Schreiben Lernen

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Mikado
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Registriert: 4. Mai 2006, 20:26

Schreiben Lernen

Beitrag von Mikado »

Hallo,

nicht, dass ich gleich so schreiben können möchte wie Rilke mit seiner wundervollen Poesie. Aber lernen würde ich das Schreiben doch auch gerne. Wie fange ich es nur an ?

Mikado :D
"Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen." (Ernst Bloch)
stilz
Beiträge: 1226
Registriert: 26. Okt 2004, 10:25
Wohnort: Klosterneuburg

Re: Schreiben Lernen

Beitrag von stilz »

Hallo Mikado,

wir sind hier ja, glaube ich, eher eine Leser-Gemeinde als eine Schar von Dichtern...
Rilke selbst gibt jedenfalls diesen Rat:

"Sie fragen mich. Sie haben vorher andere gefragt. Sie senden sie [Ihre Verse] an Zeitschriften. Sie vergleichen sie mit anderen Gedichten, und Sie beunruhigen sich, wenn gewisse Redaktionen Ihre Versuche ablehnen. Nun (da Sie mir gestattet haben, Ihnen zu raten) bitte ich Sie, das alles aufzugeben. Sie sehen nach außen, und das vor allem dürften Sie jetzt nicht tun. Niemand kann Ihnen raten und helfen, niemand. Es gibt nur ein einziges Mittel. Gehen Sie in sich. Erforschen Sie den Grund, der Sie schreiben heißt; prüfen Sie, ob er in der tiefsten Stelle Ihres Herzens seine Wurzeln ausstreckt, gestehen Sie sich ein, ob Sie sterben müßten, wenn es Ihnen versagt würde zu schreiben.
Dieses vor allem: fragen Sie sich in der stillsten Stunde Ihrer Nacht: muß ich schreiben? Graben Sie in sich nach einer tiefen Antwort. Und wenn diese zustimmend lauten sollte, wenn Sie mit einem starken und einfachen ich muß dieser ernsten Frage begegnen dürfen, dann bauen Sie Ihr Leben nach dieser Notwendigkeit; Ihr Leben bis hinein in seine gleichgültigste und geringste Stunde muß ein Zeichen und Zeugnis werden diesem Drange. Dann nähern Sie sich der Natur. Dann versuchen Sie, wie ein erster Mensch, zu sagen, was Sie sehen und erleben und lieben und verlieren."


Mehr davon in den "Briefen an einen jungen Dichter", hier unter "Briefe" (es sind, wie Du ja vielleicht längst weißt, die an Franz Xaver Kappus).

Lieben Gruß!

stilz
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
helle
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Re: Schreiben Lernen

Beitrag von helle »

Ich hätte ein weiteres Zitat zu bieten, ein berühmt gewordenes Wort aus dem »Malte«:

»Denn Verse«, heißt es dort, » Verse sind nicht, wie die Leute meinen, Gefühle (die hat man früh genug), – es sind Erfahrungen. Um eines Verses willen muß man viele Städte sehen, Menschen und Dinge, man muß die Tiere kennen, man muß fühlen, wie die Vögel fliegen, und die Gebärde wissen, mit welcher die kleinen Blumen sich auftun am Morgen. Man muß zurückdenken können an Wege in unbekannten Gegenden, an unerwartete Begegnungen und an Abschiede, die man lange kommen sah, – an Kindheitstage, die noch unaufgeklärt sind, an die Eltern, die man kränken mußte, wenn sie einem eine Freude brachten und man begriff sie nicht (es war eine Freude für einen anderen –), an Kinderkrankheiten, die so seltsam anheben mit so vielen tiefen und schweren Verwandlungen, an Tage in stillen, verhaltenen Stuben und an Morgen am Meer, an das Meer überhaupt, an Meere, an Reisenächte, die hoch dahinrauschten und mit allen Sternen flogen, – und es ist noch nicht genug, wenn man an alles das denken darf. Man muß Erinnerungen haben an viele Liebesnächte, von denen keine der andern glich, an Schreie von Kreißenden und an leichte, weiße, schlafende Wöchnerinnen, die sich schließen. Aber auch bei Sterbenden muß man gewesen sein, muß bei Toten gesessen haben in der Stube mit dem offenen Fenster und den stoßweisen Geräuschen. Und es genügt auch noch nicht, daß man Erinnerungen hat. Man muß sie vergessen können, wenn es viele sind, und man muß die große Geduld haben, zu warten, daß sie wiederkommen. Denn die Erinnerungen selbst sind es noch nicht. Erst wenn sie Blut werden in uns, Blick und Gebärde, namenlos und nicht mehr zu unterscheiden von uns selbst, erst dann kann es geschehen, daß in einer, sehr seltenen Stunde das erste Wort eines Verses aufsteht in ihrer Mitte, und aus ihnen ausgeht.«

Soweit der »Malte« (ich hoffe, der Wortlaut ist richig, ich habe nur aus dem Netz kopiert) – vielleicht muß man auch das noch über Bord werfen können, jedenfalls sollte man sich auch nicht gleich entmutigen lassen; umgekehrt ist das ganze ja auch keine Gebrauchsweisung, nach der man die Ärmel hochkrempeln und einfach ans Werk gehen kann. Man sieht aber, wie Rilke sein Amt verstanden hat, und das kann einem bei der Frage helfen, wie man es selbst verstehen will.

Grüßle, h.
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