Erika ?

Lou Andreas-Salomé, Clara Westhoff, Marie von Thurn und Taxis, Ellen Key, Baladine Klossowska, Leonid Pasternak, Anton Kippenberg, ...

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Carolyn

Erika ?

Beitrag von Carolyn »

Hallo,
wer war eigentlich "Erika" , der R.M. Rilke das Gedicht "Taube, die draussen blieb" geschrieben hat und warum ist das die dreizehnte Antwort , worauf, wovon... ?

http://www.rilke.de/gedichte/taube.htm

Würde mich freuen, wenn mir jemand helfen könnte !

Liebe Grüße von Carolyn :)
e.u.
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Beitrag von e.u. »

Hallo Carolyn,

"Erika" ist Erika Mitterer (1906-2001), eine österreichische Schriftstellerin. Rilke hatte mit ihr 1924-1926 einen Briefwechsel in Gedichten, in der auch die damals 18jährige Dichterin Gedichte einbrachte. Seither sind in den Ausgaben des Briefwechsels die Gedichte beider veröffentlicht. Und auch der Titelzusatz des Gedichts ist damit verständlich. Es gibt 13 Antworten Rilkes mit etwa 50 einzelnen Gedichten Rilkes. Im November 1925 hat Erika Mitterer Rilke in Muzot besucht.
Vielleicht ist das ein 'Einstieg'? In der Kommentierten Ausgabe Bd.2 S.818 gibt es natürlich Anmerkungen zu den einzelnen Gedichten.
e.u.
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo Forum,

eine Frage an Euch: ich möchte die Briefe aus dem Briefwechsel R.M.Rilke - Erika Mitterer in nächster Zeit bei Gedichte bei rilke.de reinstellen - zum Teil sind sie dort schon vorhanden . Was meint Ihr: sollte ich die Briefe von Erika Mitterer dazustellen (die in der KA vorhandenen) - auch wenn sie nicht von Rilke sind ? Wie ist das am besten ?

Freue mich über Empfehlungen und Ratschläge ! Vielleicht starte ich auch mal eine Umfrage dazu ?!

Viele Grüße von Barbara :lol:
stilz
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Beitrag von stilz »

Liebe Barbara,

das fände ich eine sehr gute Idee!
Ich habe gerade vorhin auch die Beiträge zur "ersten Antwort" gelesen und mir gedacht, wie schön es doch wäre, auch E.M.s Gedichte dazu zu haben!

Ich dachte dann sofort, es mag wahrscheinlich auch Meinungen geben, hier soll nur das, was wirklich von Rilke ist, hinein...
Aber ich finde, es wäre damit viel vollständiger, schließlich nimmt Rilke Bezug --- und wenn man klar macht, welche Erikas Gedichte sind, kann's ja eigentlich kein Problem sein, oder?
Es ist wie mit den Briefen, auch da würde ich mich freuen, wenn ich gleich auch die dazugehörigen Briefe der PartnerInnen lesen könnte...

Also für mich ist das einzige Argument, das doch dagegen sprechen könnte: dann muß jemand sich die Zeit nehmen, das alles einzutippen!
Und das ist jetzt auch endlich die Gelegenheit, mich bei Dir zu bedanken, daß Du sowas immer wieder machst!

Liebe Grüße

stilz


P.S.: Ich denke da zB auch an die verschiedenen "Suleika"-Lieder, in meiner alten Schubert-Ausgabe steht da einfach "Goethe", obwohl die doch eigentlich von Marianne von Willemer sind... das geht natürlich zu weit!
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo Ingrid,

Danke für Deinen Beitrag ! Bei dem Briefwechsel mit Erika Mitterer werde ich jetzt auch die Antworten aufnehmen - also von R.M. Rilke und E. Mitterer, soweit sie in der KA stehen . Es ist ja ein überschaubarer, in sich geschlossener Komplex. Obwohl - mich auch noch weitere Meinungen hier im Forum interessieren , ob wir die Beiträge Erika Mitterers mit dazustellen sollen. Vielleicht äußert sich ja noch jemand weiteres dazu ?! Ich würde mich freuen !

Bei den Briefen wird das etwas schwieriger, da es immer nur ein kleiner Ausschnitt sein kann. Immerhin gibt es etwa 7000 Briefe allein von R.M. Rilke. Irgendwie fehlt mir da auch noch der Einblick, welche wichtig sind und auf keinen Fall fehlen dürfen. Wenn das hier jemand durchschaut, wäre ich dankbar für Hinweise, welche Briefe wir noch (unbedingt) aufnehmen sollten . Genauso ist es bei den Antworten der Briefpartner Rilkes .

Viele Grüße an alle von Barbara :lol:
Melitta

wer ist melitta ?

Beitrag von Melitta »

Hallo,
wer ist (oder besser: war) Melitta in dem Briefwechsel Rilke / Erika Mitterer ?
Grüße von Melitta :lol:
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo,

Melitta war eine Jugendfreundin von Erika Mitterer. Kennengelernt haben sie sich als Melitta Rilkes Gedicht "Die Blinde" aus dem "Buch der Bilder" rezitierte. Später hat Erika Mitterer ihr einen Gedichtband gewidmet und Rilke schreibt im Briefwechsel auch an beide Frauen, zb "Die Liebenden"
http://www.rilke.de/gedichte/liebende.htm

Liebe Grüße von Barbara :lol:
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lilaloufan
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Le Christ est mort que l’âme ressuscitera

Beitrag von lilaloufan »

Es ist Karfreitag, und da habe ich mal wieder Lou Albert-Lasards «Wege mit Rilke» aus dem Regal gefischt. Sie schreibt da auch über Erika Mitterer:

Zum Beispiel unterhielt er gegen Ende seines Lebens eine merkwürdige Beziehung zu einer jungen Wienerin, Erika Mitterer, die beiderseits in einer Korrespondenz in Versen bestand, die das junge Mädchen begonnen hatte. In welch sonderbar nuancierter Weise in der Hinwendung vom ätherischsten bis zum realsten Liebesgefühl Rilke sich einem Bilde hingeben konnte, einem Bilde, das allerdings belebt war durch die zarten und innigen Akzente des jungen Mädchens, einer auserwählten Partnerin in diesem Spiel leidenschaftlicher Entgegnungen. Diese junge und rückhaltlose Gabe nahm er indessen nicht ohne Zögern hin.
  • Ich bin jener, den man nicht erreicht,
    und im Recht nur, wo ich mich erwehre -
    Dicht an Deinem Herzen wär ich Schwere,
    aber aus der Ferne mach ich leicht.
schreibt er - und wieder:
  • Vertraust Du so? Nicht meine Demut nur,
    mein Wesen zittert vor so viel Vertrauen.
    Mein Grund ist zu geheim, um drauf zu bauen;
    ich bin Gefahr, sonst wär ich nicht Natur.
In manchen seiner Antworten, wie überhaupt in vielen der letzten Gedichte, sind oft seltene, manchmal fast zu rare Edelsteine zu finden. In seiner Spätzeit waren im Treibhaus seiner Bilder die auserwähltesten Arten fast sein täglicher Umgang geworden, unbekannte Vögel flogen aus seiner Voliere, beschrieben schimmernde Arabesken und manchmal Hieroglyphen; aber alle immer von der tiefen Erfahrung seiner Seele gezeichnet. Ich führe nur einige spontanere Zeilen an:
  • ...Komm an den Brunnen, der ich bin; ich gebe
    die Wasser weiter, selber nicht gespeist,
    und während ich von Spiegelungen lebe, -
    was weiß ich denn wie dieses Wasser heißt…
Die letzten Briefe zeugen vom Vorgefühl einer Gefahr, die Angst bricht aus in jenem, in welchem er ihr seinen Zustand enthüllt:
  • ...ja, ich bin krank. Du fragst genau zur Stunde,
    da ich unendlich wusste, dass ichs bin;
    allmählich sank ich ein in eine Wunde,
    die offen bleibt, weil ich nicht weiß wohin
    und in ihr steh. Ich steh im eignen Blut,
    im Folterbad des eignen Blutes, drin,
    auf einmal wach und feindlich ausgeruht,
    so vieles wirrt und wühlt, was ich nicht bin…
    Nicht bin : doch mit-bin, mit-war —, oft vielleicht
    bereichert durch den Kampf der Gegensätze,
    nun aber drängt das Fremde an die Plätze,
    die ich mit ihrem Beistand blind erreicht.
    Aus der Ferne des Geschlechtes kommen alte Forderungen:
    wie vieles hab ich wider sie errungen
    mit ihrer Kraft… Das Ich versagt am Es.
Er bekennt den furchtbaren Kampf, der sich in ihm abspielt zwischen den dunkeln, unpersönlichen Mächten und der Kraft des Geistes. Die Krankheit gibt den verdrängtesten Trieben, die er immerhin als die Wurzel seines höchsten Aufschwungs anerkennt, Gewalt über ihn. Er fühlt sich in die Welt des Unterbewussten versinken, der er es indessen zuschreibt, dass er höchste Gipfel erreicht hat.

Da er von je getrachtet hatte, sich mit dem Tode auszusöhnen, diktierte ihm eine hohe Weisheit, allem Abschied voran zu sein; was Blake in seiner schroffen Weise folgendermaßen ausdrückt: «Sieh zu, dass du stirbst vor deinem Tode, denn wenn du dich dem Tode nahen solltest, ohne dich zuvor vernichtet zu haben, so wirst du dann mit deinem ,Ich' zu tun haben und das wird ,kein Spaß' sein.»

Rilke spricht es in dem schönen Orpheus-Sonett aus:

  • Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter
    dir, wie der Winter, der eben geht.
    Denn unter Wintern ist einer so endlos Winter,
    dass, überwinternd, dein Herz überhaupt übersteht.
Als das junge Mädchen ihn zum ersten Mal besuchen will, wehrt er heroisch ab:
  • Bereites Herz: und wenn ich Dich belüde,
    nicht so, mit diesem Rohstoff meiner Not;
    Du weißt es selber: Unrecht hat, wer müde
    zum Leben steht und müder steht zum Tod.

    Ich, der ich ausging, beide zu bejahen,
    erschrecke vor dem Kampf, der Krankheit heißt;
    plötzlich versagt mir an dem Allzunahen,
    der Raum im Herzen und das Maß im Geist.
Trotzdem kam sie, um den Freund, den unbekannten und doch so nahen, zu sehen, als er schon im Schatten seiner großen Leiden stand. Trotz seiner Weisheit war er schon einmal im Schrecken vor dem unentwirrbaren Geheimnis des Todes in jene bestürzende Klage ausgebrochen:
  • Tränen, Tränen, die aus mir brechen.
    Mein Tod, Mohr, Träger
    meines Herzens, halte mich schräger,
    dass sie abfließen. Ich will sprechen.

    Schwarzer riesiger Herzhalter.
    Wenn ich auch spräche,
    glaubst du denn, dass das Schweigen bräche?
    Wiege mich, Alter.
Es ist wohl der Versuch, in voller Übereinstimmung mit der unmaskierten Grausamkeit des Todes zu sein. Ein umso heroischerer Versuch, als Rilke nicht aufgehört hat bis in seine letzten Tage, in seinem Herzen das Lob und den Ruhm des Lebens zu singen. Er hatte bis zuletzt Reisepläne und wollte nicht glauben, dass man ihn nicht retten könne. Die ihn damals umgaben, erzählen, dass der Gedanke, so früh zu sterben, ihm unerträglich erschienen sei. Diese so seltsam intensive Liebe zum Leben breitet sich in einer äußersten und herrlichen Fülle in dem Gedicht, ,Winterliche Stanzen' aus, einem Gedicht höchster Reife, von fast klassischem Ton, das in seiner befriedeten Freude etwas in sich Beschlossenes hat, als sei es das Siegel seiner Freundschaft mit dem Leben der Natur:
  • ...Natur ist göttlich voll; wer kann sie leisten,
    wenn ihn ein Gott nicht so natürlich macht.
    Denn wer sie innen, wie sie drängt, empfände,
    verhielte sich, erfüllt, in seine Hände.

    Verhielte sich wie Übermaß und Menge
    und hoffte nicht noch Neues zu empfangen,
    verhielte sich wie Übermaß und Menge
    und meinte nicht, es sei ihm was entgangen,
    verhielte sich wie Übermaß und Menge
    mit maßlos übertroffenem Verlangen
    und staunte nur noch, dass er dies ertrüge:
    die schwankende, gewaltige Genüge.
Rilke tritt nun in diese Phase hohen Gleichmuts, in der jedes Begehren besiegt erscheint. Sein Sang wird immer losgelöster von aller Leidenschaft, um sich den Stimmen aller Winde, aller Quellen zu vereinen. Die reine Stimme dessen, der vorübergeht, seine Bestimmung erfüllt, sein Schicksal, ohne zu wünschen, anerkannt, gefeiert oder im Gedächtnis der Menschen bewahrt zu bleiben, Stimme der ganzen Kreatur, ewige Stimme, die alle Dinge durchdringt, Orpheus' Stimme.
  • Errichtet keinen Denkstein. Lasst die Rose
    nur jedes Jahr zu seinen Gunsten blühn.
    Denn Orpheus ists. Seine Metamorphose
    in dem und dem. Wir sollen uns nicht mühn
    um andre Namen. Ein für alle Male
    ists Orpheus, wenn es singt…
Ich hatte gerade eine schwere Operation in einer Pariser Klinik überstanden, als Katharina Kippenberg mir schrieb, dass Rilke sich an einem Rosendorn verletzt habe in seinem Garten und dass er leide. In Anbetracht meines Zustands hatte sie mich nicht weiter alarmieren wollen. Indessen, ich beunruhigte mich, denn seit ich die Elegien kannte, hatte ich mich oft gefragt: wie ist es möglich für ihn, danach zu leben, zurückzufinden in das Tägliche, wo er sich nun fremd fühlen muss. Er ist zu weit gegangen, die Spannung war zu groß. Er hat mehr Dinge gesagt, als ein Mensch sagen darf.

War es nicht schon eine Stimme jenseits des Lebens?

Einige Wochen später bei einem Freunde hatte ich eines Abends eine lebhafte Diskussion über Rilke mit Karl Kraus, der einen Vortrag an der Sorbonne gehalten hatte. Er griff im Gespräch Rilke an. Gegen drei Uhr morgens erwachte ich und dachte lebhaft an Rilke, ihn plötzlich so gegenwärtig fühlend, dass ich die Tränen nicht zurückhalten konnte. Ich war im Hotel, rue Vavin, mit meiner kleinen Tochter. Sie schlug vor, mir ein wenig vorzulesen, damit ich wieder schlafe; aber ich hätte es nicht ertragen. Bis zum Augenblick des Todes, den ich später erfuhr, weinte ich. Gegen Morgendämmern schlief ich wieder ein; aber später, am Vormittag, kam auf der Straße ein Freund auf mich zu und sagte: «Ich habe eine traurige Nachricht.» Mechanisch antwortete ich: «Ich weiß.» - Aber kaum hatte er gesprochen, als ich schrie: «Es ist nicht wahr», und die Besinnung verlor. Ich habe keinerlei genaue Erinnerung von diesem Moment an bis zu meiner Ankunft in Sierre, außer der an das Wort Cassous, das mich am nächsten Tag in den Zeitungen so stark berührt hatte und für welches ich ihm mein Leben lang dankbar bleibe:

» Rilke est mort, que le monde reste seul! «
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Danke für diesen Text, Christoph. Er berührt mich sehr. Die Mitte zu finden zwischen der Bereitschaft zu gehen und andererseits, wie Erich Fried fordert, der Weigerung, dem Tod auch nur einen Schritt entgegen zu gehen, das wäre wohl die beste Einstellung für den letzten Lebensabschnitt.
Schöne Karfreitagsgrüße
gliwi
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. KANT
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