.Sabine. hat geschrieben:Ganz besonders interessiert es mich, ob er sich gegenüber Frauen wie ein Romantiker verhielt !?
Liebe Sabine,
zu dieser Frage möchte ich zwei Passagen aus einem der Kappus-Briefe
(14. Mai 1904) zitieren:
- Eines Tages (wofür jetzt, zumal in den nordischen Ländern, schon zuverlässige Zeichen sprechen und leuchten), eines Tages wird das Mädchen da sein und die Frau, deren Name nicht mehr nur einen Gegensatz zum Männlichen bedeuten wird, sondern etwas für sich, etwas, wobei man keine Ergänzung und Grenze denkt, nur an Leben und Dasein -: der weibliche Mensch.
Dieser Fortschritt wird das Liebe-Erleben, das jetzt voll Irrung ist (sehr gegen den Willen der überholten Männer zunächst), verwandeln, von Grund aus verändern, zu einer Beziehung umbilden, die von Mensch zu Mensch gemeint ist, nicht mehr von Mann zu Weib. Und diese menschlichere Liebe (die unendlich rücksichtsvoll und leise, und gut und klar in Binden und Lösen sich vollziehen wird) wird jener ähneln, die wir ringend und mühsam vorbereiten, der Liebe, die darin besteht, daß zwei Einsamkeiten einander schützen, grenzen und grüßen.
Und:
- Liebhaben von Mensch zu Mensch: das ist vielleicht das Schwerste, was uns aufgegeben ist, das Äußerste, die letzte Probe und Prüfung, die Arbeit, für die alle andere Arbeit nur Vorbereitung ist.
Wenn Du unter "romantisch" das "triviale", bloß konventionelle Verhalten eines Mannes einer Frau gegenüber verstehst, aus Höflichkeit, oder auch, um sie "rumzukriegen"

- in diesem Sinne war Rilke meiner Meinung nach
nicht "Romantiker".
Allerdings schien er den "weiblichen Menschen" viel deutlicher auf dem Weg zu dieser "Liebe von Mensch zu Mensch" zu empfinden, gerade im "Malte" kommt das immer wieder zum Ausdruck, oder auch an dieser Stelle desselben Kappus-Briefes:
- Dieses in Schmerzen und Erniedrigungen ausgetragene Menschentum der Frau wird dann, wenn sie die Konventionen der Nur-Weiblichkeit in den Verwandlungen ihres äußeren Standes abgestreift haben wird, zutage treten, und die Männer, die es heute noch nicht kommen fühlen, werden davon überrascht und geschlagen werden.
Vor diesem "auf dem Weg sein" der Frau wollte er sich "verbeugen", das wollte er "ehren". Und empfand, daß Goethe es in seinen Antwortbriefen an Bettine nicht "genügend" (jedenfalls nicht ihm,
Rilke, genügend) getan hatte.
Und auf diesem "Weg von Mensch zu Mensch" war Rilke auch selber unterwegs und sich seiner Mühen sehr bewußt. An Goethe kritisierte er wohl, daß er den Schritten auf ihn zu in der Art, wie Bettine sie machte, nicht in gleicher Weise entgegenkommen wollte
(sicherheitshalber möchte ich anmerken, daß ich damit nicht sagen will, daß ich Rilkes Urteil in dieser Sache teile. Eines solchen Urteils möchte ich mich lieber enthalten.).
Die
Gesten der Liebe auf diesem Weg "von Mensch zu Mensch" allerdings mögen sich, rein äußerlich betrachtet, oft nicht von denen eines "Romantikers" im trivialen Sinn unterscheiden... und so würde es mich auch nicht wundern, wenn jemand Deine Frage
doch mit "JA" beantwortet...

Eine kurze Frage ("War Rilke ein Romantiker?") bedeutet halt nicht immer, daß es auch eine kurze Antwort gibt...
Mir fällt dazu die Antwort des Sokrates auf die Frage "Was ist schön?" ein (nachzulesen in Platons "Gastmahl"):
- Mit jedem Handeln steht es so: an sich ist es weder schön noch häßlich. Was wir jetzt tun, trinken, singen oder reden, davon ist nichts an sich schön. Erst im Vollzug, wie es ausgeführt wird, erhält es seinen Charakter. Schön und richtig vollzogen wird es schön, unrichtig vollzogen häßlich.
Lieben Gruß!
Ingrid
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)