Freud und Rilke

Allgemeine Fragen zu geistigen Interessen

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Astrid
Beiträge: 43
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Freud und Rilke

Beitrag von Astrid »

Hallo,

ich sehe gerade abends in 3sat die Reihe über S. Freud. Haben sich Freud und Rilke persönlich gekannt ? Nachdem Lou mit Freud eng befreundet war, ist das doch ziemlich naheliegend ?!

Astrid :lol:
Renée
Beiträge: 145
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Freud und Rilke

Beitrag von Renée »

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Hallo Astrid,

hoffentlich hast Du nicht inzwischen aufgegeben, auf Antwort zu warten und ich schreibe nun ins Leere:

Also, Rilke ist Freud mehrfach begegnet, zuerst bei Sitzungen des "psychoanalytischen Congresses" im Herbst 1913 in München. Er begleitete Lou Andreas-Salomé, die am 8.September schrieb: "Ich freute mich Rainer Freud zu bringen und sie gefielen sich und wir blieben noch zusammen, auch abends bis sehr spät nachts" (Chronik S. 439/40?

Während er in Wien 1916 zum Militär einberufen war, besuchte Rilke auch Freud. Dieser schreibt am 27.7.16 an Lou A-S., als Rilke schon wieder in München ist: Rilke "hat uns in Wien deutlich genug zu erkennen gegeben, daß 'kein ewger Bund mit ihm zu flechten' ist. So herzlich er bei seinem ersten Besuch war, es ist nicht gelungen, ihn zu einem zweiten zu bewegen." Rilke hatte Freud im Dezember 1915 besucht, (Chronik, S.538)

Schon früher hatte Rilke eine psychoanalytische Behandlung für sich abgeleht mit der Begründung, man werde mit den Teufeln auch seine Engel womöglich austreiben...

Das wärs, Gruß Renée
Astrid
Beiträge: 43
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Beitrag von Astrid »

Hallo, Renèe,

Danke - das ist eine sehr wichtige Information. Kann es sein, dass Rilke grundsätzlich alles Neue und Undurchschaubare ablehnte ?

Astrid :lol:
um0815
Beiträge: 4
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Beitrag von um0815 »

Rilke hat mehr als Recht gehabt.
Noch immer gibt es die Analyse oder auch die darauf beruhende "Tiefenpsychologie".
Diese ist wissenschaftlich schon lange überholt,- nur weil viele Ärztevertreter -
und damit die kassenärztliche Vereinigung, aus kommerziellen Gründen ihr noch die Treue halten, gibt es sie noch.
Ich bin selber als Psychotherapeut tätig und immer wieder erschüttert, mit welcher Arroganz solche Therapeuten ergebnislos, oder die Symptomatik verschlechternd,, die Versichertengemeinschaft schädigen.

Grüße
Uwe
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lilaloufan
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Beitrag von lilaloufan »

Hallo @um0815 und in die Runde,

es ist sogar noch schlimmer – in zweierlei Hinsicht:

Erstens war die Psychoanalyse nie „Wissenschaft“, sondern immer ausgedachtes System von Annahmen – von abstrusen Schein-Erklärungskonstrukten für immerhin sehr gut Beobachtetes. R. Steiner, ein Zeitgenosse Freuds, nannte sie «Dilettantismus im Quadrat». Dass die Psychoanalyse mancherlei Tabus des angeblich Unerkundbaren brach, hat ihr in den revolutionsgeneigten Zeiten viel intellektuelle Sympathien eingetragen, auch im Umkreis Rilkes. Aber Rilke hat stark empfunden, dass sie sein „Nirgends wird Welt sein als innen“ nur wie von der Schattenseite des seelischen Lebens her erahnt und daher nie in einer das Denken befriedigenden Weise würde einlösen können. Also, dass sie nur Surrogate anbieten kann, dem Patienten wie der Kulturwelt.

Den Patienten führt sie in die Verunsicherung, die sie nach dreißig Jahren Therapie zu heilen vorgibt: Denn ihre Trance-Methodik orientiert ihn zum diffusen Unterbewussten hin („freie“ [sic!] Assoziation) statt zur Steigerung klarer und klärender Bewusstseinstätigkeit ins Überbewusste.

Aber das Zweite ist, dass sie zugleich auch mit der Kulturwelt selbst eine zynische Eulenspiegelei ohnegleichen betreibt. Was bleibt bei psychoanalytischen Kunstdeutungen noch übrig vom Genius künstlerischer Inspiration, wenn alle Werke reduziert werden darauf, sie seien Ausdruck sublimierter sexueller oder aggressiver Regungen vor dem Hintergrund einer Trieb- und Bedürfnisbiographie?

Rilke dagegen war es ein existenzielles Anliegen seines Dichterseins, dass sich der „Bereich des Künstlerischen“ nicht aus Niederem, Instinktivem, ungeläutert Persönlichem, nähre: „…dass ein Ding zur Kunst wird, liegt an seinem höheren, die Dinge des Gebrauchs oder die Ausdrücke des Umgangs, kraft seiner Natur, übertreffenden Schwingungsgrad, als dessen sekundäre Folge erst die Absicht auftritt, einer solchen, das Vergängliche und – no gesprochen – Private übersteigenden Gestaltung eine Situation zu schaffen, in der sie bleibender und gewissermaßen weltischer dauere und überlebe.“, schreibt er am 23.III.1922 an Rudolf Bodländer. [Hervorh. underline: RMR; Hervorh. bold: lilaloufan]


Manche meiner ehemaligen KollegInnen hätten mich für dieses Posting ausgepeitscht…
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
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