Rilke und Bach

Allgemeine Fragen zu geistigen Interessen

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Paul A.

Beitrag von Paul A. »

Hallo,

ich möchte gerne zwei Hinweise loswerden - für historische Musikaufnahmen:

Historische Musikaufnahmen für Audiophile:

http://www.wolfgang-backes.de/

oder auch im Deutschen Rundfunkarchiv / Schallarchiv o.ä.:

http://www.dra.de/babelsberg.htm

Viel Erfolg wünscht Paul A.
e.u.
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Beitrag von e.u. »

Vielen Dank für die vielen nützlichen Hinweise. In Sachen Tonaufnahmen bin ich leider noch nicht fündig geworden. Es wäre schön, wenn sich noch was finden ließe.
Gruß: e.u.
e.u.
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Beitrag von e.u. »

Gerade wurde im Berliner Auktionshaus Stargardt ein Brief Rilkes an Alma Moodie versteigert. Im Katalog steht dazu:


E.Br.m.U. Muzot 3.IV.1923. 3 S. 4o. Mit gesiegeltem Umschlag. (2.500.—) An die Geigerin Alma M o o d i e (1900–1943) in Berlin, die Rilke in Muzot besucht und ihm dort vor- gespielt hatte. „Ma chère Musique, / souffrez que, cette fois, je me serve de cette langue en vous parlant, pour lais- ser l’autre (celle qui me sert d’instrument et d’argile pure) seule dans les pages que ce petit mot, vers vous, accompagne. Je rentre de la gare, par un long et admirable détour, et je m’étais agenouillé un petit instant à la Cha- pelle rustique du Village de Corin – une de ces chapelles qui consentent à tous les Dieux –, j’y ai prié qu’Ils vous bénissent, vos mains qui font chanter ce violon ( et vigoureux, votre épaule qui sert de support à son innombrable Vibration –, et la sève même qui monte dans la profondeur de votre jeune force! Et en rentrant, la première chose, pour commencer ma journée calme et recueillie, c’est de vous envoyer les ‘Somets’; vous êtes bien préparée à la lecture, mais, autant que je trouve un moment libre, je vous écrirai un tout petit commentaire pour vous rapprocher encore davantage de mon chant, vous qui, généreusement, m’avez tout entouré du vôtre. Commencez entre temps par l’Ex-voto du ‘Cheval blanc’ dont je vous avais parlé (page 26). En face, page 27, vous trouverez une petite Chan- son printannière, Chanson d’enfante, qui m’a été dictée par un souvenir de musique ...“ Über den Eindruck, den Alma Moodies Spiel auf den Dichter hinterließ, schrieb er am 7. April 1923 an Marie von Thurn und Taxis: „Ich habe eigenthümlich feierliche Ostern gehabt; durch zwei Tage hat lauter Bach bei mir geklungen in der herrlichen Geigenstimme, die die junge ... Geigerin, Alma Moodie, zu erwecken weiß“. Vier Tage später rühmte er in einem Brief an Nanny Wunderly-Volkart: „Welche Geigenstimme, welche Fülle, welche Entschlossenheit. Das, und die Sonette an Orpheus; das waren wie zwei Saiten derselben Stimme“.
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo,

hier noch ein weiterer Tipp zu Alma Moodie:

...in MGG und New Grove steht sie nicht (und daher auch keine
Diskographie). Es ist aber gerade ein neues "Lexikon der Violine" beim Laaber
Verlag erschienen, da sollte sie (mit Diskographie) drin stehen. In jeder
besseren Bibliothek müßte das vorhanden sein.

Liebe Grüße und viel Erfolg, Barbara :lol:
und - als Gast - Rebekka :wink:
Louise

Beitrag von Louise »

Hallo,

mich interesisert, ob Rilke auch etwas geschrieben hat über Beethovens "Missa Solemnis" ? Wir singen sie gerade im Chor. Ende November ist unser Konzert . Ganz schon schwierig , aber toll !

Liebe Grüße von Louise :lol:
Arena
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ohne Titel

Beitrag von Arena »



Guten Abend, Louise,

Rilke besuchte am 24.März 1900 eine Aufführung von Beethovens "Missa solemnis" und schrieb ins Tagebuch: "Gestern abends Beethovens 'Missa solemnis' gehört. - Besonders herrlich fand ich den Jubel im Credo und im Gloria. Die Erziehung zum Jubel". Es folgt das Gedicht "Aus dem hohen Jubelklanggedränge ...".

Viel Freude weiter im Chor wünscht Renée (Arena)
Fritz

Johannes Passion

Beitrag von Fritz »

Hallo,

hat Rilke auch Bachs "Johannes-Passion" gehört und etwas dazu gesagt oder geschrieben ? Wir proben momentan sehr viel - das ganze Wochenende :roll: !

Fritz :lol:
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lilaloufan
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Beitrag von lilaloufan »

Barbara hat geschrieben:
den Brief - mit Fotos - gibt es übrigens auch im Internet unter

http://mailer.uni-marburg.de/~naeser/rilke.htm
Hallo Barbara,

der Link funktioniert leider nicht; hast du's gecached?
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo,

Der Text stammt aus einem Brief an Nanny Wunderly-Volkart (1878-1962) vom 22.3.1920 über eine Aufführung von J.S. Bachs Matthäus-Passion am 21.3. im Münster zu Basel. Rilke legt dem Brief das Text-Heft bei, in dem er das Sopran-Rezitativ "Er hat uns allen wohlgetan" und das Baßrezitativ "Am Abend, da es kühle war" markierte:

Hat die Musik gstern in mir nachgewirkt?: sie war, wie fast alles, ein Zu-viel für mich im jetzigen Augenblick, und die Scheu und Abwehr, in die mich die Vorgänge in Locarno versetzt haben, wirkte auch hier zuerst gegen den Zudrang des Mächtigen. Dem ersten Theil hielt ich mich fast unbewegt gegenüber, aber, da wir um acht wieder ins Münster kamen, wußte ich mich vom ersten Moment an betheiligter, und dieser Theil bringt ja auch erst das eigentliche Gebirg der Passion, mit den großen Leidenschaften vor der hinaufgehobenen Seele. [Karl] Erb , als Evangelist, war von großartigster Beherrschung. Zurückhaltend und doch unabweislich deutend, wie eben ein Zeigender, wußte er eine männliche Milde in die Interpretation seiner Sätze zu legen, so daß mit ihnen zugleich ein Bett er Empfindung gegeben war; an ihm lag es ja, alle Vorgänge heraufzuführen: niemand hätte sie größer ankündigen können, nie maaßte sich seine Stimme eine Beschwörung an, ein eigenmächtiges Aufrufen des Geschehens, sodaß jede Wendung aus der Tiefe ihrer eigenen Bestimmtheit hervortrat, nur eben angesagt, nie überholt von der Stärke des Erzählers. Vielleicht, daß der Bach'sche Evangelist noch einfältiger sein dürfte in dem durchaus protestantischen Geiste dieses enormen Werkes, nebenstehender, überraschter: die Erb'sche Auslegung und Führung verlangt nicht durchaus den Gläubigen sich gegenüber, sie ging selber aus Betrachtung und Abstand hervor, nicht aus dem Erlebnis, für den heutigen Hörer mochte sie die richtigste und entsprechendste sein. In den größesten Stellen stand man indessen doch im Gefühle Bachs, das mir unendlich herrlich wurde, wo es, um sein Großartigstes zu erweisen, seine schlichtesten und strengsten Erfahrungen in Gebrauch nahm: ein unermüdlich gekonntes Handwerk und einen ununterbrochen geübten Glauben. Wie rein, wie ohne nach Wirkung zu drängen, sind die Anwendungen seiner Empfindung. Unvergeßlich zeigt sie sich, wenn nach der Frage des Landpflegers: "Was hat er denn Übles gethan?" und den folgenden Versen, die die Kreuzigung verlangen, die Erklärung von Christi Wohlthun und Unschuld eingeschoben wird, in einem weich von Flöten begleiteten Rezitativ, einem Musik-Thal von solcher Milde des Klima's, daß, drin noch verweilen zu müssen, fast über die Kräfte geht, wo man doch nichts als Härten und Schrecknisse vor sich sieht, bis zu jenem steilen Gipfel im ewigen Schnee des Opfers.
Die in mir zunehmende Schwierigkeit, am christlichen Erlebnis unmittelbar betheiligt zu sein, hat mich verhindert, zum Gegenstande selbst diejenige Hingerissenheit zu fassen, die die Aufnehmung des Ganzen zum Ereignis machen müßte. Mit ist, im Gegentheil, wiederum recht fühlbar geworden, wie sehr diese Verabredung, zu der Gott und Mensch in der Leidensgestalt Christi zusammenkommen, mir das Geheimnis beider, Gottes sowohl, als das des Menschen durch das Verbundensein mit der Passion eine wesentliche Erleichterung geschaffen wird, so bleibt doch auf der anderen Seite auch Gott, der immer neue Mittel der Rettung hat, an diesen anerkannten Ausweg gebunden. Mein unmittelbar gläubiges, mein unbedingtes Herz, kann keinen Gott fassen, der durch das Bestehenbleiben eines Mittlers schließlich verarmen müßte, denn was sollte die Kanalisierung seiner Kraft, die doch von je gewohnt war, alles zu überfluthen und uns die drängendsten Überschwemmungen zu bereiten? Und gerade dieses elementarische Zu-viel Gottes hat so große Verwandtschaft mit der Natur der Musik, daß ich dieser größesten protestantischen immerhin das programmatisch eingeschränkte Gemüth vorwerfen möchte, aus dem sie hervorgegangen ist, wenn man auch fortwährend zugeben muß, daß sie in ihr Métier so rein und redlich eingesetzt war, daß sie, über alle Vorsätze hinaus, ans Gewaltigeste hinreichen konnte.

Liebe, unzulänglich alles dies, ich fühls während ich's schreibe; müßte, um's besser zu erzählen, nicht so müde und unfähig sein, - oder wir hättens müssen gemeinsam anhören im Münster, wo man wunderbar ungestört war, fast wie ohne Nachbaren, ganz anders, als in jedem Konzert-Saal.



Der Link hat sich geändert. Es steht jetzt unter:

http://staff-www.uni-marburg.de/~naeser/rilke.htm

Aber, wer von uns gehört schon zum Staff an der Uni Marburg :wink: ?!

Barbara :lol:
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lilaloufan
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Beitrag von lilaloufan »

Danke, Barbara, das ist ein spannender Fund für mich!
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lilaloufan
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Re: Rilke und Bach

Beitrag von lilaloufan »

Renée hat geschrieben:Lieber e.u., eine kleine Ergänzung zu Alma Moodie: In dem Band „Rilkes Leben und Werk im Bild“ von Ingeborg Schnack findet sich ein Foto von Ostern 1923, Werner Reinhard, Alma Moodie und Rilke bei einem Besuch in Muzot (Nr. 350 in der Ausgabe von 1966).
Herzlich : Renée
Das erwähnte Foto ist inzwischen auch online verfügbar.


l.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
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