Deine letzten Bemerkungen haben tatsächlich einiges klargestellt. Ich sehe ein, daß schizophren nicht das gleiche ist wie schizoid, und hysteroid nicht hysterisch. Ich kenne auch das Buch von Fritz Riemann nicht, noch auch das Buch von Simenauer, das sehr ernsthaft sein soll.
Man muß das vielleicht nicht alles kennen, um trotzdem einige der in der Diskussion gemachten Aussagen bestreiten zu können. Richtig ist sicher, daß in Rilkes Leben der Narzismus eine ungewöhnliche und bedeutende Rolle spielt, die Rilke selbst auch nicht verborgen blieb und Thema seiner Dichtungen und Übersetzungen vor allem von Valéry wurde.
Rilke aber, wie "Orpheus", wie jeden "anständigen Dichter" von vornherein als lebensuntauglichen Fall einzuschätzen, ist mir nach wie vor zu romantisch und setzt mir zuviel Gesundheit in den allgemeinen, nicht-künstlerischen Lebenszusammenhängen voraus.
Ich will auf Begriffe wie "Gefühlsstumpfheit", " Gefühlsarmut", "Liebesunfähigkeit" nicht eingehen, aber diese "Alsos" sind mir zu flink. Eigentlich reichte es, demgegenüber mal einen Band Rilke-Briefe zu lesen. Wer dann bei der Argumentation bleibt, müßte doch immerhin unterscheiden und sagen wem oder was gegenüber diese Mängel auftreten. Und mal generell gefragt: Soll man sich den Menschen ohne Hemmungen, Ängste, Phobien oder Tics etc. vorstellen? Was dann übrig bliebe, wäre doch wohl ein Bild, wie es gelegentlich Politiker vor der Kamera abgeben, immer lächeln und die Treppenstufen im Sprung nehmen. Ich glaube, hier wird ein Menschenbild entworfen, das von keiner psychischen Realität einzulösen ist. Und um ein Detail herauszunehmen: wenn es außerhalb seines künstlerischen Genies etwas gibt, um das ich Rilke beneide, dann ist es sein Schlaf, der von Gottes Gnaden gewesen sein muß.Über Rilke heißt es unter anderem: "Starke Hemmungen, zwangsneurotische Haltung. (...) Ängste, Phobien, Obsessionen, Schlaflosigkeit, Schwindel, Tic." Also war Rilke eine zwanghafte Persönlichkeit. "Seine Hyperästhesie wie seine Gefühlsstumpfheit sind Erscheinungen derselben inneren Haltung: seiner passiven Ichbezogenheit." Also schizoid.
Und damit will ich es gut sein lassen.
Gruß, helle