Abiklausur: ''ich fürchte mich so + der schwan''

Von den frühen Prager Gedichten über Cornet, Neue Gedichte, Sonette und Elegien bis zum lyrischen Grabspruch

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simon
Beiträge: 3
Registriert: 25. Okt 2008, 20:31

Abiklausur: ''ich fürchte mich so + der schwan''

Beitrag von simon »

Moinsen!

Ich hab Montag meine Abiklausur im Deutsch-LK geschrieben.
Ich fühlte mich dabei ganz gut, doch wollte ich mal wissen, ob ich
nicht doch blödsinn geschrieben hab :D.

Die Aufgabe war, anhand des Gedichtes ''Ich fürchte mich so, von 1899,
Rilkes dichterisches Selbstverständnis herauszubilden, und dann erklären,
inwiefern er in dem Gedicht ''Der Schwan, von 1906'' dieses Selbstverständnis
erfüllt.

Geschrieben hatte ich dann zu dem 1899'er im groben:
-Kritk an dem respektlosen Umgang mit der Natur
-Kritik an Menschen, Materialismus, Fin de siecle
-Kritik an den Menschen, dass sie mit sprache
alles kategorisieren wollen..

Also sah er sich als Aufklärer, die Menschen zu den''wahren Werten''
zurückzuführen..

Im zweiten Gedicht hab ich dann geschrieben, dass er die aufklärerische
Rolle gut erfüllt, seine Prinzipien, dass Gedichte nicht zur Unterhaltung dienen sollen,
beibehält, dabei jedoch Kritik aus Gedicht #1 bezüglich der Sprache verwirft. Denn
mit dem Dinggedicht Schwan konkretisiert er die Dinge ja sehr krass...

Erklärt hab ich dass dann mit der Entwicklung durch Worpswede, Paris, Rhodin
und dass er seine aufklärerische Rolle ja nur verstärkt, dadurch dass er nun mehr Leute
erreicht mit seiner sprachlichen Evolution durch Rhodin!

Bewiesen letztendlich dadurch, dass wir uns ja auch in einem neuen Fin de Siecle
befinden und wenn das auf uns so krass wirkt, muss es ja auf damalig lebende
ja noch krasser gewirkt haben..

Das ist meine Klausur staaaaaark zusammengefasst.. waren 13 Seiten!

Jetzt wollte ich von euch Experten mal hören, was ihr dazu gesschrieben hättet :)

Lg
gliwi
Beiträge: 941
Registriert: 11. Nov 2002, 23:33
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Re: Abiklausur: ''ich fürchte mich so + der schwan''

Beitrag von gliwi »

Hallo Simon,
In welchem land ist denn Rilke Abiturthema? Und wo wird jetzt schon Deutsch geschrieben? Unsere hier sind erst am 26. März dran.
Ja, es hört sich gut an in der Zusammenfassung. Ich hoffe, du hast dabei den Gedichten genug Raum gelassen. Ich persönlich bin nicht so begeistert, wenn meine SchülerInnen seitenweise Literaturgeschichte reproduzieren, aber vielleicht sollt ihr das ja? Rilkes dichterisches Selbstverständnis - nicht ganz einfach! Das war ja auch nicht immer gleich während seines ganzen Lebens. Dazu würde eigentlich "Werkleute sind wir, Knappen, Jünger, Meister" gut passen.
Gruß
gliwi
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. KANT
simon
Beiträge: 3
Registriert: 25. Okt 2008, 20:31

Re: Abiklausur: ''ich fürchte mich so + der schwan''

Beitrag von simon »

Hey,
Rilke ist in Hamburg Abithema.
Ja, ich habe versucht erst das historische zu klären,
danach auf die Gedichte einzugehen und in der zweiten
Aufgabe dann auf die Gegenwart als ''Beweis''.

Ja- ich habe versucht herauszustellen, dass man
eigentlich anhand eines Gedichtes von 1899 keinenfalls
sein Selbstverständnis herausbilden kann, denn gerade
durch Worpswede und Rhodin hat er sich ja ganz stark
verändert..

Aber danke für die positive Rückmeldung.. ein paar
mehr vielleicht noch? ;)
stilz
Beiträge: 1226
Registriert: 26. Okt 2004, 10:25
Wohnort: Klosterneuburg

Re: Abiklausur: ''ich fürchte mich so + der schwan''

Beitrag von stilz »

Lieber Simon,

weder bin ich Expertin in Literaturwissenschaften, noch auch habe ich vor, jetzt eine Abi-Arbeit zu schreiben :wink: - aber ich bin etwas anderer Ansicht und möchte dem hier doch Ausdruck verleihen:
simon hat geschrieben: Die Aufgabe war, anhand des Gedichtes ''Ich fürchte mich so, von 1899,
Rilkes dichterisches Selbstverständnis herauszubilden, und dann erklären,
inwiefern er in dem Gedicht ''Der Schwan, von 1906'' dieses Selbstverständnis
erfüllt.
...
..., dass er ... dabei jedoch Kritik aus Gedicht #1 bezüglich der Sprache verwirft. Denn
mit dem Dinggedicht Schwan konkretisiert er die Dinge ja sehr krass...
Also - das erschließt sich mir nicht so ohne weiteres, inwiefern in dem Gedicht "Der Schwan" auch nur irgendetwas von der Kritik, die in "Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort" ausgesprochen ist, verworfen sein sollte.

Die Frage zielt ja zunächst auf das "dichterische Selbstverständnis" - nun, das findet sich wohl am ehesten in den beiden Zeilen, die - im Gegensatz zu den vielen "kritischen" - als einzige vom (positiven) Willen des Dichters sprechen:
  • Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
    Die Dinge singen hör ich so gern.
Es scheinen sich alle einig zu sein, daß "Der Schwan" ein Ding-Gedicht ist (sonst hätte gliwi längst widersprochen :wink: ). Und damit ist der "Schwan" also eines von den "Dingen", die Rilke so gern singen hört.

Wie schade, daß in der Themenstellung nicht auch noch ein anderes Gedicht genannt wird (in meinem Band steht's in demselben Zyklus, "Mir zur Feier", also wohl aus derselben Zeit), übrigens eines meiner Lieblingsgedichte:
  • Die armen Worte, die im Alltag darben,
    die unscheinbaren Worte, lieb ich so.
    Aus meinen Festen schenk ich ihnen Farben,
    da lächeln sie und werden langsam froh.

    Ihr Wesen, das sie bang in sich bezwangen,
    erneut sich deutlich, daß es jeder sieht;
    sie sind noch niemals im Gesang gegangen
    und schauernd schreiten sie in meinem Lied.
"Aus meinen Festen schenk ich ihnen Farben ... Ihr Wesen...erneut sich deutlich ... und schauernd schreiten sie in meinem Lied" - ja. Wenn ein Dichter es so macht, dann beginnen die Dinge wirklich zu "singen" ...

Und für mich ist gerade "Der Schwan" ein Beispiel dafür, wie das geht:
  • Der Schwan

    Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
    schwer und wie gebunden hinzugehn,
    gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.

    Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
    jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
    seinem ängstlichen Sich-Niederlassen - :

    in die Wasser, die ihn sanft empfangen
    und die sich, wie glücklich und vergangen,
    unter ihm zurückziehn, Flut um Flut;
    während er unendlich still und sicher
    immer mündiger und königlicher
    und gelassener zu ziehn geruht.
Rilke nimmt ganz normale, gewöhnliche Wörter: schwer, gebunden, hingehen; fassen, Grund, täglich, stehn, ängstlich, niederlassen; Wasser, empfangen, vergangen, zurückziehn; still, sicher, mündig, gelassen, ziehn --- sie alle könnten auch in einem ganz alltäglichen Gespräch vorkommen, ja, die meisten könnten sogar in einem geschäftlichen Brief stehen...
Aber Rilke stellt sie in einen Zusammenhang, der weder im Geschäftsbrief noch auch in alltäglicher Konversation zu finden ist.
Und dadurch beginnt der "Schwan" zu "singen" und wird zu etwas ganz anderem als bloß - wie es beim "krassen Konkretisieren" geschähe - zum größten der "Entenvögel", der Familie der Gänse zugeordnet, mit rein weißem Gefieder (wenn's nicht gerade schwarz ist :wink: ), einer riesigen Flügelspannweite und im Vergleich dazu ziemlich kurzen Beinen...

Solchem "deutlich Aussprechen" ist Rilke meiner Meinung nach auch in dem Gedicht "Der Schwan" wirklich fern geblieben.

Lieben Gruß!

stilz

P.S.: Weil's gar so systematisch in Deinen postings auftaucht: Der Mann hieß Rodin, nicht "Rhodin".
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
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