Rilkes Eichhorn

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Gast

Rilkes Eichhorn

Beitrag von Gast »

Hallo,
ich bin schon ganz verzweifelt . Ich suche Rilkes Gedicht über Eichhörnchen (oder über ein Eichhorn ?) . Es soll sehr bekannt sein , aber ich kann es nirgends finden . Bitte, kann mir hier jemand helfen ???
Danke schon mal!
Viele Grüße von Sterny :lol:
gliwi
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Beitrag von gliwi »

Eichhorn? Schätze, du meinst das Einhorn! Da gibt es ein bekanntes Gedicht, über Eichhörnchen hat er meines wissens nie geschrieben.
Gruß gliwi
Thilo
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Hier das Gedicht

Beitrag von Thilo »

Hallo,
Hier das Gedicht "Das Einhorn". Ihr findet es bei rilke.de unter folgendem Link: http://www.rilke.de/gedichte/das_einhorn.htm

Viele Grüße,
Thilo

Das Einhorn

Der Heilige hob das Haupt, und das Gebet
fiel wie ein Helm zurück von seinem Haupte:
denn lautlos nahte sich das niegeglaubte,
das weiße Tier, das wie eine geraubte
hülflose Hindin mit den Augen fleht.

Der Beine elfenbeinernes Gestell
bewegte sich in leichten Gleichgewichten,
ein weißer Glanz glitt selig durch das Fell,
und auf der Tierstirn, auf der stillen, lichten,
stand, wie ein Turm im Mond, das Horn so hell,
und jeder Schritt geschah, es aufzurichten.

Das Maul mit seinem rosagrauen Flaum
war leicht gerafft, so daß ein wenig Weiß
(weißer als alles) von den Zahnen glänzte;
die Nüstern nahmen auf und lechzten leis.
Doch seine Blicke, die kein Ding begrenzte,
warfen sich Bilder in den Raum
und schlossen einen blauen Sagenkreis.

Aus: Neue Gedichte (1907)
Harald
Beiträge: 230
Registriert: 28. Dez 2005, 23:47

Re: Rilkes Eichhorn

Beitrag von Harald »

Rilke hat 1900 einen sehnsüchtigen Brief an Lou Andreas Salome geschrieben, in dem sich Eichhörnchen tummeln. Man muss nur Google mit "Weißt Du, ich habe Dir oft erzählt von meinen Eichhörnchen" füttern.
... und Anfang glänzt / an allen Bruchstelln unseres Mißlingens
sedna
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Registriert: 3. Mai 2010, 14:15
Wohnort: Preußisch Sibirien

Re: Rilkes Eichhorn

Beitrag von sedna »

Über wieder andere Eichhörnchen schreibt Rilke an Lou schon am 8. September 1897:

"Ich folgte dem leisen Weg und er leitete mich dorthin, wo Eichhörnchen durch Moos und Morast schnellten und alles ringsum sein leises intimes Freuen und Regen hatte! Und heute gabs keine Flucht im Allerheiligsten, trotzdem das morsche Laub sich quälte unter meinem scheuen Schritt. Ein Specht klopfte ganz behaglich, wie ein kluger Arzt seine Fichte ab und schien sie gesund zu finden, große Vögel blieben auf moosigen Baumstümpfen und ertrugen meinen Blick und die Eichkätzchen schlüpften ohne Schrecken in gewohnter heiterer Hast durch die dichten Äste."

In dem Augenblick, als ich diesen Brief im Garten gelesen habe, klopfte ein Specht den alten Apfelbaum ab und fand ihn krank, auf einem Baumstubben hockte zugleich ein Eichelhäher herum und die Eichhörnchen in den Fichten taten sowieso tagtäglich genau so, wie Rilke es beschreibt. Ich finde kaum Worte dafür, wie ungeheuerlich mir diese Entsprechung während der Lektüre vorkam und wie gern ich mich daran erinnert sehe.

sedna :D
die ein ausbrechendes Lied in die Unsichtbarkeit wirft!
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