...wie eine Kerze brennte bei fremden Leuten....

Rilke-Texte gesucht und gefunden

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Henny
Beiträge: 2
Registriert: 7. Dez 2008, 17:11

...wie eine Kerze brennte bei fremden Leuten....

Beitrag von Henny »

Hallo, ich kenne das Gedicht fast auswenig, es ist eines der frühen , aber ich weiß den Titel nicht und hätte eben auch gern das ganze Gedicht in meinem Kopf anstatt dieser "Brösel":
nur alles sehen und zittern und nichts deuten...
...so hell als möglich eine Weile brennen,
wie eine Kerze brennt bei fremden Leuten....

Meine Freundin hat Ihre Rilke Gesamtazusgabe durchgesucht, ich meine zwei Bände mit Rilke Gedichten ( ich war sicher da ist es drin!) Bitte, helft mir: wie heißt das Gedicht?
Besten Dank und auch vielen Dank für diese Webseiten
Henny
Beiträge: 2
Registriert: 7. Dez 2008, 17:11

Re: ...wie eine Kerze brennte bei fremden Leuten....

Beitrag von Henny »

Hallo, ich bin selbst ein bisschen weiter gekommen. Ich fand zu diesem Gedicht die Referenz "Rodin II, SW III, 766" Ich fand auch die lertzten Zeilen:
"Und das ist leben: nichts und keinen kennen,
nur alles sehn und zittern und nichts deuten,-
so hell als möglich eine Weile brennen,
wie eine Kerze brennt bei fremden Leuten"

Ich habe gelesen, diese Zeilen seien im Kontext von Rilkes Aufenthalt in Paris zu sehen, als er mit der Rodin Monographie beschäftigt war (1902?). Es drücke das Lebensgefühl des Neuankömmlings in Paris aus, der nur schlecht französisch sprach.

So- ich weiß realtiv viel, aber ich habe immer noch nicht das ganze Gedicht gefunden.
Bitte- jemand wird es doch wohl kennen. Wie heisst es?
stilz
Beiträge: 1226
Registriert: 26. Okt 2004, 10:25
Wohnort: Klosterneuburg

Re: ...wie eine Kerze brennte bei fremden Leuten....

Beitrag von stilz »

Liebe Henny,

Du weißt wirklich "relativ viel" inzwischen :wink: - ich kenne das Gedicht leider nicht, aber Deine Referenz "(Rodin II, SW III, 766)" bedeutet doch sicherlich: Das Gedicht heißt "Rodin II" (einen Hinweis darauf fand ich auch in Ingeborg Schnacks Rilke-Chronik: "21. November 1902: R. trägt für Clara zu ihrem Geburtstag die beiden Gedichte "Rodin" (I und II) in das Buch ein: Gustave Geffroy "La vie artistique" Paris 1893. Die Studie ist vom Verfasser Rodin gewidmet und enthält den von R. für seine eigene Darstellung benutzten Aufsatz über Rodin und sein Werk. R. wendet sich mit den Gedichten: "An Clara. Die liebe Mutter. Den Künstler. Die Freundin. Die Frau".)
Und zu finden ist es wohl im Band III der "Sämtlichen Werke", auf Seite 766...

Leider hab ich die "Sämtlichen Werke" nicht, sonst hätte ich es Dir gern abgetippt...

Viel Erfolg weiterhin beim Suchen/Finden!

Ingrid
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
sedna
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Re: ...wie eine Kerze brennte bei fremden Leuten....

Beitrag von sedna »

RODIN (Paris, 21. November 1902)

I
Des Meisters Leben geht von uns so fern,
als wär es schon in Mythen umgewandelt;
wir fühlen nur die Dinge, die er handelt,
— und nicht ihn selbst: wir haben keinen Herrn.

Wir sind allein und weit an einer Stelle,
wo längst der Strom dem Brückenmaß entwuchs,
uns redet, was vorübergeht: die Welle,
die leise Stimme eines fernen Buchs;

Erinnerung und Zukunft spricht und schweigt.
Wir aber müssen uns daran gewöhnen,
daß sich uns auf dem weiten Weg zum Schönen
der seltne Freund nur aus den Fernen zeigt,
darin er einsam ist mit Tönen.


II
Des Meisters Weg ist dunkel, als verlöre
Er sich am Anfang einer alten Zeit.
Mir ist, als ob ich seine Einsamkeit
wie man ein Meer bei Nacht hört — rauschen höre.
Wo kam er her? Wer sagts? Er kam von weit.

Und wir? weißt du es denn woher wir stammen?
Oh, unsre Wege sind wie Nacht und Wald.
Wer weiß, woher wir sind, wie reich, wie alt?
Und unsrer Lampen scheue schwache Flammen
erhellen nicht mal die Gestalt —

Viel weniger des Weges langen Lauf. —
Und das ist leben: nichts und keinen kennen,
nur alles sehn und zittern und nichts deuten, —
so hell als möglich eine Weile brennen
wie eine Kerze brennt bei fremden Leuten.

(In: RMR, Briefe aus den Jahren 1902 bis 1906. Leipzig: Insel Verlag 1929, S.55-56)

sedna
die ein ausbrechendes Lied in die Unsichtbarkeit wirft!
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