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Anmerkung der Moderatorin:
Dieser originelle Beitrag erschien ursprünglich in diesem Zusammenhang
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Mein inneres Gärtnern war herrlich diesen Winter. Das plötzlich wieder heile Bewusstsein meiner tief bestellten Erde ergab mir eine große Jahreszeit des Geistes und eine lange nicht mehr gekannte Stärke des Herzstrahls. Ich setzte mich und dilettierte in meiner Klause so vor mich hin, während das Glimmen des Kanonenofens wohlige Wärme im Raum verbreitete. Ach, was taten da die Gedanken an verschneite Gartenlandschaften gut, man musste ja nicht draussen sein. Kinder warfen Schneebälle ans mit Eisblumen überzogene Stubenfenster, und ein struppiger Hund jagte eine Katze über die verschneite Gasse. Ob sie wohl überlebt, fragte ich mich. Es schneite in Strömen. Ich nahm einen Schluck aus der Flasche mit dem Selbstgebrannten und fand in einem alten, vergilbten Folianten dieses seltsame Gedicht. Stammt es von Meister Rilke? Oder war mein Vorfahre der Autor? Aber vielleicht auch Hö... Ich weiß es nicht mehr ... der Dreifachgebrannte ...
Winterkirschen
In Silberrücken eingeschleiert
Steht jetzt der Baum,
Und strecket seinen nackten Podex
Dem Himmel zu.
Wo jüngst das reife Gold des Fruchtbaums
Geblinket, hängt
Jetzt Eis herab, das keine Sonne
Zerschmelzen kann.
Entblättert steht die Rebenlaube,
Die mich in Nacht
Verschloß, wenn Phoebus flammenatmend
Herniedersah.
Das Blumenbeet, wo Florens Töchter
In Morgenrot gekleidet,
Wohlgeruch verhauchten,
Versinkt in Schnee.
Nur du, mein kleiner Buchsbaum, pflanzest
Dein grünes Haupt
Dem Frost entgegen und verhöhnest
Des Winters Macht.
Mit Bierschaum überzogen, funkelst
Du an der Brust
Des Mädchens, das die Dorfschalmeie
Zum Tanze ruft.
Ruh' sanft, mein Garten, bis der Frühling
Zur Erde sinkt,
Und Winterkirschen auf die Wipfel
Der Bäume streut.
Dann gaukelt Zephyr in den Blüten,
Und küsset sie,
Und weht mir mit den Düften
Freude in meine Brust.