Hallo Freunde,
im Internet fand ich eine schöne englische Übersetzung der Rosenschale, jedoch habe ich Bedenken über das Verstehen der folgenden Verse (cca in der Mitte des Gedichtes) und deren Interpretation - mir scheint, daß drinnen es dunkel ist, nicht licht. Wie bitte lesen es Deutsche im Original?
And this above all: that through these petals
light must make its way. Out of one thousand skies
they slowly drain each drop of darkness
so that this concentrated glow
will bestir the stamens till they stand.
The rose is a distilling eye. It gathers light and filters it until the concentration is powerful and pure, until its stamens become erect.
Die Rosenschale - eine englische Übersetzung
- lilaloufan
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Re: Die Rosenschale - eine englische Übersetzung
Von William H. Gass stammt diese Übersetzung. Am Ende wird aus:
l.
- …Und jene da, die nichts enthält als sich.
—
Und sind nicht alle so, nur sich enthaltend,
wenn Sich-enthalten heißt: die Welt da draußen
und Wind und Regen und Geduld des Frühlings
und Schuld und Unruh und vermummtes Schicksal
und Dunkelheit der abendlichen Erde
bis auf der Wolken Wandel, Flucht und Anflug,
bis auf den vagen Einfluss ferner Sterne
in eine Hand voll Innres zu verwandeln.
- And there — that one's holding nothing but itself.
—
And aren't they all that way? just self-containing,
if self-containing means: to transform the world
with its wind and rain and springtime's patience
and guilt and restlessness and obscure fate
and the darkness of evening earth and even
the changing clouds, coming and going,
even the vague intercession of distant stars,
into a handful of inner life.
- Und dies vor allem: dass durch diese Blätter
das Licht hindurch muss. Aus den tausend Himmeln
filtern sie langsam jenen Tropfen Dunkel,
in dessen Feuerschein das wirre Bündel
der Staubgefäße sich erregt und aufbäumt.
l.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
Re: Die Rosenschale - eine englische Übersetzung
Lieber Rastislav,
es scheint mir wirklich eine sehr schöne Übersetzung zu sein!
Allerdings gebe ich Dir recht - sie hat einen Fehler; ich hebe die betreffenden Stellen hervor:
Und "filtern": jedes Sieb kann man natürlich von zwei Seiten ansehen: etwas bleibt, sozusagen "gereinigt", drin, und etwas anderes wird "weggefiltert". Wie beim "Goldwaschen".
Bei Rilke scheint es mir um einen einzigen "Tropfen Dunkel" zu gehen, der gewonnen ist aus den tausend Himmeln, und um seinen (dieses Tropfens) "Feuerschein".
Also vielleicht so:
... Out of the thousand skies
they slowly filter that single drop of darkness
in whose fiery glow the mazy bundle
of stamens is stirring up and prances.
(aus "one thousand" mache ich wieder "the thousand": es geht nicht um eintausend Himmel, erwählt aus allen, die es gibt; sondern es geht um die "tausend" Himmel, die es gibt...)
Herzlichen Gruß
stilz
P.S.: Oh - ich sehe, lilaloufan hat inzwischen gepostet; danke für Gass! Seeehr schön!
Aber ich rätsele ein wenig über die beiden Prosa-Passagen, einerseits "distilling eye", andererseits "Isn't the rose an eye" ... ??? In meinem Gedichtband findet sich in der ganzen "Rosenschale" keine Zeile, die sich so übersetzen ließe. Inwiefern gehört das dazu?
Abgesehen von diesem für mich ein wenig Rätselhaften finde ich diese Zeile ganz wunderbar:
Isn't the rose an eye by which coincidence of light and darkness can appear?
es scheint mir wirklich eine sehr schöne Übersetzung zu sein!
Allerdings gebe ich Dir recht - sie hat einen Fehler; ich hebe die betreffenden Stellen hervor:
- Und dies vor allem: daß durch diese Blätter
das Licht hindurch muß. Aus den tausend Himmeln
filtern sie langsam jenen Tropfen Dunkel,
in dessen Feuerschein das wirre Bündel
der Staubgefäße sich erregt und aufbäumt.
And this above all: that through these petals
light must make its way. Out of one thousand skies
they slowly drain each drop of darkness
so that this concentrated glow
will bestir the stamens till they stand.
Und "filtern": jedes Sieb kann man natürlich von zwei Seiten ansehen: etwas bleibt, sozusagen "gereinigt", drin, und etwas anderes wird "weggefiltert". Wie beim "Goldwaschen".
Bei Rilke scheint es mir um einen einzigen "Tropfen Dunkel" zu gehen, der gewonnen ist aus den tausend Himmeln, und um seinen (dieses Tropfens) "Feuerschein".
Also vielleicht so:
... Out of the thousand skies
they slowly filter that single drop of darkness
in whose fiery glow the mazy bundle
of stamens is stirring up and prances.
(aus "one thousand" mache ich wieder "the thousand": es geht nicht um eintausend Himmel, erwählt aus allen, die es gibt; sondern es geht um die "tausend" Himmel, die es gibt...)
Herzlichen Gruß
stilz
P.S.: Oh - ich sehe, lilaloufan hat inzwischen gepostet; danke für Gass! Seeehr schön!
Aber ich rätsele ein wenig über die beiden Prosa-Passagen, einerseits "distilling eye", andererseits "Isn't the rose an eye" ... ??? In meinem Gedichtband findet sich in der ganzen "Rosenschale" keine Zeile, die sich so übersetzen ließe. Inwiefern gehört das dazu?
Abgesehen von diesem für mich ein wenig Rätselhaften finde ich diese Zeile ganz wunderbar:
Isn't the rose an eye by which coincidence of light and darkness can appear?
Zuletzt geändert von stilz am 17. Jun 2010, 14:12, insgesamt 1-mal geändert.
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
Re: Die Rosenschale - eine englische Übersetzung
Hallo Stilz,
mein Dank für Deine Antwort.
Mit dem "Tropfen Dunkel" sehe ich es genauso.
Erlaube bitte noch eine Frage zu dem letzten Vers:
Was stellt sich ein Deutscher vor, wenn er da liest, daß das Bündel der Staubgefäße sich e r r e g t - daß sich die Staubgefäße bewegen, oder vielmehr daß sie aufgeregt - also innerlich gerührt - werden? (Hoffentlich wählte ich die richtigen Wörter).
mein Dank für Deine Antwort.
Mit dem "Tropfen Dunkel" sehe ich es genauso.
Erlaube bitte noch eine Frage zu dem letzten Vers:
Was stellt sich ein Deutscher vor, wenn er da liest, daß das Bündel der Staubgefäße sich e r r e g t - daß sich die Staubgefäße bewegen, oder vielmehr daß sie aufgeregt - also innerlich gerührt - werden? (Hoffentlich wählte ich die richtigen Wörter).
Re: Die Rosenschale - eine englische Übersetzung
Lieber Rastislav,
also, ich bin zwar nicht Deutsche, sondern Österreicherin, aber natürlich ist Deutsch meine Muttersprache, und so hast Du es ja wohl gemeint.
"sich erregt und aufbäumt", schreibt Rilke.
Das sind beides keine "ruhigen" Worte.
Ich persönlich assoziiere damit sexuelle Erregung: die Staubgefäße sind die männlichen Geschlechtsorgane der Rose.
Herzlichen Gruß!
stilz
also, ich bin zwar nicht Deutsche, sondern Österreicherin, aber natürlich ist Deutsch meine Muttersprache, und so hast Du es ja wohl gemeint.
"sich erregt und aufbäumt", schreibt Rilke.
Das sind beides keine "ruhigen" Worte.
Ich persönlich assoziiere damit sexuelle Erregung: die Staubgefäße sind die männlichen Geschlechtsorgane der Rose.
Herzlichen Gruß!
stilz
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
Re: Die Rosenschale - eine englische Übersetzung
Das hat Rilke gedacht:
"Das, was da so schön von der Pflanzenwelt gezeigt wird, wie sie kein Geheimnis macht aus ihrem Geheimnis, [...] dieses Bloßgelegtsein des Geheimnisses, das so durch und durch, so an jeder Stelle geheim ist, daß man es nicht zu verstecken braucht. Und vielleicht ist alles Phallische (wie vor-dachte ichs im Tempel von Karnak, denken konnt ichs noch nicht) nur eine Auslegung des menschlich heimlich-Geheimen im Sinne des offen-Geheimen in der Natur.
Ich kann das ägyptische Gott-Lächeln gar nicht erinnern, ohne daß mir das Wort 'Blütenstaub' einfällt."
(Brief an Lou Andreas-Salomé, 20. Februar 1914)
"Das, was da so schön von der Pflanzenwelt gezeigt wird, wie sie kein Geheimnis macht aus ihrem Geheimnis, [...] dieses Bloßgelegtsein des Geheimnisses, das so durch und durch, so an jeder Stelle geheim ist, daß man es nicht zu verstecken braucht. Und vielleicht ist alles Phallische (wie vor-dachte ichs im Tempel von Karnak, denken konnt ichs noch nicht) nur eine Auslegung des menschlich heimlich-Geheimen im Sinne des offen-Geheimen in der Natur.
Ich kann das ägyptische Gott-Lächeln gar nicht erinnern, ohne daß mir das Wort 'Blütenstaub' einfällt."
(Brief an Lou Andreas-Salomé, 20. Februar 1914)
die ein ausbrechendes Lied in die Unsichtbarkeit wirft!