Inhalt Liebes-Lied

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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Staffette
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Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von Staffette »

Guten Tag,

auch ich bin Schülerin und bräuchte eure Hilfe, auch wenn es euch bestimmt schon zum Hals raushängt.
Ich schreibe an einer Interpretaion zu Rilkes Liebes-Lied und muss dabei den Inhalt zusammenfassen. Jedoch habe ich enorme Probleme damit, da dies meine erste Interpretation ist.

Die "Inhaltszusammenfassung" habe ich nun fertiggestellt und wollte fragen, ob ich sie jemandem per pn schicken kann.
Ich weiß nämlich nicht, wie stark interpretierend diese schon ist und wollte gern eine 2. meinung einholen oder mehrere.
Zudem wollte ich eventuell noch kontakt für weitere kleine Fragen aufbauen!

Ich wäre dem/denjenigen sehr Dankbar!

Liebe Grüße,

Steffi
gliwi
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von gliwi »

Hallo Staffette,
Wir geben keine Prvatstunden. Vorschlag: Du gibst deine Interpretation hier ein, stellst eventuell Fragen dazu, und wer dann Lust hat, darauf einzusteigen, tut es.
Gruß
gliwi
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Staffette
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von Staffette »

Ich wollte keine Privatstunden. Ich hab mir nur gedacht, wenn ich meine Interpretation komplett hier veröffentliche, unterstütz ich genau dass, was ihr nicht wollt:Das dies Forum als interpretations-lieferstelle benutzt wird ;)
Trotzdem danke für die Antwort!
Henry Lou

Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von Henry Lou »

Liebe Staffette,

es ist für mich verwunderlich genug, daß Schüler oftmals mit schwersten Gedichten ohne konkrete Basis (Eckdaten, Hintergründe) ins Dunkel entlassen werden.
Deshalb, und vor allem um unnötiger Lyrikverdrossenheit entgegen zu wirken, gibt man hier, wie gliwi sagte, gerne Anregungen, die helfen könnten, Dein Ding „rund“ zu machen. Zu diesem solltest Du dann auch ohne weiteres (z.B. Einholen irgendwelcher Meinungen) stehen; es geht ja nicht um Leben und Tod, sondern um Deine eigene Annäherung an Rilke. Und die sollte Dir keinesfalls durch Hausaufgaben verbaut werden. Also, noch Fragen?

Ansonsten weiterhin viel Freude mit Rilke

Henry Lou
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lilaloufan
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von lilaloufan »

gliwi hat geschrieben:Wir geben keine Privatstunden. …
Ich wollte nicht darauf beharren, aber eine solche Abfuhr – so sehr die Aussage berechtigt ist, dass Privatissima eher erfolglos auf einem Forum gesucht werden – lässt in mir eine Frage aufleben, deren Reflexion hier einmal abgelehnt worden ist.

Wo war es noch: Hier.

Und hier hatte helle darauf Bezug genommen.

Es ist die Frage: Wer ist dieses „Wir“, hier?

Spricht die Moderatorin hier auch für mich? Bin ich, wenn ich hier ein paar Mal beigetragen habe, vereinnahmt zu einem Wir? Werde ich mit verantwortlich auch für eine solche Gebärde? Wer wird identifiziert werden als die Gruppe, für die gliwi spricht – die Top Five vielleicht?

Ich vertrete eigentlich meine An- und Absichten gerne selbst. Mit unerbetenen Wir-Äußerungen und gar mit Gemeinschafts-Beschwörungen habe ich leider die allerübelsten Erfahrungen gesammelt.

- - -

Na gut, das ist alles off topic.
Es soll nicht von Deinen, @Staffette, (noch nicht wirklich ausdrücklich gestellten) Fragen ablenken. Auf die ich mich freue.

Danke @Henry Lou für Deine einladende Geste. Deinem Beitrag mag ich mich anschließen.

Christoph
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gliwi
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von gliwi »

ja, das ist ein heikles Thema, und ich zögere auch bei jedem "wir", das ich hier loslasse. Also ich verstehe unter "wir" die paar Leute - die Namen zähle ich jetzt nicht auf -, die hier ziemlich regelmäßig vorbeischauen und sich aktiv an Diskussionen beteiligen. Ich glaubte, dass sich da ein gewisser Konsens zum Umgang mit Schülerfragen herausgebildet hätte. Ich bin in einem Forum ganz anderer Art, wo es eine entsprechende Vorrede an SchülerInnen gibt, in der festgelegt ist, wie in diesem Forum mit Hausaufgaben umzugehen ist. Setzt man sich darüber hinweg, löscht der nächstbeste Mod den Beitrag - was mich noch nie gehindert hat, dem Schüler etwas über pn zu schicken, wenn ich das für richtig hielt.
Wir können das Thema, wenn Bedarf besteht, gerne unter "Sonstiges" besprechen. Ich will niemandem Vorschriften machen, aber ein gewisser Konsens im "harten Kern" wäre vielleicht nicht schlecht? Muss aber nicht sein.
Gruß
gliwi
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stilz
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von stilz »

Liebe Steffi,
:D
wie Du siehst, ist es nicht so einfach, herauszufinden, was "wir wollen" bzw "nicht wollen". Wie schön, das wär nämlich ziemlich langweilig.
Ich gebe allen meinen Vorrednern irgendwie recht (und möchte noch meine Antwort erwähnen, die ich helle damals gegeben habe)...

Aber nun fürchte ich, daß "wir" (wer auch immer das ist) Dich erst recht "verschreckt" haben, und versuche daher, einfach nochmal zum Thema zurückzukehren.

Du meinst, nehme ich an, das Gedicht "Wie soll ich meine Seele halten..."
Bei diesem Gedicht finde ich die Aufgabenstellung, "den Inhalt zusammenzufassen", eigentlich seltsam. "Inhaltsangabe" - da erwarte ich sowas wie eine "Erzählfabel".
Ich wüßte nicht zu sagen, was die "Erzählfabel" im "Liebes-Lied" sein könnte.
Allenfalls könnte ich mir vorstellen, die "Situation" zu schildern - aber auch das ist schwierig, weil es ja keine nach außenhin sichtbare Situation ist, sondern etwas "Inneres"...
Und um etwas "Inneres" zu beschreiben, das den "Inhalt" eines Gedichts bildet... spielt da nicht schon der "Sinn" eine Rolle, also: wie ich das Gedicht verstehe?
Wie ich das Gedicht verstehe... das aber ist natürlich "Interpretation".

Ich glaube, ich begreife Dein Dilemma.
Es würde mich interessieren, was Du als "Inhaltsangabe" geschrieben hast. Schreib's doch einfach hier herein, muß ja nicht ausgefeilt sein, aber andeutungsweise.
Und nach allen Erfahrungen, die ich hier in diesem Forum bisher gemacht habe, kann ich sagen: ich glaube nicht, daß "wir" es Dir ganz einfach "verbessern" werden. Schon gar nicht in "allgemeingültiger" Weise. Sondern "wir" werden wohl alle miteinander darüber ins Gespräch kommen - das tun "wir" nämlich immer wieder sehr gern!

:lol:

Herzliche Grüße,

stilz (Ingrid)

P.S.: Und damit "wir" dann nicht wiederkäuen müssen, was in diesem Forum längst gesagt wurde zum "Liebes-Lied", empfehle ich Dir sicherheitshalber noch die Suchfunktion...
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joni
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von joni »

Hallo Steffi,
"Inhaltsangabe" finde ich auch seltsam. Was ist der Inhalt eines Liebesgedichtes? Ein Mensch liebt einen anderen. Wenn der das auch tut, ist das prima (Variante 1); ist das nicht so, ist das schrecklich und schmerzt (Variante 2). Variante 2 ist deutlich stärker verbreitet, weil man besser schreiben kann, wenn das Schicksal es schlecht mit einem meint. Jede Variante hat Unterkategorien. 2a wäre, weil es einfach nicht funkt, 2b weil der/die andere zwar wollen würde, aber nicht kann, weil gebunden und so. 2c weil ausprobiert und es nicht funktioniert hat und jetzt der Alleingelassene auch noch weiß, was er verloren hat. Drumherum Kulisse, Make-Up, special effects, "atmo".
Ich glaube, dass das Rilke-Gedicht die Variante 2b anspricht, weil der erste Satz (Vers 1 und 2) m.E. impliziert, dass lieben nicht geht, nicht-lieben aber von Seiten des lyrischen Ich auch nicht geht. Das ist für das lyirsche Ich darum so unschön, weil es meint, dass man unheimlich gut zusammenpasst und wirklich perfekt zusammen schwingen würde - wenn der andere es denn zulassen würde.
Ich bin mir noch nicht mal so ganz sicher, ob das wirklich der Inhalt ist (und habe nicht recherchieren wollen, wie das andere sehen). Und um das herauszufinden, ist vielleicht die Inhaltsaufgabe so gestellt, damit wir ((das ist hoffentlich ein unproblematisches wir ...)) uns damit beschäftigen?!
Stilz/Ingrid hat das Stichwort "Dilemma" gegeben, das bei mir etwas Abwegiges evoziert hat, nämlich einen Song bzw. ein Video auf Youtube, das "Dilemma" heißt: Nelly featuring Kelly Rowland
http://www.youtube.com/watch?v=8WYHDfJDPDc
Und das ist auch ein Liebes-Lied - und die beiden kommen auch nicht zusammen, können aber soulige Musik zusammen machen und auch ein paar nette Tanzschritte.
Das fände ich im Unterricht mal lustig als Vergleich; wie die Bildlichkeit des Gedichtes mit der des Videos zusammenpasst. Nicht so eine blöde Collage, wie sie oft als Deutschaufgabe gestellt wird - und dann ab und an hier als Frage auftaucht. (Mal nebenbei: Würden Musiklehrer ernsthaft eine Hausaufgabe stellen: Schreibe zu Mozarts Hornkonzert Nr. 3 ein Gedicht? Oder Kunstlehrer: Verfasse zu Dürers Hände eine Kurzgeschichte? Ich kapiere überhaupt nicht, wie jemand, der Gedichte schätzt (und das unterstelle ich Deutschlehrern) auf die Idee kommt, das von Schülern in eine anderes Feld übertragen zu lassen. Im besten Fall ist das dann ein Aspekt des Inhalts, ein genanntes Bild (Panther im Käfig und so), Entschuldigung, ich schwafle)
Besten Gruß an Steffi und die wir-Gang (wer immer das ist)
Der Joni
(Reinhard)
gliwi
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von gliwi »

Hallo Joni,
da bin ich baff. Schema aufgestellt, zwei Hammerschläge drauf, passt! Und es trifft erst noch zu! Aber jetzt muss ich doch meine Zunft mal wieder verteidigen: machen wir nichts Neues, hießt es: denen fällt auch nichts ein, die machen immer denselben alten Stiefel. Fällt aber jemand mal was Neues ein wie eben die Collagen, ist es auch wieder nicht recht. Dabei überträgt Döblin das Collagen-Bauprinzip sogar in den Roman.Also wir sollten da doch nicht zu ängstlich oder ehrfürchtig sein und ruhig mal Grenzen überspringen, meine ich.
Gruß
gliwi

p.s. Gerade fällt mir noch dazu ein, wie ein Kunstlehrer und Künstler an meiner früheren Schule beschrieben hat, wie er nach dem Krieg, als sich endlich in Deutschland kulturelle Fenster aufgetan haben, von der Musik Strawinskys und vom Jazz beispielsweise zu künstlerischem Schaffen inspiriert wurde.
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stilz
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von stilz »

joni hat geschrieben:(Mal nebenbei: Würden Musiklehrer ernsthaft eine Hausaufgabe stellen: Schreibe zu Mozarts Hornkonzert Nr. 3 ein Gedicht? Oder Kunstlehrer: Verfasse zu Dürers Hände eine Kurzgeschichte? Ich kapiere überhaupt nicht, wie jemand, der Gedichte schätzt (und das unterstelle ich Deutschlehrern) auf die Idee kommt, das von Schülern in eine anderes Feld übertragen zu lassen. Im besten Fall ist das dann ein Aspekt des Inhalts, ein genanntes Bild (Panther im Käfig und so)
Also, das möchte ich nun doch nicht so stehen lassen. Einmal ganz abgesehen davon, daß ich Musiklehrer kenne, die ihre Schüler zu verschiedenen Musikstücken tatsächlich etwas malen oder zeichnen lassen...
Du hast sicherlich oft recht, was die Lösung dieser Aufgabe betrifft: es wird eine Collage gemacht, die irgendwie auf den äußeren „Inhalt“ des Gedichtes Bezug nimmt.
Das bedeutet aber noch nicht, daß die Aufgabenstellung keinen Sinn hat.

Ich möchte vorausschicken: ich bin nicht Lehrerin an einer Schule.
Aber ich sehe in einer solchen Aufgabenstellung zwei sehr intessante Möglichkeiten. Die erste hab ich hier schon angedeutet – dabei geht es darum, das ausgewählte Gedicht als Teil eines ganz neuen Kunstwerks zu sehen, dessen Schöpfer man selber ist.

Die zweite Möglichkeit zielt nicht auf das schließlich erreichte äußerlich sicht- und benotbare Ergebnis, sondern darauf, was auf dem Weg zu einem solchen Ergebnis geschieht: will man ein Gedicht in ein anderes „Kunstmedium“ übertragen, muß man erst versuchen, die „Essenz“, das Wesen dieses Gedichtes sehr genau zu begreifen.
Ganz dasselbe gilt übrigens für jede Übertragung, also auch für die in eine andere Sprache.
Wenn ich zB Gedichte Rilkes ins Englische übersetze, dann geht es mir ja nicht darum, eine „gültige“ englische Fassung zu erarbeiten (sodaß jemand mit englischer Muttersprache es sich am Ende "ersparen" könnte, Rilkes Gedichte im Original zu lesen), sondern ich stelle damit mein Verständnis des Gedichtes dar (und erleichtere nebenbei einem nicht Deutschsprachigen den Zugang, hoffentlich, ohne sein Verständnis auf das meine einzuschränken... zu diesem Thema hab ich mir hier schon sehr ausführlich Gedanken gemacht...).

Insofern sehe ich in einer „Übertragung“ eigentlich eine auf den nonverbalen Bereich erweiterte Art der Interpretation.
joni hat geschrieben:Und um das herauszufinden, ist vielleicht die [...]aufgabe so gestellt, damit wir ((das ist hoffentlich ein unproblematisches wir ...)) uns damit beschäftigen?!
:D Genau.

Und nun noch zum "Inhaltlichen":
joni hat geschrieben:Ein Mensch liebt einen anderen. Wenn der das auch tut, ist das prima (Variante 1); ist das nicht so, ist das schrecklich und schmerzt (Variante 2). ... Jede Variante hat Unterkategorien. 2a wäre, weil es einfach nicht funkt, 2b weil der/die andere zwar wollen würde, aber nicht kann, weil gebunden und so. 2c weil ausprobiert und es nicht funktioniert hat und jetzt der Alleingelassene auch noch weiß, was er verloren hat. Drumherum Kulisse, Make-Up, special effects, "atmo"
Ich glaube, dass das Rilke-Gedicht die Variante 2b anspricht, weil der erste Satz (Vers 1 und 2) m.E. impliziert, dass lieben nicht geht, nicht-lieben aber von Seiten des lyrischen Ich auch nicht geht. ...
Ich bin mir noch nicht mal so ganz sicher, ob das wirklich der Inhalt ist (und habe nicht recherchieren wollen, wie das andere sehen).

Ich finde nicht, daß der erste Satz impliziert, daß Lieben "nicht geht".
Schon gar nicht, weil der andere es nicht will. Es könnte genausogut sein, daß das lyrische Ich selber es nicht will.
Aber ich finde wirklich nicht einmal, daß impliziert wird, daß Lieben "nicht geht".
Das lyrische Ich sucht nach anderen Möglichkeiten. Aus welchen Gründen auch immer.
Wenn ich etwas nicht will, bedeutet das ja noch lange nicht, daß es "nicht ginge".
Ganz gleich, wie "schön" oder "angenehm" oder "bequem" etwas wäre: ich kann immer auch versuchen, mich dagegen zu entscheiden.
Und so komme ich, mindestens, noch zu "Variante 3": das Lyrische Ich möchte nicht "gefangen" oder "getrieben" sein, sondern frei...

Herzlichen Gruß
Ingrid (stilz)
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
joni
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von joni »

Hallo Gliwi, hallo Stilz,
ich bin selber ab und an Deutschlehrer, Hobbylehrer, weil ich das so gerne mache und weil am örtlichen Dom-Gymnasium manchmal eine Schwangerschaftsvertretung gesucht wird und kein anderer zur Verfügung steht. Von daher habe ich schon eine gewisse Innensicht. Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass ich neue und kreative Zugänge zu Gedichten oder einen anderen, spielerischen Zugang ablehne, habe ich mich total falsch ausgedrückt. Im Gegenteil. Ich schätze alle Kollegen, die sich viel Mühe machen bei der Suche, Sprache in "Echtzeit", in der Sprachwirklichkeit der Schüler zu behandeln, mit Gedichten experimentieren. Solche Lehrer machen lieber eine längere Unterrichtseinheit über SMS- und E-Mail-Sprache, behandeln lieber Deutsche Songs im Unterricht als die überflüssige dialektische Erörterung (die es in der rhetorischen Wirklichkeit schon lange nicht mehr gibt).
Es wäre vermessen und völlig unsinnig zu behaupten, dass Literatur nicht auch die bildende Kunst oder die Musik anregen dürfte oder umgekehrt. Aber ich habe den Eindruck, dass diese Collagen-Geschichte nicht funktioniert, weil das Eigentliche des Gedichts eben ein sprachlisches Phänomen ist und die Story des Gedichts eben nur die Hardware. Egal in welche Richtung: Natürlich kann man zur Moldau einen Fluss (oder eine Hochzeit oder was) malen und natürlich ist das bei der ganzen Programmmusik naheliegend, aus B Birne zu machen. Und die hier intensiv geführte Diskussion, ob die Dinggedichte Dinggedichte sind, zeigt ja die gleiche Problematik.

Zusätzlich dazu glaube ich, dass die Schüler sich nicht trauen, das, was sie nach gehöriger Auseinandersetzung aus dem Gedicht herauslesen, in einem bildnerischen Ausdruck umzusetzen würden und könnten. So, wie sich Schüler meist nicht trauen, etwa eine Eröterung zum Thema "Handys - ja oder nein" wirklich ehrlich zu bearbeiten, sondern das schreiben, was sie meinen schreiben zu müssen um eine gute Note zu bekommen, so würden Sie sich eher irgendeinen Gemeinplatz aussuchen, von dem sie vermuten, dass er passt, als einen kreativen Transfer zu leisten und sich aufs Glatteis zu begeben. Ein konstruiertes Beispiel: Das Bild von den Musiksaiten, die zusammen schwingen, hat ja auch eine erotische Komponente. Im Schwäbischen ist "geigen" auch "miteinander schlafen" (etwa in Günter Herburgers Gedicht, Schwäbische Liebe, "... such dir ne andre zum geige". Ich finde das auch gar nicht so abwegig, wenn ein Schüler das thematisieren würde - auch wenn ich es nicht teilte. Vgl. etwa
http://www.fotocommunity.de/search?q=sa ... ay=6064455
Aber das macht doch keiner ...
Ich mag Beethoven nicht, nie gemocht. Das was viele an seiner Musik so heroisch und groß finden, finde ich laut, aufdringlich, zu viel Effekt über Lautstärke und Orchestrierung. Wenn ich als Schüler eine Collage zu Beethovens 5. oder 9. hätte machen müssen, hätte ich doch niemals eine lärmende Demonstration dargestellt, oder Lautsprecher in einem Rammstein-Konzert!

Hast du da andere Erfahrungen gemacht, Gliwi?

Was funktioniert - und da habe ich auch schon ein paar U-Stunden mit gemacht - ist eine Übertragung innerhalb der Sprache und das gehört dann elementar zum Deusch-Unterricht. Was muss man mit einem Gedicht machen, damit ein Song daraus wird? Was wäre beim "Liebes-Lied" die "Hookline", was würde in einem Refrain stehen? Mache aus dem Gedicht einen SMS-Dialog! Schreibe einen Tagebucheintrag, der eine fiktive Hintergrundgeschichte zu dem Gedicht herstellt!
Ich stimme dir, Ingrid, auch zu, dass es natürlich super wäre, wenn ein Schüler sein eigenes Kunstwerk schaffen würde, aber das entspricht nicht der Erwartungshaltung der meisten Lehrer - du sagst es ja am Ende selbst ("Ich habe leider keine Ahnung, wie ein solches Herangehen bei Deinem Lehrer ankommt (und fürchte ein wenig, er könnte dennoch eine bloße Illustration von Euch erwarten").

Zu Ingrids inhaltlichen Einwendungen kann ich nicht viel entgegen, weil ich ihre Sichtweise nachvollziehen, gleichwohl nicht teilen kann. Zur Unterstützung meiner Lesart kann ich nur anmerken, dass die direkte Ansprache " ... daß / sie nicht an deine ..." usw. mir stärker dialogisch erscheint. Ingrids Ansatz wäre ja eher selbstbezogen, wie ein Monolog, der dann heißen müsste "... daß / sie nicht an ihre" usw.
stilz hat geschrieben:Und so komme ich, mindestens, noch zu "Variante 3": das Lyrische Ich möchte nicht "gefangen" oder "getrieben" sein, sondern frei...
Auch hier halte ich es für möglich, dass es so ist, wie Ingrid es schreibt, aber es ist für mich eine Unterstellung zu viel. Dann würde das lyrische Ich, das m.E. sein unfreies In-das-Instrumt-gespannt-Sein durchaus als positiv empfindet, seine Ambiguität von Freiheitsdrang und dem entgegengesetzter Liebesvereinigung nur (leicht böse gesprochen) maskieren.

Ich lese die ersten beiden Sätze als Antworten auf eine eindeutige Absage der Geliebten (und das entspricht dem von mir vielleicht zu stark empfundenen Trennungs-Klischee): "Kannst du deine Liebe nicht einer anderen zuwenden? Muss sich denn ständig alles um mich drehen?". Es scheint mir einfach naheliegender als eine willentliche Liebes-Preisgabe. Aber das Naheliegende ist ja nicht immer das, was zählt.

Gruß
Reinhard
joni
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von joni »

Kleiner Nachtrag.
Ich las meine Beitrag gerade erneut und finde, dass ich gelegentlich so harsch rüberkomme. Dafür muss ich mich entschuldigen. Es ist einfach nur ungelenk und im Eifer und mit Schnelligkeit so wenig vermittelnd geschrieben - aber nicht so gemeint. Ich polarisiere schnell, weil mir das dann deutlicher erscheint - möchte aber niemandem damit auf die Füße treten. Ich bitte mir das nachzusehen und/oder auch zurückzuschießen!
Herzlichen Gruß
Der Joni (Reinhard)
stilz
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von stilz »

Lieber Reinhard,

:D also, für mich war es nicht zu "harsch", und keine Sorge, ich wäre auch fähig "zurückzuschießen", wenn ich das für nötig hielte.

Zuerst zum "Inhaltlichen":
Du sagst, in meiner "Variante 3" findest Du "eine Unterstellung zuviel"... nun, da möchte ich doch anmerken, daß diese Variante mit dem auskommt, was tatsächlich im Text steht, während Deine Varianten sozusagen "dazuerfinden", daß das "Du" dem lyrischen Ich, aus welchen Gründen auch immer, einen Korb gegeben hat...
Ich behaupte ja auch nicht, daß diese "Variante 3" (der ich persönlich, das gestehe ich, den Vorzug gebe) die allein "richtige" Lesart ist. Ich möchte nur dafür plädieren, diese Möglichkeit des Verständnisses offen zu halten. Selbst wenn sie manchem nicht "naheliegend" erscheint. Denn wie Du ja auch sagst: das Naheliegende ist nicht immer das, was zählt...
Und ich finde ja auch Belege, die für diese Lesart sprechen, in vielem, was Rilke an anderen Stellen über die Liebe sagt.
So, wenn er an Kappus schreibt (Hervorhebungen von mir):
Rilke hat geschrieben:Dieser Fortschritt wird das Liebe-Erleben, das jetzt voll Irrung ist [...], verwandeln, von Grund aus verändern, zu einer Beziehung umbilden, die von Mensch zu Mensch gemeint ist, nicht mehr von Mann zu Weib. Und diese menschlichere Liebe (die unendlich rücksichtsvoll und leise, und gut und klar in Binden und Lösen sich vollziehen wird) wird jener ähneln, die wir ringend und mühsam vorbereiten, der Liebe, die darin besteht, daß zwei Einsamkeiten einander schützen, grenzen und grüßen.
Und das noch: Glauben Sie nicht, daß jene große Liebe, welche Ihnen, dem Knaben, einst auferlegt worden ist, verloren war; können Sie sagen, ob damals nicht große und gute Wünsche in Ihnen gereift sind und Vorsätze, von denen Sie heute noch leben? Ich glaube, daß jene Liebe so stark und mächtig in Ihrer Erinnerung bleibt, weil sie Ihr erstes tiefes Alleinsein war und die erste innere Arbeit, die Sie an Ihrem Leben getan haben.
Das:
joni hat geschrieben:Dann würde das lyrische Ich, das m.E. sein unfreies In-das-Instrumt-gespannt-Sein durchaus als positiv empfindet, seine Ambiguität von Freiheitsdrang und dem entgegengesetzter Liebesvereinigung nur (leicht böse gesprochen) maskieren.
begreife ich noch nicht ganz. Wie kommst Du auf "maskieren"?

Wenn wir zum Beispiel den Begriff "unwiderstehlich" nehmen: sind darin nicht beide Tendenzen enthalten, sowohl das Bestreben, zu widerstehen, als auch das glückselige "Hingezogensein"? Anders gefragt: könnte ich ohne den Versuch zu widerstehen überhaupt wissen, wie stark die "Anziehungskraft" ist?

Ich halte es für einen Kurzschluß, in Rilkes Gedichten immer gleich nach einer Bewertung zu suchen. Das scheint mir nicht zum Typus "Ding-Gedicht" zu passen.
Und meiner Ansicht nach ist das "Liebes-Lied" so etwas wie ein "Ding-Gedicht", über das "Ding" Liebe.
Ich denke dabei auch an Erich Fried und sein "Es ist was es ist, sagt die Liebe" - hier ist die Liebe nicht das Objekt des Gedichtes, sondern das Subjekt:
Wenn die Liebe etwas sagt, dann, so Fried, kommt dabei "Sachliches Sagen" heraus... also genau das, was Rilke in seinen "Ding-Gedichten" tut...
Für mich ist das "Liebes-Lied" ein Gedicht über die Liebe, gesehen von jemandem, der in Liebe auf die Liebe blickt.

---

Und zum "Didaktischen":
joni hat geschrieben:Aber ich habe den Eindruck, dass diese Collagen-Geschichte nicht funktioniert, weil das Eigentliche des Gedichts eben ein sprachlisches Phänomen ist und die Story des Gedichts eben nur die Hardware.
:D Die "Story" als "Hardware", ja, da stimme ich Dir zu.
Aber das "Eigentliche" des Gedichtes... ich glaube nicht, daß das ein bloß "sprachliches" Phänomen ist.

Goethe spricht von der "Gestalt", die im bildenden Künstler ist, bevor sie "zum Stein gelangt". Und dann sagt er:
Goethe hat geschrieben:...denn nicht die Gestalt, die in der Kunst ruhet, gelangt in den Stein, sondern dorten bleibet sie, und es gehet indessen eine andere, geringere, hervor, die nicht rein in sich selbst verharret, noch auch wie sie der Künstler wünschte, sondern insofern der Stoff der Kunst gehorchte.
(Wilhelm Meister, "Aus Makariens Archiv")
Die "Gestalt" also ist noch "rein", solange sie nicht in Auseinandersetzung mit dem "Stoff" tritt. Und ist nicht die Sprache der "Stoff" der Dichtkunst?

joni hat geschrieben:Zusätzlich dazu glaube ich, dass die Schüler sich nicht trauen, das, was sie nach gehöriger Auseinandersetzung aus dem Gedicht herauslesen, in einem bildnerischen Ausdruck umzusetzen würden und könnten. So, wie sich Schüler meist nicht trauen, etwa eine Eröterung zum Thema "Handys - ja oder nein" wirklich ehrlich zu bearbeiten, sondern das schreiben, was sie meinen schreiben zu müssen um eine gute Note zu bekommen,
Ja. Hier gebe ich Dir recht. Und das finde ich sehr traurig. Ich finde, es wäre sehr sehr wichtig, das zu ändern.
Denn es ist mir nicht nur in Bezug auf Rilke sehr sehr unbehaglich, daß Schüler sich nur deshalb mit etwas beschäftigen, um eine gute Note zu bekommen. Dadurch wachsen Menschen heran (sind längst herangewachsen, das ist ja nicht erst seit gestern so!), die sich im Laufe ihrer Schulzeit daran gewöhnt haben, sich nicht um einer Sache selbst willen mit ihr zu beschäftigen, sondern aus äußerlichen Gründen, beispielsweise der Karriere und des Geldes wegen... ich möchte hier gar nicht weiter ausführen, wohin das führt...

Ich sehe ein, daß es in Fächern, in denen es um "Nützliches" geht, sehr schwierig sein wird, von dem Ziel abzugehen, daß die Schüler etwas lernen, um dann etwas zu wissen, was man überprüfen und benoten kann.
Aber in Fächern, in denen es um so "Unnützes" geht wie Kunst... könnte man da nicht damit beginnen, den Schülern zu vermitteln, daß es auch noch andere Werte gibt als gute Noten? Werte, die sie nicht auswendig*) lernen müssen, weil sie sie, wenn sie sich trauen, ehrlich zu sein, jederzeit in sich selbst wiederfinden können?

Herzlichen Gruß!

Ingrid (stilz)

---

*) Und wieder einmal fällt mir auf, wieviel schöner die Ausdrücke "by heart" oder "par coeur" sind... aber in diesem Zusammenhang hier meine ich tatsächlich: aus-wendig.
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
helle
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von helle »

joni hat geschrieben:Ich lese die ersten beiden Sätze als Antworten auf eine eindeutige Absage der Geliebten
- ich nicht. »Wie soll ich meine Seele halten, daß / sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie / hinheben über dich zu andern Dingen?« Einer eindeutigen (das Wort ist ohnehin etwas heikel in der Auslegung moderner Gedichte) Absage stehen spätere ›Sätze‹ doch entgegen: »alles, was uns anrührt, dich und mich, / nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, / der aus zwei Saiten eine Stimme zieht. / Auf welches Instrument sind wir gespannt?« Die Macht der Liebe erfaßt beide Liebenden – es ist nicht die Ohnmacht des Einzelnen, Zurückgewiesenen.

Rilkes Thema ist nicht, wie bei Heine, die unglückliche Liebe (»Ein Jüngling liebt ein Mädchen / Die hat einen andern erwählt / Der andre liebt eine andre« usw.), sein Thema ist der Besitzcharakter der Liebe, eine ebenso gesellschaftliche wie natürliche Angelegenheit. Ich will auf Rilkes persönliche Liebesfähigkeit bzw. –unfähigkeit nicht eingehen, schon, weil man so ein Gedicht ja nicht auf den Autor als Privatperson zurückführen soll (macht man natürlich doch). Ich glaube aber, daß hier eine wirkliche Fehldeutung vorliegt, wenn man die Angst des Sprechers außer Acht läßt, sich im anderen zu verlieren, weil er eigentlich unabhängig bleiben und seine Aufmerksamkeit »andern Dingen« zuwenden will. Idealer Weise, so verstehe ich es, wehrt sich sein Erkennen und selbst sein Empfinden gegenüber dem, was Welt ist, gegen diese Trübung und Einflußnahme durch die Liebe (zu) einer anderen Person. Das Sympathische ist aber, daß es sich vergeblich wehrt. Das macht den Dichter, sonst wär’s ein Dozent.

Grüßchen, h.
joni
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Re: Inhalt Liebes-Lied

Beitrag von joni »

Liebe Ingrid, lieber Harald,
ich habe diese Woche versucht, mich an die Lesart von Harald "hinzudenken" - es ist manchmal so schwierig, neben den eigenen Gedanken eine andere Möglichkeit hinzuzudenken oder gar die eigene Lesart nach "hinten" zu drücken. Aber ich kann nicht anders, als eine Absage (mein missverständliches "eindeutig" bezog sich nicht auf meine Einschätzung, sondern auf das Defintive der Absage) zu lesen.
Wieso soll denn überhaupt das lyrische Ich seine Seele anders halten?
Die Negationen im Werke Rilkes sind mir oftmals rätselhaft (vor langer Zeit las ich mal eine ganz interessante Doktorarbeit von Friedel Thiekötter, die allein diesem Thema gewidmet war), aber diese Negation "dass sie nicht an deine rührt", wird doch bedingt durch ein vielleicht selbst auferlegte (dazu später), oder dialogisch angelegte Liebes-Absage, die da heißen würde: "Halte deine Seele so, dass sie nicht an meine rührt!"
Aber das lyrische Ich sagt: "Das geht nicht! Wir schwingen so oder so immer zusammen!" Das ist m.E. beschwörend gemeint. "Auch wenn du das nicht willst, so kannst du doch nichts dagegen machen, weil wir beiden in 1 Instrument gespannt sind!"
helle hat geschrieben:Ich glaube aber, daß hier eine wirkliche Fehldeutung vorliegt, wenn man die Angst des Sprechers außer Acht läßt, sich im anderen zu verlieren, weil er eigentlich unabhängig bleiben und seine Aufmerksamkeit »andern Dingen« zuwenden will.
Wo steht denn das? Wo genau drückt sich diese Angst aus? Welchen "anderen Dingen" will er sich denn zuwenden? Ich kann die im Gedicht nicht finden! Es mag durchaus sein, dass die Angst vor Identitätsverlust in der Liebebeziehung sozusagen anthropologisch (oder jedenfalls bei Rilke) immer mitschwingt, aber explizit im Gedicht gesagt ist das doch nicht.
helle hat geschrieben:Das Sympathische ist aber, daß es sich vergeblich wehrt.
Das Vergebliche der Liebesabsage ist der rhetorische Trick des lyrischen Ichs. Es will ja erfolgreich geliebt werden und versucht trotz des Neins die Andere von der Unmöglichkeit zu überzeugen: "Sorry, honey, du distanzierst dich vergeblich - wir sind aneinander gebunden."
Natürlich ist das bei Rilke ästhetisch und wunderbar sprachlich überhöht - aber Absage bleibt Absage. Ausgelöst war diese Diskussion ja von der Frage, welchen "Inhalt" das Gedicht hat.
Ingrids Bemerkungen unter Heranziehung wunderbarer Zitate sind mir immer eine Bereicherung, so dass ich gar nicht widersprechen mag. Und doch möchte ich dafür plädieren, das einzelne Gedicht so weit es irgendwie geht unabhängig von anderen Gedicht-externen Aspekten zu lesen. Im "Liebes-Lied" sehe ich keine Vorbehalte des lyrischen Ich, sich auf die Liebe als gegenseitige Liebe einzulassen, keine Angst des Selbstverlustes, keine Absage, weil das lyrische Ich selbst keine "erfolgreiche" Zweisamkeit will.

Ich will gar nicht darauf pochen; es war nur ein Versuch, noch mal für meine Lesart zu werben - und weil ich es dann doch manchmal unbefriedigend finde, dass alle irgendwie Recht haben ... Aber ich weiß, dass das bei Lyrik eben so ist, sie vielleicht sogar ausmacht.
Lieben Gruß
Der Joni Reinhard
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