anna B. »

Hallo LadyBird,

hier ein Buch, das irgendwie auch zu Deinem Thema paßt:

Clara und Paula. Zwei Freundinnen und Künstlerinnen -
von Gunna Wendt

Vielleicht kennst Du es ? Ich habe es vor einiger Zeit gelesen und bin ganz begeistert. Es ist einmal aus einer anderen Perspektive dargestellt. Auch ist es sehr gut lesbar - fast wie ein Roman.

Die Beschreibung dazu in amazon:

Zwischen Worpswede und Paris: die Freundschaft zweier Künstlerinnen Die Malerin Paula Becker und die Bildhauerin Clara Westhoff lernten sich 1898 in Worpswede kennen und wurden Freundinnen. 1901 heiratete Paula den Maler Otto Modersohn und Clara den Dichter Rainer Maria Rilke. Die zwei Frauen verband die künstlerische Arbeit und eine Seelenverwandtschaft - ihre Freundschaft war ein intensives kurzes Fest, das mit dem frühen Tod Paulas 1907 abrupt endete. Gunna Wendt legt mit "Clara & Paula" eine Doppelbiografie vor, die mit viel Empathie und Sachkenntnis, doch wie ein Roman den Weg der zwei Freundinnen und Künstlerinnen vor dem Hintergrund der Worpsweder Kolonie und Pariser Kulturszene nachzeichnet. Unter Berücksichtigung der Ausbildungen, Arbeitsbedingungen, Erfahrungs- und Lebenswelten wird deutlich, wie schwer es für die beiden jungen Frauen war, ihre Ansprüche, Begabungen und Werke zu schützen und zu verfolgen und wie sie sich gegenseitig bestätigten und ermutigten

Der Verlag über das Buch:
Die große Geschichte einer noch größeren Freundschaft, zum 100. Todestag von Paula Modersohn-Becker im Jahr 2007!


Es grüßt Dich,
Anna :lol:
"anna blume... man kann dich auch von hinten lesen... du bist von hinten wie von vorne: "a-n-n-a." (kurt schwitters)
LadyBird
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Beitrag von LadyBird »

Danke für eure Antworten bzw. Buchvortsellungen! Leider halte ich mein Vortrag schon morgen und so ist es mir nicht mehr möglich in die Bücher zu schauen. ich denke mal, dass ich trotzdem gut vorbereitet bin. Mein Thema ist Rilkes Aufenthalt in Worpswede und die Veränderung seiner Lyrik dadurch (mit einer Analyse des Gedichtes Herbsttag). Wird schon schief gehen ^^

Alles Liebe,

LadyBird
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