René unter Tage

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lilaloufan
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René unter Tage

Beitrag von lilaloufan »

Neulich bin ich der schwererträglichen Sommerhitze für eine Dreiviertelstunde in eine Tropfsteinhöhle entronnen, und auf dem Heimwerk stand ich auf der (immerhin erfrischend umwehten) Höhe eines süddeutschen Mittelgebirges, mit weitem Blick in die Ebene. Zwei Erlebnisse in starkem Kontrast!

In der Höhle hatte ich die Frage, ob Rilke berichtet, auch je in einer Höhle oder gar in einem Bergwerk gewesen zu sein. Für Novalis:
Novalis hat geschrieben:Der ist der Herr der Erde,
Wer ihre Tiefen misst


Der Vorwelt heil’ge Lüfte
Umweh’n sein Angesicht,
Und in die Nacht der Klüfte
Strahlt ihm ein ew’ges Licht.
war es ja eine wichtige Erfahrung auch im Hinblick auf seine sprachkünstlerisch-spirituelle Entwicklung, dieses „der Felsenglieder geheimen Bau“ zu verstehen.

Rilke ist ja viel herumgekommen – und die Stille, das Nachtdunkel, das „Innere“ auch der Erde, das alles könnte ihn interessiert haben. Man wird mich nicht für jemanden halten, der „Tiefe“ oder das „Innre“ allzu platt verstünde; aber die Innenwelt der Außenwelt kann schon dazu anregen, auch dem Inn’ren gleichsam von außen näherzutreten. Zumal dort, wo die Zeit nicht in Urlaubswochen, nicht in Lebensjahren, sondern in Jahrmillionen evolutionärer Epochen portioniert wird – während „da draußen“ zugleich der Fahrplan eingehalten wird…
RMR hat geschrieben:So ausgedehnt das «Außen» ist, es verträgt mit allen seinen siderischen Distanzen kaum einen Vergleich mit den Dimensionen, mit der Tiefendimension unseres Inneren, das nicht einmal die Geräumigkeit des Weltalls nötig hat, um in sich fast unabsehlich zu sein.
Kurz und gut: Ist euch bekannt, ob (wo?) Rilke einmal die unterirdische Welt betreten hat?
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
Paul A.
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Beitrag von Paul A. »

Hallo,

bekannt im real life ist mir das nicht, aber deutet nicht folgendes Gedicht auf so manche Erfahrungen "unter Tage" hin ?!


Das Gold



Denk es wäre nicht: es hätte müssen
endlich in den Bergen sich gebären
und sich niederschlagen in den Flüssen
aus dem Wollen, aus dem Gären

ihres Willens; aus der Zwang-Idee,
daß ein Erz ist über allen Erzen.
Weithin warfen sie aus ihren Herzen
immer wieder Meroë

an den Rand der Lande, in den Äther,
über das Erfahrene hinaus;
und die Söhne brachten manchmal später
das Verheißene der Väter,
abgehärtet und verhehrt, nachhaus;

wo es anwuchs eine Zeit, um dann
fortzugehn von den an ihm Geschwächten,
die es niemals liebgewann.
Nur (so sagt man) in den letzten Nächten
steht es auf und sieht sie an.


Paul :lol:
"... Knaben, o werft den Mut/ nicht in die Schnelligkeit,/ nicht in den Flugversuch./ Alles ist ausgeruht:/ Dunkel und Helligkeit,/ Blume und Buch." (R.M. Rilke)
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lilaloufan
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Re: René unter Tage

Beitrag von lilaloufan »

Hallo Paul,

ich erinnere mich, damals Dank und ausführliche Antwort geschrieben zu haben, aber offenbar hab' ich's versehentlich nicht abgeschickt, fällt mir eben erst auf.

Wenigstens den Dank will ich heute nachholen, denn genau das Gedicht, das Du hier einstellst, konnte ich heute Abend brauchen. :)

Lieben Gruß aus abendlichem Winterdunkel,
Christoph

P.S.: Meine ursprüngliche Frage behalte ich weiterhin, auf Eure biographischen Kenntnisse hoffend.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
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