Visualisierung von "Liebes-Lied"

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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Siggy
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Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von Siggy »

Hallo Rilke Community,

Ich weiss, dass ihr nicht gerne auf Schüler stoßt die hier herkommen um sich bei den Hausaufgaben helfen zu lassen, bzw. sie komplett von euch erledigen zu lassen. Allerdings brauch ich nur einen kleinen Denkanstoß.

Wir haben einen so genannten "Langzeitauftrag" von unserer Lehrerin aufbekommen. Zu erst sollten wir uns ein Gedicht aussuchen (gab mehrere Auswahlmöglichkeiten), dieses auf Folie bringen und Interpretieren.
Das habe ich schon erledigt :)

Allerdings kommt jetzt die letzte Aufgabe: Die Visualisierung des Gedichtes!
Sprich wir sollen das Gedicht mit einem Bild darstellen für einen Gedichtkalender.
Leider bin ich künstlerisch absolut unbegabt und null kreativ was solche Sachen anbelangt.

Deshalb wollte ich fragen ob mir vlt jemand ein paar Tipps geben kann, vlt hat ja jemand schon einmal so etwas für ein anderes Gedicht gemacht?

Hier nochmal das Gedicht:

Liebes-Lied
Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt,wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Spieler hat uns in der Hand?
O süßes Lied.


Bin für jeden Vorschlag dankbar.

mfg

Siggy
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lilaloufan
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von lilaloufan »

Liebe Siggy,

freu’ Dich nicht zu früh, dass schon jemand antwortet. Ich kann Dir nicht wirklich mit einem Visualisierungsvorschlag helfen. Du wirst gleich verstehen, dass ich das nicht einmal tun will.

Aber Du kannst ja nix dafür, dass man Dir eine solche Aufgabe gegeben hat, die ich für abwegig halte und für unlösbar.

Deshalb schreibe ich Dir ganz ohne Widerstand gegen Deine Bitte.

In dem Geschehen, in das sich der Dichtende stellt und dessen Spur als das Gedicht uns vorliegt, mag in vielen Fällen dem Schreiben etwas vorausgehen, was eine Art Visualisierung sein kann, ein inneres Bilderströmen. Nicht feste Bilder, eher Bewegung von Bildhaftem. Dieses muss sich, ehe es Wort wird, ganz erlöschen lassen, denn wenn der Dichter „malt“, empfinden wir unmittelbar den ästhetischen oder mindestens den stilistischen Missgriff. Der Dichter wird den Schritt vom Bilderschauen zum inneren Hören tun. Sein inneres Wahrnehmen nähert sich dem inneren Durch-Fühlen. Aber selbst dann entsteht noch nicht ein Gedicht, allenfalls ein Geschwärme oder ein Singsang mit Worten. Jetzt fehlt der dritte Schritt, ein nochmaliges Umschmelzen des immer noch ganz innerlichen Erlebens: Der Wille zur Verdichtung muss einsetzen; Worte, die wie Rohmaterial längst da sein mögen, werden nun plastiziert und schließlich zum Sprach-Bau: Das ist das Gedicht – es zeugt von intuitiver künstlerischer Initiative. Wer die ersten Schritte auslässt, wird allenfalls reimen. Nicht dichten.

Nun merkst Du schon, worauf ich hinaus will: Ein Gedicht bedarf keiner Visualisierung – ärger noch: Visualisierungsversuche zerstören es. Denn sie sind Rückschritte: Das Gedicht selbst, es hat sein visuelles Stadium hinter sich. Es will vokalisiert, ausgesprochen, nicht sichtbar gemacht werden, um auch sinnlich zu sein.

Aber das, was dem Gedicht zugrunde lag, dieses Noch-Nicht-Sinnliche, Vorpoetische, das könnte man erneut zu verbildlichen versuchen.

Und zweitens ebenso gut das, was Du als Leserin, Hörerin, empfindest, wenn Du das Gedicht mit offenem Herzen aufgenommen (ja, wie Du schreibst, sogar „interpretiert“) hast.

Deshalb möchte ich Dich anregen: Visualisiere zunächst, ohne dass das Gedicht ertönt oder auf Folie zu lesen ist, als eine Art „Vorspiel“. Dann lasse das Gedicht für sich stehen; es wird ja immer reifer sein als Deine Zutat. Und danach visualisiere ein zweites Mal, aber nun nicht das dem Gedicht Zugrundeliegende, sondern das in Dir zum Klingen Gebrachte.

Ein solcher Dreischritt ist sogar ein guter Aufbau, selbst dann, wenn Dir wenig „schulisch brauchbare“ Bilder bzw. Medien einfallen sollten. Jedenfalls vermeidest Du den verbreiteten Matsch aus Weltkunst und Trivialbild.

So sehe ich Deine Aufgabe an. Ich weiß, dass man das ganz anders auffassen darf; dies ist aber kein Grund, Dir diese Gedanken hier vorzuenthalten.

Herzlich,
Christoph
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lilaloufan
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von lilaloufan »

Siggy hat geschrieben:…Sprich wir sollen das Gedicht mit einem Bild darstellen für einen Gedichtkalender.
P.S.: Den Satz hatte ich übersehen. Was für diese speziell festgelegte Aufgabe aus meinen Erwägungen folgt, darüber kann ich jetzt nicht nachdenken, weil mich gerade berufliche Aufgaben rufen. Aber ich denke, da wird noch einigen etwas künstlerisch Annehmbares einfallen :).
l.
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von gliwi »

Wenn wir jetzt mal die tollen Fremdwörter weglassen, könnte man einfach sagen: mach' ein Bild zu diesem Gedicht. Und dann, wenn man die hohen Ansprüche weglässt, kann man hier einfach was machen mit einem Saiteninstrument, vielleicht eine Collage, die ein Liebespaar mit einem Saiteninstrument kombiniert... Ich sehe das direkt vor mir, will es aber nicht näher beschreiben, weil ja nicht ich die Aufgabe mache. Vielleicht ist das zu primitiv, aber wenn ich das jetzt als Aufgabe hätte, würde ich es so machen. Ich fasse das als eine Art Buchillustration auf. Und dann würde ich mal mit den anderen reden, was sie zu ihren Gedichten machen, damit das ein wenig zusammenpasst. Vielleicht fallen einem dann noch originellere Möglichkeiten ein.
A propos: Rilke hat ja viele Gedichte über Bilder gemacht. Warum den Prozess nicht mal umkehren?
Gruß
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von lilaloufan »

«meine Seele» – «deine [Seele]»:
Sehe“ ich da wirklich ein Liebespaar?

Wie auch immer: Siggy, schau' hier mal in Thema 3063 rein; das lohnt sich – besonders wegen der Fragen nach den Bildern zu Spiel bzw. Saitenspiel.

Liebe Grüße in die Runde,
Christoph
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von stilz »

Also, ich würde wohl noch ein wenig anders an diese Aufgabe herangehen: mein erster Impuls wäre, zu versuchen (nach eingehender Beschäftigung mit dem Gedicht - und Du schreibst ja auch, Du hast es bereits interpretiert), mir über die "Emp-findung" klarzuwerden, die mir in diesem Gedicht ausgedrückt zu sein scheint. Und dann zu versuchen, diese (oder zumindest eine ähnliche) Empfindung in ein Bild zu fassen... oder nach einem Bild zu suchen, das eine solche Empfindung anregen könnte. Das ist wohl dem Ansatz Christophs nicht ganz unähnlich.
Aber bei näherer Überlegung wäre auch das Bild, das sich dann vielleicht einstellt, noch nicht das "Richtige". Denn es wäre entweder eine bloße Illustration, oder aber eine einfache "Übersetzung" in eine andere Kunstform...

Ich möchte dazu eine Stelle aus einem Brief zitieren, die ein Freund mir kürzlich zugänglich gemacht hat. Am 12. März 1921 beantwortete Rilke die Frage der Malerin und Buchillustratorin Gräfin Maria Viktoria Attems, wie er zu Illustrationen seiner Texte stehe:

"..., daß ich jeder – sowohl musikalischen wie zeichnerischen – Begleitung meiner Produktion, ach!, recht von Herzen abgeneigt bin. Liegt mir doch daran, den ganzen Kunstraum, der einem inneren Gegenstande sich bietet, mit meiner Hervorbringung auszufüllen. Ich mag es nicht wahr haben, daß da – (das Gelingen des Gestalteten in einem höchsten Sinne vorausgesetzt) daß da noch Platz bleiben kann für eine, nun ihrerseits auslegende und ergänzende andere Kunst. Die Illustration ist mir da ganz besonders fatal, weil sie dem freien beweglichen Spiel der Imagination (des Lesers) bestimmte einschränkende Diktate auferlegt: daß der Lesende aber in seiner Aufnehmung eines künstlerisch wirklich ausgebildeten Werkes – (für eine mindere lediglich unterhaltende Kategorie mag das illustrative Element ja zu billigen sein) – seine ganze eigentümliche Freiheit behalte, scheint mir zum Wesentlichen von dessen Wirkung zu gehören."

Wenn man trotz dieser eindeutigen Stellungnahme Rilkes dem "Liebes-Lied" eine bildliche Darstellung anfügen will, dann ist es meiner Meinung nach notwendig, dazu einen ganz neuen "inneren Gegenstand" ins Auge zu fassen und damit einen neuen "Kunstraum" zu eröffnen: das, was Rilke mit dem "Liebes-Lied" sagt, ist vollendet. Aber das, was es in einem heutigen Leser, in Dir, auslöst, und was Du dann damit innerlich "machst", das ist noch nicht gesagt.

Und gerade, wenn auf Deinem Bild schließlich weder eine Geige noch auch ein "Liebespaar" zu sehen wären, könntest Du damit dem Betrachter nicht nur vermitteln, wie Du das "Liebes-Lied" begreifst, sondern vor allem: warum Du es ausgesucht hast. Was Du dem heutigen Betrachter damit sagen willst. Es könnte dadurch ein ganz neues "Kunstwerk" entstehen, Deines; in dem das Rilke-Gedicht ein "Baustein" wäre.

Insofern finde ich es ja schön, daß es in Eurer Aufgabe nicht um "Illustration" gehen soll, sondern um "Visualisierung".

Ich habe leider keine Ahnung, wie ein solches Herangehen bei Deinem Lehrer ankommt (und fürchte ein wenig, er könnte dennoch eine bloße Illustration von Euch erwarten).

Alles Gute!

Ingrid

P.S.:
gliwi hat geschrieben: A propos: Rilke hat ja viele Gedichte über Bilder gemacht. Warum den Prozess nicht mal umkehren?
:D Du hast recht, mir ist sofort der "Archaische Torso" eingefallen... da hab ich ja selber vor kurzem geschrieben:
stilz hat geschrieben:Dieses "Wesentliche", das man in einem plastischen Kunstwerk zu erkennen meint, in Worte zu fassen, also sozusagen das Medium zu wechseln, ist ein schwieriges Unterfangen.
Nun, da ich Rilkes Gedanken über das Ausfüllen des "Kunstraums, der einem inneren Gegenstande sich bietet", kenne, bin ich ziemlich sicher: auch die Ding-Gedichte Rilkes sind nicht als bloße "Übersetzungen" dessen gedacht, was das betreffende "Ding" darstellt...
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von gliwi »

Natürlich nicht. Aber es handelt sich hier um SchülerInnen, nicht um KünstlerInnen. Ich finde, eure Erwartungen sind sehr hoch, stilz und lilalufan. Und ich merke noch an: mit uns LehrerInnen ist es wie mit den Müttern, wir machen es immer verkehrt. Man wirft uns"das Zerpflücken" vor, das angeblich das Erleben des und die Freude am Kunstwerk zerstört; probiert mal jemand was anderes, einen anderen Zugang, ist es auch wieder nicht Recht.
und fürchte ein wenig, er könnte dennoch eine bloße Illustration von Euch erwarten.
Ja, soll er denn die große Offenbarung erwarten? Dann wird er, das prophezeie ich ihm, in wenigen Jahren an Burn-Out leiden.
Gruß
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von stilz »

Liebe gliwi,

vielleicht ist es nicht gut herausgekommen in meinem posting: ich kann doch der Aufgabenstellung durchaus etwas abgewinnen!
stilz hat geschrieben: Insofern finde ich es ja schön, daß es in Eurer Aufgabe nicht um "Illustration" gehen soll, sondern um "Visualisierung".
Ich habe versucht, darzustellen, wie ich diese Aufgabe verstehe. Ich glaube nicht, daß es dabei um ein künstlerisch vollkommenes Endergebnis geht, sondern um ein Hineinspüren in künstlerische (und nicht bloß technisch-handwerkliche) Tätigkeit.

Meine Befürchtung, der Lehrer könnte dennoch etwas anderes erwarten, bezieht sich eben gerade darauf, daß es sich hier um eine Schüler-Anfrage handelt. Siggy muß selbst beurteilen, ob der betreffende Lehrer die Aufgabenstellung so gemeint haben kann, wie ich es angedeutet habe, oder ob er eben doch lieber eine bloße Illustration will (und daher womöglich alles, was ein wenig freier mit dem Thema umgeht, mit einer schlechten Note quittiert). Aus meiner eigenen Schulzeit weiß ich, daß sich das gerade bei Deutsch-Lehrern meist ziemlich gut beurteilen läßt :wink: . Darauf wollte ich mit meiner Klammer-Bemerkung aufmerksam machen. Es ging mir wirklich nicht darum, die Lehrer im allgemeinen schlecht zu machen.

Gute Nacht!

Ingrid
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von lilaloufan »

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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von lilaloufan »

stilz hat geschrieben:Wenn man (…) eine bildliche Darstellung anfügen will, dann ist es meiner Meinung nach notwendig, dazu einen ganz neuen "inneren Gegenstand" ins Auge zu fassen und damit einen neuen "Kunstraum" zu eröffnen: das, was Rilke mit dem "Liebes-Lied" sagt, ist vollendet. Aber das, was es in einem heutigen Leser, in Dir, auslöst, und was Du dann damit innerlich "machst", das ist noch nicht gesagt.

Und gerade, wenn auf Deinem Bild schließlich weder eine Geige noch auch ein "Liebespaar" zu sehen wären, könntest Du damit dem Betrachter nicht nur vermitteln, wie Du das "Liebes-Lied" begreifst, sondern vor allem: warum Du es ausgesucht hast. Was Du dem heutigen Betrachter damit sagen willst. Es könnte dadurch ein ganz neues "Kunstwerk" entstehen, Deines; in dem das Rilke-Gedicht ein "Baustein" wäre.

Insofern finde ich es ja schön, daß es in Eurer Aufgabe nicht um "Illustration" gehen soll, sondern um "Visualisierung".

Ich habe leider keine Ahnung, wie ein solches Herangehen bei Deinem Lehrer ankommt …
Dieses: „einen neuen Kunstraum Eröffnen“ empfinde ich als eine reizvoll anspruchsvolle Anregung, und ich beobachte an mir seit Deinem Beitrag, liebe Ingrid, dass ich bei solchen Versuchen gar nicht innere „Gegenstände“, sondern eher so etwas – schwer auszudrücken! – wie „innere Tätigkeiten“ ergreife; auch das trifft's noch nicht, es ist fast, wie wenn in Sätzen die Substantive fehlen. Nicht im Entlegensten kommen in diesem innerlichen Schaffen und Umschaffen Gegenstände wie Geige oder Liebespaar vor.

Und ich bemerke, dass mich schon der Versuch, dieses innere Geschehen künstlerisch umzusetzen, völlig überfordert, wenn ich von mir erwarte, es ins Sichtbare zu synästhetisieren.

Ich schreibe das NICHT, um zu wiederholen, dass ich die Aufgabe für abwegig hielte oder für unlösbar. Das will ich heute etwas anders beurteilen dank Deinem Beitrag, Ingrid. Aber ich halte sie – ganz unabhängig vom Anspruchsniveau des Lehrenden oder vom Ehrgeiz der SchülerInnen! – für schwierig, denn das erlebe ich ja. Mit dem leichten Zusammenkleben einer Collage kann sie eben gar nicht erfüllbar sein.

Und ich bin ganz davon überzeugt, dass - wenn man überhaupt einen solchen (modischen?) pädagogischen Zugang zur Poetik verantwortlich verfolgen möchte – hier Deutschlehrer wie SchülerInnen gleichermaßen eine ganz bestimmte Hilfe brauchen, notwendig: nämlich die des Kunsterziehers. Der wäre vielleicht sogar dankbar für die Herausforderung, über den Rand des eigenen Metiers hinaus in den Deutschkurs eingeladen zu werden. Ich glaube, ohne den Beistand von künstlerischer, hier: kunsterzieherischer Seite kann es nicht gehen; es wird sonst weniger als Quark herauskommen und nichts mit dem Beabsichtigten, der Vermittlung des Sprachkunstwerks, zu tun haben.

Womit ich nicht ausschließen will, dass die eine oder andere Persönlichkeit unter den Lehrerinnen und Lehrern die beiden Fähigkeiten vereint oder SchülerInnen aus beiden Talenten schöpfen. Aber auch in diesen glücklichen Fällen wird viel auf das (auch: methodische!) Potential ankommen, das für die Kunsterziehung entwickelt ist.

Ich erwarte nicht, in den Schulstuben sollten Zeugnisse künstlerischer Vollendung ausliegen, nein. Aber: Belege künstlerischer ANFÄNGE. Solchen Anfängen würde durch unverdiente Aufmerksamkeit für Dilettantisches ebenso der Schwung genommen wie durch eine in Resignation führende Überforderung (wiederum: auf BEIDEN Seiten).

Na, das muss ich keinem Lehrer sagen, das ist ja pädagogisch ganz selbstverständlich. Aber dass der Deutschlehrer in einem solchen Moment den fachnahen Kollegen zu Rate zieht und nicht Schülerinnen mit etwas herumeiern lässt was er selbst nicht beherrscht, das ist wohl so selbstverständlich leider durchaus nicht.

Das will ich zum Schluss noch sagen: Auch Ihr SchülerInnen, Siggy, könnt es anregen, ja nötigenfalls einfordern, dass der Fachbereich Kunsterziehung Euch da beisteht. Wenn ein solcher ("Lernfeld-")Zusammenhang gestiftet wird, dann war Eure Aufgabe viel wert, wie auch immer Ihr sie löst.

Meint
l.
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gliwi
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von gliwi »

Ich muss auch mal wieder anmerken: Wir bemühen uns hier seit 5 Tagen, und Siggy schweigt. Das ist auch nicht die feine Art. Wahrscheinlich kämen wir der Sache viel näher, wenn sie/er sich am Gespräch beteiligen würde. Der Lehrer hat bestimmt noch etwas dazu gesagt, vielleicht sogar ein Beispiel gezeigt. Also wenn da nichts mehr kommt, habe ich auch keine Lust mehr, darüber nachzudenken.
Gruß
gliwi
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lilaloufan
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von lilaloufan »

Liebe gliwi, Rainer Marias scherzhaftes: «Machen Sie mit!» ging ein wenig in diese Richtung. Aber Gedankenaustausch ist (grundsätzlich, also auch: hier) etwas so Wertvolles, dass wir seine Fortsetzung nicht abhängig sein lassen sollten von Eintreffen oder Ausbleiben der Beiträge – womöglich der Dankesbekundungen – der Anstoßgeber. Wenn so genannte „Eintagsfliegen“ sich nicht mehr melden, frage ich mich immer zuerst: Haben wir ihr Anliegen, haben wir vielleicht bloß ihre Sprache nicht getroffen? Ist unsere Beziehung zu ihnen vielleicht ganz schicksalsrichtig annehmbar eine bloß empfangende? Da möchte ich mich zum Beispiel bei Rilke-Newbie nur bedanken, nicht etwa sie gar noch schlechten Benehmens schelten.

Dennoch vermute ich ephemerals – auch Dich, @Siggy – noch unter den still Teilnehmenden eines Threads. Und deswegen, liebe gliwi, plädiere ich dafür, dort, wo wir Forumsteilnehmenden etwas (öffentlich, nicht nur per PN) zu sagen haben, sie nach Möglichkeit in der zweiten Person anzusprechen und nicht in der dritten über sie zu urteilen. Das ist nicht nur eine Stil-, Haltungs-, Webknigge-Frage, sondern auch eine Frage unserer Identität als Forums-Community, wie gerade Du, @Siggy, uns ja angesprochen hast. Wer ist dieses Wir, hier?

Fragt – {wirklich off topic???*)}
Christoph

---
*) Ist doch auch das Liebeslied in dieser Anrede-Form gehalten…
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Siggy
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von Siggy »

So nun melde ich mich auch mal wieder zu Wort.
Nicht, dass ihr denkt ich wäre einfach so verschwunden. Habe hier in letzter Zeit auch immer mal wieder reingeschaut und mir selber Gedanken gemacht, indem ich auch eure Anregungen einfließen habe lassen.
Allerdings habe ich in einer Woche jetzt 3 Klausuren geschrieben wodurch ich recht wenig, bis sogar gar keine Zeit hatte da ich ja auch noch andere Termine habe... Kann gliwi natürlich verstehen, bin normal auch niemand der so lange auf sich warten lässt vor allem nicht wenn ich ja einen Nutzen daraus ziehen will.

Ersteinmal vielen Dank für die vielen und langen (auf den ersten Blick erschreckend langen) Beiträge :)
Das Gute ist, dass ich wohl einer von den wenigen bin, die ihre "Visualisierung" noch nicht fertig haben und somit konnte ich schon 2-3 andere Arbeiten sehen.
Meine Mitschüler haben ,so wie gliwi das im 3. Beitrag glaube ich angedeutet hat, meißtens eine Collage gemacht. Nicht großartig anspruchsvoll, aber die haben sich halt auch gedacht, dass es nur Deutsch sei und man da jetzt kein Picasso etc. erwarten kann.

Da ich, wie schon erwähnt, absolut untalentiert bin was künstlerische Arbeiten angeht, denke ich werde ich wohl auch eine Collage machen auch wenn das wirklich nur das einfachste ist was man wohl machen kann.

Das mit dem Kunsterzieher, wäre zwar eine gute Idee, allerdings beschweren sich die Lehrer eh, dass sie schon genug zu tun haben und für auserunterichtliche Angelegenheiten sind diese kaum noch zu haben ;)
Ausserdem sind wir jetzt in der 13. Klasse, sprich jeder hat sich vor einem Jahr entschieden entweder Bildende Kunst oder Musik zu machen. Ca. 2/3 haben sich dann auch für Musik entschieden um genau solchen Aufgaben aus dem Weg zu gehen. Leider meinen viele Lehrer immer, dass wir das ja schon irgendwie hinbekommen. Ihnen ist dabei egal wie lange wir dafür brauchen hauptsache wir haben die Aufgabe erledigt. Zu oft wird dabei vergessen, dass es noch andere Fächer gibt in denen man Aufgaben aufbekommt.

Da ich nun, wie unsere Lehrerin heute in einem 2-stündigen Geschichtskurs (in dem nur wenige aus unserem Deutschkurs sind!!) verlauten ließ, muss ich meine "Visualisierung" bis morgen abgeben sonst gibts 0 Punkte.
Und da ich in Deutsch auch nicht gerade der hellste bin (bin wohl eher ein Naturwissenschafftler) kann ich mir das nicht leisten.

Von daher werde ich mich wohl an eine Collage ranwagen und hoffen, dass ich die einigermaßen hinbekomme.

mfg

Siggy
gliwi
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von gliwi »

Um Dankesbekundungen geht es mir gewiss nicht, Christoph, sondern um das Gespräch miteinander, und weil ich das vermisst habe, deswegen bin ich hier zur dritten Person übergegangen.
Also, Siggy, dann wünsche ich dir einen guten Erfolg mit deiner Arbeit.
Gruß
gliwi
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Re: Visualisierung von "Liebes-Lied"

Beitrag von stilz »

Lieber Christoph,

ich habe mich sehr über Deine Antwort gefreut. Ja, darauf wollte ich hinaus: eine solche Aufgabe kann meiner Meinung nach, wenn sie ernstgemeint und ernst nehmend gestellt ist, nur zum Ziel haben, die Schüler ahnen zu lassen, was das ist: "Kunst".
Und natürlich fehlen die Substantive, solange das Kunstwerk eben noch nicht da ist.
Aber wenn man sich dessen bewußt wird, daß die Verben da sind, dann ist das schon viel...

meint

Ingrid

P.S.: Und liebe(r) Siggy, natürlich wünsch auch ich Dir viel Erfolg, selbst wenn es nun doch "nur" eine Collage wird. Wie gesagt, mir ging es in meiner Antwort wirklich nicht um das "Substantiv", das fertige absolut wundertolle "Kunstwerk"; das ist schließlich wirklich "nur" für die Schule, "nur für Deutsch", wie Du sagst. Die Gedanken aber, die Du DIr dazu gemacht hast, die sind für die Zukunft... und da gilt: non scholae, sed vitae discimus, wie der Lateiner sagt... :D
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