Gilgamesch-Epos

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lilaloufan
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Gilgamesch-Epos

Beitrag von lilaloufan »

Das Gilgamesch-Epos hat Rilke, wie ich las, des Öfteren erzählt – und er äußerte auch, dass er es immer nur mündlich erzählen wollte. Im Brief an Katharina Kippenberg vom 19.12.1916 kritisierte er Burckhardts Zusammenfassung als „nicht durchaus glücklich“ und schrieb ihr: «Ich erzähl's besser»!

In einem Brief an Helene von Nostiz schrieb er an Sylvester 1916: «Ich habe mich mit der genauen gelehrten Übersetzung [gemeint ist die von Arthur Ungnad (1911) l.] eingelassen und an diesen wahrhaft gigantischen Bruchstücken Maaße und Gestalt erlebt, die zu dem Größten gehören, was das zaubernde Wort zu irgendeiner Zeit gegeben hat. [...] Selbst die weiten Text-Lücken wirken irgendwie konstruktiv, indem sie herrlich massive Bruchflächen auseinander halten. Hier ist das Epos der Todesfurcht, entstanden im Unvordenklichen unter Menschen, bei denen zuerst die Trennung von Tod und Leben definitiv und verhängnisvoll geworden war… Ich lebe seit Wochen fast ganz in diesem Eindruck.»

Wer weiß, ob irgendein Zeitgenosse Rilkes in seinen Lebenserinnerungen etwas über diese Gilgamesch-Erzählstunden berichtet hat?

Und ob Rilke irgendwo erwähnt, durch welchen Anstoß, welche Frage und auf welche Weise er im Herbst 1916 auf diese Lektüre gekommen ist?

Gruß in die adventliche Runde,
Christoph
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
Stefano
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Re: Gilgamesch-Epos

Beitrag von Stefano »

Kann es sein, dass Rilke einfach durch das Studium der alten Epen auf Gilgamesch gesoßen ist? Es im Zuge der Illias und Odyssee lesen wollte, da ja auch dort universell-archaische Themen wie Freundschaft, Tod und der eigene Nachruhm im Mittelpunkt stehen?
Wie dem auch sei, ich finde den Stoff auch faszinierend, will auch schon seit längerer Zeit die "neue" Bearbeitung von Raoul Schrott lesen, doch ich habe einfach noch nicht die Zeit dafür gefunden.
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lilaloufan
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Re: Gilgamesch-Epos

Beitrag von lilaloufan »

Als gute, anspruchslos schön erzählte Fassung kann ich die von Vojtech Zamarovský aus dem Dausien-Verlag empfehlen und auch die kurze Nachdichtung in Rhythmen von Hella Krause-Zimmer († 2002). Auch die Übertragung von Stefan M. Maul bei C.H.Beck wird von Rezensenten sehr gelobt. Im marix-Verlag gibt's die alte Übersetzung von Hermann Ranke (1924).

Zu Deiner Vermutung, Stefano, kann ich leider nichts sagen.

l.
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