Muzot

Paris und Frankreich, Russland, Schweiz, Skandinavien, Spanien, ...

Moderatoren: Thilo, stilz

Antworten
Benutzeravatar
lilaloufan
Beiträge: 863
Registriert: 18. Apr 2006, 18:05
Wohnort: Groß-Umstadt (Südhessen)
Kontaktdaten:

Muzot

Beitrag von lilaloufan »

Hat eine(r) von euch einmal Gelegenheit gehabt, in Rilkes Arbeitszimmer einmal allein zu sein, von Touris unbehelligt das Fluidum des Raumes zu eratmen, vielleicht ein wenig von der Einsamkeit und Stille des Orts zur Kontemplation zu nutzen? Wie mag das sein?
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
Diotimo
Beiträge: 4
Registriert: 13. Mai 2005, 14:23
Wohnort: Italien

Re: Muzot

Beitrag von Diotimo »

lilaloufan hat geschrieben:Hat eine(r) von euch einmal Gelegenheit gehabt, in Rilkes Arbeitszimmer einmal allein zu sein, von Touris unbehelligt das Fluidum des Raumes zu eratmen, vielleicht ein wenig von der Einsamkeit und Stille des Orts zur Kontemplation zu nutzen? Wie mag das sein?
ich weiss es nicht... :cry:
MikeInMKE
Beiträge: 37
Registriert: 5. Jun 2007, 14:34
Wohnort: Milwaukee

Re: Muzot

Beitrag von MikeInMKE »

Ich werde mit der Familie meiner Frau im kommenden Juni nicht ganz weit von Muzot und Sierre sein.

Wir wären dankbar, wenn uns die Forummitglieder hier Empfehlungen und Hinweise für Rilke-Orte im Süden von der Schweiz geben könnten!

der Mike in MKE
MikeInMKE
Beiträge: 37
Registriert: 5. Jun 2007, 14:34
Wohnort: Milwaukee

Re: Muzot

Beitrag von MikeInMKE »

Meine Frau und ich konnten einen Tag Anfang Juli in Sierre verbringen, das dortige kleine Museum der Rilke Stiftung besichtigen, und das Chateau Muzot anschauen. Auch haben wir Rilkes Grabstelle in Raron auf dem Rückweg besucht. Bei Interesse könnte ich Fragen beantworten oder sogar Bilddateien schicken.
Mike (jetzt wieder in den USA)
Benutzeravatar
lilaloufan
Beiträge: 863
Registriert: 18. Apr 2006, 18:05
Wohnort: Groß-Umstadt (Südhessen)
Kontaktdaten:

Re: Muzot

Beitrag von lilaloufan »

Ja: Eine mir sehr wichtige Frage von Barbara habe ich in #6581 aufgegriffen, aber leider hat sie noch niemand bisher hier beantworten können; jetzt setze ich eine Hoffnung auf Eure Reise-Erinnerungen, womöglich gar Euer Fotoalbum: Habt Ihr das Franziskus-Bild gesehen?

Gruß,
l.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
MikeInMKE
Beiträge: 37
Registriert: 5. Jun 2007, 14:34
Wohnort: Milwaukee

Re: Muzot

Beitrag von MikeInMKE »

Wir hatten im gewissen Sinne Glück: als die Angestellten des kleinen Museums gehört haben, dass Rilke die zentrale Figur in meiner Dissertation ist, durften meine Frau und ich ausnahmsweise hinein, obwohl an dem Tag das Museum der Öffentlichkeit gar nicht zugänglich sein sollte. Dort habe ich auch erfahren, dass das Chateau Muzot wohl immer noch im Besitz der Familie Reinhardt ist und keine Besucher erlaubt. Der Kurator des Museums darf wohl nicht mehr bei den Reinhardts anrufen!... Mir war es äußerst peinlich, dass ich seinen Namen nicht sofort gemerkt habe (Ebneter), obwohl er einige Bücher über Rilke herausgegeben hat...

Das Franziskus-Bild, das ich auch gern gesehen hätte, wurde wohl von Rilkes Mutter der kleinen Kirche/Kapelle gegenüber vom Schlösschen geschenkt (ich glaube allerdings, dass ich das irgendwo gelesen habe -- vielleicht im Museum...). Da war ich enttäuscht und überrascht, dass diese Kapelle verriegelt war (wenigstens zum Zeitpunkt unseres Besuchs).

Da wir nicht so viel Zeit hatten, sind wir nicht in das kleine Museum in Raron oben in der Nähe der Grabstelle gegangen. Das bedeutet, dass wir die Handschrift von Rilkes Testament nicht gesehen haben... Schade.
stilz
Beiträge: 1226
Registriert: 26. Okt 2004, 10:25
Wohnort: Klosterneuburg

Re: Muzot

Beitrag von stilz »

Am Abend des 29.Juli war's, einem Sonntag, so gegen 19.00, da gelangten wir nach Sierre, an den Umkehrpunkt unserer einwöchigen Fahrrad-Tour im Rhonetal. Es war ein sehr heißer Abend, es zog uns gleich aus dem Tal mit seiner städtischen Betriebsamkeit hinauf in die Weinberge - und so radelten wir schweißgebadet gen Muzot. Ich hatte Rilkes Wort an Gerd Kluge im Ohr (naja, nicht wirklich im Ohr natürlich :wink: ), dem er die im Winter schlechten Wege in seine Abgeschiedenheit nicht zumuten wollte...
Nun, jetzt ist alles asphaltiert, aber es geht steil bergan, bis man zum Turm von Muzot gelangt (ich mußte mein Radl ein paarmal schieben :wink: ).
"Schloß" würde ich es nicht nennen, es ist ein sogenannter "Wohnturm" (ein solcher Turm war es auch, der dann zur Bergkirche in Raron umgebaut wurde, wie ich am Tag zuvor erfahren hatte).
Bild
Ja - genauso sah es aus. Und mehr konnten wir auch leider nicht zu Gesicht bekommen - der Turm ist heute in privatem Besitz (wenn auch im Moment unbewohnt) und nicht öffentlich zugänglich, wie wir am nächsten Morgen in Sierre erfuhren (und wie ja auch Mike schon berichtet hat).
Ganz in der Nähe, einige Meter höher, steht eine kleine Kapelle (auch sie fanden wir verschlossen, ebenfalls Privatbesitz, und sie scheint niemals geöffnet zu sein, meinte jedenfalls das junge Mädchen in der Touristeninformation), früher war sie wohl der Heiligen Agnes geweiht (Rue St Agnes heißt jedenfalls die Straße), heute nennt man sie "St. Anna". Auf einem Hinweisschild unterhalb des Turms ist zu erfahren, daß Rilke diese Kapelle teilweise restaurieren ließ, daß seine Mutter nach seinem Tod eine "Schwarze Madonna" stiftete, und daß das Franziskus-Gemälde, das heute in der Kapelle hängt, zu Rilkes Lebzeiten im "Schloß Muzot" hing.
Durch ein kleines Fensterchen in der Kapelle konnte ich an der linken Wand den Rand eines hohen Gemäldes erspähen - das könnte es wohl gewesen sein.

Ja - und am nächsten Tag war Montag, da sind alle Schweizer Museen geschlossen; da wir nicht noch einen ganzen Tag länger bleiben konnten, mußte ich mich damit begnügen, am Tag zuvor in Raron an Rilkes Grab gestanden zu sein und auch das kleine Burgmuseum besichtigt zu haben.
Dort sah ich Rilkes handschriftliches Testament vom 27.10.1925, und ich habe mir die Stelle, die sich auf die Gestaltung des Grabsteines bezieht, abgeschrieben (weil ich mich beim Grabmal gewundert hatte, und auch, weil ich mich erinnerte, daß hier im Forum einmal nach dem Wappen gefragt wurde):

Das Wappen (: in der von meinem Urgroßvater geführten älteren Form, die
  • das kürzlich aus Paris mitgebrachte silberne Petschaft wiederholt),
den Namen, und, in einigem Abstand, die Verszeilen:
  • Rose, oh reiner Widerspruch, Lust,
    niemandes Schlaf zu sein unter soviel
    Lidern.
Gewundert hatte ich mich deshalb, weil wohl entweder der Grabstein zu schmal oder die Schrift zu ausladend geraten waren, jedenfalls sind die Zeilenumbrüche nicht so, wie sie hätten sein sollen:
Bild
Schade - so geht dieser ganz besondere Eindruck der abwechselnden Versfüße ein wenig verloren.

Wie dem auch sei - das Grabmal ist wunderschön (ebenso wie der Ausblick, den Rilke von dort hat :wink: ), und ich mochte auch das Museum.
Hier noch eine kleine Stelle aus einem Brief an Nanny Wunderly-Volkart, vom 14.10.1920 - wir waren eine ganze Woche im Valais, und ich kann sehr gut nachvollziehen, was Rilke meinte:
Liegts am Katholischsein: daß sich der Charme des 18. Jahrhunderts noch so vielfach in diesen Gegenden bewahrt hat?: in den Gärten fanden wir ihn, die Treppen waren noch wie bekränzt damit und wieviel Häuser, die sich noch nicht aufgegeben hatten!
(Ist es nicht herrlich, wie RMR seine Doppelpunkte setzt, ganz ohne sich darum zu kümmern, daß es schon ein Satzzeichen gibt :D )

Lieben Gruß!

stilz
"Wenn wir Gott mehr lieben, als wir den Satan fürchten, ist Gott stärker in unseren Herzen. Fürchten wir aber den Satan mehr, als wir Gott lieben, dann ist der Satan stärker." (Erika Mitterer)
Benutzeravatar
lilaloufan
Beiträge: 863
Registriert: 18. Apr 2006, 18:05
Wohnort: Groß-Umstadt (Südhessen)
Kontaktdaten:

Re: Muzot

Beitrag von lilaloufan »

stilz hat geschrieben: 14. Aug 2008, 17:04
Ganz in der Nähe, einige Meter höher, steht eine kleine Kapelle (auch sie fanden wir verschlossen, ebenfalls Privatbesitz, und sie scheint niemals geöffnet zu sein, meinte jedenfalls das junge Mädchen in der Touristeninformation), früher war sie wohl der Heiligen Agnes geweiht (Rue St Agnes heißt jedenfalls die Straße), heute nennt man sie "St. Anna". Auf einem Hinweisschild unterhalb des Turms ist zu erfahren, daß Rilke diese Kapelle teilweise restaurieren ließ, daß seine Mutter nach seinem Tod eine "Schwarze Madonna" stiftete, und daß das Franziskus-Gemälde, das heute in der Kapelle hängt, zu Rilkes Lebzeiten im "Schloß Muzot" hing.
Durch ein kleines Fensterchen in der Kapelle konnte ich an der linken Wand den Rand eines hohen Gemäldes erspähen - das könnte es wohl gewesen sein.
Im Internet finde ich dieses Bild:
Bild
[Die Seiten-Adresse ist:
https://www.flickr.com/photos/jlp45/843 ... 586890525/;
die Bildadresse:
https://c1.staticflickr.com/9/8464/8432 ... 6c86_n.jpg;
Bildrechte bei J.-L. Pitteloud].
Sollte es das gesuchte sein?
Es stellt Franziskus zwischen Johannes dem Täufer und dem hl. Antonius dar; oben unter der Trinität die Maria des Matthäusevangeliums, in katholischer Lesart „Himmelskönigin“, gekrönt, blauer Mantel über weißem Gewand. Rotgewandeter Christus mit filigranem Szepter in Weltenrichter-Geste, Gottvater mit der Linken die Erde nicht tragend, sondern die Schöpferhand auf ihr ruhen lassend. Der Hl. Geist als nicht aufwärts gerichtete oder abwärts sich senkende, sondern als aus dem Bild herauszuschweben scheinende Taube. Christi Linke und des Schöpfergotts Rechte segnend zu Maria hin; deren Linke nimmt das auf und reflektiert es zum Herzen hin, die Rechte gibt das so Verinnerlichte nach unten, zur Erde hin, ab. Franziskus in der Rechten ein schlankes Korpus-Kreuz haltend, das dem Betrachter abgewandt ist; am Gürtel der Kutte ein einfaches Kreuz. Die Linke des weiß gekleideten Täufers deutet nicht mit den Fingern, sondern mit der Handinnenfläche zu Christus hin. Franziskus im Erdbereich zwischen dem abwärts blickenden Gotteslamm und einem hinter Antonius zähnefletschenden Eber. Franziskus’ Blick linksaufwärts gerichtet, die Armgesten in Andacht. Alle drei Ringnimbusse der Heiligen vor dichtem Wolkenband, aus dem am oberen Bildrand über Christus der Kopf eines dunkel gekleideten, über Gottvater der eines in zartem Hell gekleideten Engels herauslugt. Leuchtende Farbigkeit nur im Bereich der himmlischen Sphäre; gestaltarmes Bildzentrum in der Nähe der Sprechorgane des Franziskus. — Eine zunächst dem in der figuralen Heiligenverehrungs-Volkskunst verbreiteten Bildaufbau entsprechende, bei näherem Hinsehen aber durchaus ungewöhnliche Bildkomposition.

l.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
Benutzeravatar
lilaloufan
Beiträge: 863
Registriert: 18. Apr 2006, 18:05
Wohnort: Groß-Umstadt (Südhessen)
Kontaktdaten:

Re: Muzot; Franziskus-Bild in der Chapelle Sainte-Anne

Beitrag von lilaloufan »

Eine Freundin, die Château Muzot-sur-Sierre en Valais vor Jahren besucht hat, bestätigt aus ihrer Erinnerung, dass das Bild in der Kapelle so aussah, voilà-ce-que-j'ai-trouvé! :D

l.
»Wir tragen leidenschaftlich den Honig des Sichtbaren ein, um ihn im großen goldenen Bienenstock des Unsichtbaren anzuhäufen.«
Antworten