Technik + Rilke ?

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Gast

Technik + Rilke ?

Beitrag von Gast »

Hallo,
welches Verhältnis hatte Rilke zu Maschinen und Technik?
Und stimmt es, dass echte Rilke-Fans technikfeindlich sind?
Danke für die Antworten!
Barbara
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rilke und technik

Beitrag von Barbara »

Hallo,

hier vielleicht eine moegliche Anwort - mit einem Sonett von R. M. Rilke -:

Sonett

O das Neue, Freunde, ist nicht dies,
dass Maschinen uns die Hand verdraengen.
Lasst euch nicht beirrn von Uebergaengen,
bald wird schweigen, wer das "Neue" pries.

Denn das Ganze ist unendlich neuer,
als ein Kabel und ein hohes Haus.
Seht die Sterne sind ein altes Feuer,
und die neuern Feuer loeschen aus.

Glaubt nicht, dass die laengsten Transmissionen
schon des Kuenftigen Raeder drehn.
Denn Aeonen reden mit Aeonen.

Mehr, als wir erfuhren, ist geschehen.
Und die Zukunft fasst das Allerfernste
rein in eins mit unserm innern Ernste.

RMR

Sicher ging die Zeit der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts auch an Rilke nicht unbemerkt vorbei ...

Ich bin - auch als neues Mitglied im Forum - gespannt auf weitere Beitraege.
Barbara :wink:
Paul A.
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Beitrag von Paul A. »

Hallo,

... dieses Sonett sollte - wie ich gerade erfahren habe - übrigens ursprünglich an Stelle des XX!. Sonetts des ersten Teils der "Sonette an Orpheus" von R.M. Rilke stehen . R.M. Rilke hat es dann ausgetauscht . Warum wohl ?

Das mit der Technikfeindlichkeit von Rilke-Fans kann doch wohl nur als Scherz gemeint sein, oder :wink: ?

Viele Grüße von Paul :)
"... Knaben, o werft den Mut/ nicht in die Schnelligkeit,/ nicht in den Flugversuch./ Alles ist ausgeruht:/ Dunkel und Helligkeit,/ Blume und Buch." (R.M. Rilke)
Barbara
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Beitrag von Barbara »

Hallo,

da gäbe es viel zu sagen , Paul. Ich verbinde ganz viel mit diesem Gedicht - zumal es für mich ein Wieder- und Neuentdecken Rilkes war. Über dieses Thema: "Rilke und Technik" habe ich den "Link" zwischen Literatur und Technik und daraufhin auch dieses Forum entdeckt ! Ausserdem bin ich ein Fan der 20er Jahre :wink: !

Auf jeden Fall ist es jetzt auch online bei "Gedichte" in der Rubrik "Die Gedichte 1922-1926"

http://www.rilke.de/gedichte/sonett.htm

Viele Grüße von Barbara :)
amado

Hilfe!!! Bitte...

Beitrag von amado »

könnte vielleicht jemand mir etwa mehr zum Thema Rilke ß Technik erzählen.brauche dringend information. hat vielleicht jemand einen refferat oder etwa ähnliches. würde sehr dankbar sein.
Martina
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Beitrag von Martina »

Das Thema "Rilke und Technik" berührt das Thema meiner Dissertation. Rilke ist stark durch den Geist der Jahrhundertwende (fin de siècle) beeinflusst. Eine Zeit, in der die Eisenbahn in Mode kam, Telegrafie und Röntgnenstrahlen erfunden wurden. Das alles hat zu einer starken Anhebung der Schnelligkeit im Alltag geführt. Rilke und andere Schriftsteller dieser Zeit haben darauf mit Verunsicherung reagiert und sahen das Manuelle, Individuelle bedroht. In seiner Ding-Philosophie geht es Rilke um die Einmaligkeit des Dings, das nicht en masse fabriziert wird. Das obige Gedicht spiegelt diesen Geist auch.
Paul A.
Beiträge: 172
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Beitrag von Paul A. »

Hallo Martina,

das schreibt Rilke auch in seiner Erzählung "Silberne Schlangen" . Ein Selbstmörder legt sich auf die Schienen, will im letzten Moment flüchten, wird aber von den Schienen festgehalten, da diese sehr glatt sind ... Die Schienen werden hier als Silberne Schlangen genannt . Lies es einmal selbst nach! Es ist sehr interessant !

Aber - hilf mir doch bitte mal auf die Sprünge -: was hat das mit C.G. Jung zu tun ?

Viele Grüße von Paul :lol:
"... Knaben, o werft den Mut/ nicht in die Schnelligkeit,/ nicht in den Flugversuch./ Alles ist ausgeruht:/ Dunkel und Helligkeit,/ Blume und Buch." (R.M. Rilke)
helle

Fanblock

Beitrag von helle »

Das hat jetzt nur am Rand mit der Fragestellung zu tun - aber ich finde die hier immer wieder auftauchende Bezeichnung "Rilke-Fan" so was von blöd. Der gute Mann ist doch kein Fußballverein oder Schlagersternchen.
Interssant finde ich vielmehr die in sein Werk eingehenden Widersprüche, teils zeittypisch, teils ganz unvergleichlich, oder anders gesagt, ebenso radikal zeitlich wie unzeitlich (wie in der Technik-Frage). Die Rede vom Fan reduziert das ganze doch auf ein plattes pro oder contra, die Rilke nicht gerecht wird,

meint Schlachtenbummler
H.
Martina
Beiträge: 8
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Beitrag von Martina »

Lieber Paul,
das Thema der Technikfeindlichkeit hat insofern etwas mit C.G. Jung zu tun, als auch Jung versucht hat, sich von der Außenwelt abzuschirmen. Beide waren Kinder derselben Zeit (beide geboren 1875) und des selben Zeitgeistes (Lebensphilosophie). Das weise ich mit meiner Dissertation nach und erkläre darüber viele Berührungspunkte zwischen Rilkes Dichtung und der Psychologie C.G. Jungs. Liebe Grüße.
Paul A.
Beiträge: 172
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Beitrag von Paul A. »

Hallo Martina, Hallo H.,

ich muss mir jetzt wirklich endlich mal Deine Diss irgendwo besorgen oder ausleihen , Martina ! Bin nur noch nicht dazugekommen , weil einfach zu viel los war ... Aber das Thema klingt sehr spannend !

Und - H. - ich stimm Dir da vollkommen zu, was den "Rilke-Fan" betrifft.... Vielleicht solltest Du das auch mal dem Mitglied schreiben, das sich hier als Rilke-Fan registriert hat :wink:

Viele Grüße von Paul (momentan mal wieder in Hannover :lol: )
"... Knaben, o werft den Mut/ nicht in die Schnelligkeit,/ nicht in den Flugversuch./ Alles ist ausgeruht:/ Dunkel und Helligkeit,/ Blume und Buch." (R.M. Rilke)
Mary

Technik und Rilke

Beitrag von Mary »

Hallo,

ich möchte gerne noch etwas zum Thema Rilke und Technik beitragen . Mir kommt es so vor, als ob er die Moderne, die technische Entwicklung, auch in seinen Schreibstil einbaut. Zb am Anfang vom "Malte" . Der Montagestil spiegelt die Technisierung der Stadt . Sie wird unfassbar für den Menschen. Der Sicherheit des früheren Lebens - auf dem Lande - treten die modernen Erscheinungen und Erlebnisse einer technisierten Großstadt gegenüber. Besonders deutlich wird das zb im 2. Kapitel des "Malte":

Daß ich es nicht lassen kann, bei offenen Fenster zu schlafen.



Elektrische Bahnen rasen läutend durch meine Stube. Automobile gehen über mich hin. Eine Tür fällt zu. Irgendwo klirrt eine Scheibe herunter, ich höre ihre großen Scherben lachen, die kleinen Splitter kichern. Dann plötzlich dumpfer, eingeschlossener Lärm von der anderen Seite, innen im Hause. Jemand steigt die Treppe. Kommt, kommt unaufhörlich. Ist da, ist lange da, geht vorbei. Und wieder die Straße. Ein Mädchen kreischt: Ah tais-toi, je ne veux plus. Die Elektrische rennt ganz erregt heran, darüber fort, fort über alles. Jemand ruft. Leute laufen, überholen sich.



Ein Hund bellt. Was für eine Erleichterung: ein Hund. Gegen Morgen kräht sogar ein Hahn, und das ist Wohltun ohne Grenzen. Dann schlafe ich plötzlich ein.


Gibt es noch andere Beispiele und was meint Ihr ?

Viele Grüße von Mary :lol:
Paula
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Beitrag von Paula »

Hallo allerseits,

ArchiSkulptur:
http://www.beyeler.com/fondation/d/html ... son_fs.htm -

Was hätte wohl A. Rodin dazu gesagt ?

Liebe Grüße von Paula :lol:
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Anna B.
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Beitrag von Anna B. »

Hallo,

hier ein interessanter Buchtipp zum Thema:

Wolfgang Hädecke: Poeten und Maschinen. Deutsche Dichter als Zeugen der Industrialisierung. München/Wien. 1993

Leider fehlt R. M. Rilke in dem Band :cry: !

Viele Grüße von Anna B.
:lol:
Bo

Beitrag von Bo »

hallo,
gerade ist zu einer Veranstaltung über Rilkes 'Sonette an Orpheus', die Ende 2003 in der Ev. Akademie Bad Boll stattgefunden hat, ein Materialband erschienen, der sich ausführlicher auch mit Rilke und Technik beschäftigt. Der Band ist wohl nicht über den Buchhandel, aber sicher über das Sekretariat der Akademie zu erhalten.
Vielleicht interessiert das?
Bo
Paul A.
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Beitrag von Paul A. »

Hallo,

das Thema Rilke und Technik läßt mich nicht mehr los - so faszinierend erscheint es mir . Deshalb hier nochmal der Hinweis auf weitere Themen, wo wir das bereits mitdiskutiert haben:

http://rilke.de/phpboard/viewtopic.php? ... eiffelturm

http://rilke.de/phpboard/viewtopic.php?t=1063

Und wie war das mit dem Eiffelturm im "Malte"? Da haben wir immer noch keine Antwort gefunden , warum der dort nicht vorkommt ! Vielleicht weiß ja jemand von der Rilke-Gesellschaft dazu Bescheid :wink: ?

Paul
"... Knaben, o werft den Mut/ nicht in die Schnelligkeit,/ nicht in den Flugversuch./ Alles ist ausgeruht:/ Dunkel und Helligkeit,/ Blume und Buch." (R.M. Rilke)
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