- «Für mich, so wie ich alles sehe und es, meiner Art und Anlage nach, erleben muss, besteht kein Zweifel, dass es Deutschland ist, das, indem es sich nicht erkennt, die Welt aufhält. Die vielfältige Zusammensetzung und weite Erziehung meines Blutes gewährt mir eine eigentümliche Distanz, dies einzusehen. Deutschland hätte, im Jahre 1918, im Moment des Zusammenbruchs, alle, die Welt, beschämen und erschüttern können durch einen Akt tiefer Wahrhaftigkeit und Umkehr. Durch einen sichtlichen, entschlossenen Verzicht auf seine falsch entwickelte Prosperität -, mit einem Wort: durch jene Demut, die so unendlich seines Wesens gewesen wäre und ein Element seiner Würde und die allem zuvorgekommen wäre, was man ihm an fremdartiger Demütigung diktieren konnte. Damals - so hoffte ich einen Augenblick - sollte in das seltsam einseitig und einwillig gewordene deutsche Gesicht der verloren gegangene Zug jener Demut, die in den Zeichnungen Dürers so konstruktiv anmutet, wieder eingetragen, nachgetragen werden! Vielleicht waren ein paar Menschen da, die das fühlten, deren Wünsche, deren Zuversicht nach einer solchen Korrektur gerichtet waren, - jetzt beginnt es sich zu zeigen und schon zu rächen, dass sie nicht geschehen ist. - Etwas ist ausgeblieben, was alles ins Maß gerückt hätte; Deutschland hat versäumt, sein reinstes, bestes, auf ältester Grundlage wieder hergestelltes Maß zu geben -, es hat sich nicht vom Grunde aus erneuert und umbesonnen, es hat sich nicht jene Würde geschaffen, die die innerste Demut zur Wurzel hat, es war nur auf Rettung bedacht in einem oberflächlichen, raschen, misstrauischen und gewinnsüchtigen Sinn, es wollte leisten und hoch- und davonkommen, statt, seiner heimlichsten Natur nach, zu ertragen, zu überstehen und für sein Wunder bereit zu sein. Es wollte beharren, statt sich zu ändern. Und so fühlt man nun: ...etwas ist ausgeblieben. Ein Datum fehlt, an dem Anhalt gewesen wäre-. Eine Sprosse fehlt in der Leiter, daher die unbeschreibliche Besorgnis, die Angst, das "Vorgefühl eines jähen und gewaltigen Sturzes"...»
Christoph