Religiöses Rilke

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annaliisa

Religiöses Rilke

Beitrag von annaliisa »

HALLO!
ich interessiere mich fur Rilkes religiöse/christliche Gedichte. Ich habe schon das Gedicht "Ich finde dich in allen diesen Dingen" interpretiert und meiner Meinung ist der Inhalt pantheistisch, nicht christlich. Jetzt bearbeite ich das Gedicht " Ich liebe dich du sanftestes Gedicht" und es könnte sogar christlich sein. Was meint ihr? Findet ihr Rilkes Lyrik christlich? MfG Annaliisa[/b]
Freudenkind

Beitrag von Freudenkind »


Liebe Annalisa!
Wenn Du möglichst viel von ihm gelesen hast, seine Gedichte, Romane, Briefe, klingt da nicht überall eine gewisse Weite zu Dir, fein und still, mehr wie der reine Hauch einer nicht in Worte faßbare Deutung? Wieso glaubst Du, ist das so? Ein wunderschöner Schritt in klarere Sicht mag Dir Rilke in seinem Vermächtnis selbst geben. Er schreibt in einem Brief, es gäbe 2 Arten von Büchern, die er ständig bei sich hat, das eine ist die Bibel, und dann wären da noch die Bücher von Jens Peter Jacobson.....Die Novellen kenne ich nicht, aber den Roman "Niels Lyhne" und da erfährst Du viel über Deine Fragen........Aber findest Du nicht überall Hinweise, sieh Dir mal den Panther an, wie er ihn Dir ins Gedächtnis meißelt, ein Gedicht , das Dich , wenn Du sensibel bist , des Menschheits Augenblick in Panthers Augen sehen läßt, selbst Dich aus seinen schwarzen, tiefen Seelenfenstern auf die Stäbe blinder Menschen blicken läßt....................................Sieh immer offen in die Welt, überall strahlt esdurch wie ein tiefes Gesetz
Liebe Grüße Dieter
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lilaloufan
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Beitrag von lilaloufan »

Weißt du Annalisa, noch mehr als in manchen Gedichten - wo du beispielsweise in Bezug auf das Stundenbuch die Pantheïsmus-Frage aus für mich verstehbaren Gründen stellst, wenngleich ich diese Sammlung auch als zutiefst christlich ansehe - offenbart sich Rilkes religiöse Haltung in manchen Briefen. Besonders da, wo Rilke betont, dass es nicht der von den Konfessionen beschlagnahmte Christus ist, der ihn berührt, der ihm aber als ein bejammerter und bewehklagter Gott unglaubwürdig und widerwärtig ist, erweist sich Rilke aus meiner Sicht als zutiefst durchchristet in seiner Wahrnehmungsweise und Denkart.
Ehe ich dir das erläutern wollte, möchte ich fragen, ob deine Frage für dich nach so langer Zeit noch von Bedeutung ist. Und ein wenig auch, aus welchem Kontext sonstiger Fragen heraus sie dich bewegt. Nicht, um auf Intimes im Leben deiner Ideale neugierig zu werden, sondern einfach daher, weil ich ja nicht weiß, woran du das Christliche bemessen willst und was dir als untrüglich „christlich“ gilt. Christentum findet für mich höchsten Ausdruck im „Stirb und Werde“, nicht in katechisierbaren Bekenntnisformeln. Dieses Verwandeln des Lebens hat Rilke nicht nur biografisch wahrgemacht, sondern auch in seinem Werk bildkräftig-imaginativ seiner Leserschaft zur Verfügung gestellt - wie gesagt: meiner laienhaften Kenntnis nach vor allem in Briefen.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
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