Briefsonett an Ludwig Jacobowski 1896

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sedna
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Briefsonett an Ludwig Jacobowski 1896

Beitrag von sedna »

Authentisch samt Faksimile m.E. nur zu finden in:
Auftakt zur Literatur des 20. Jahrhunderts: Briefe aus dem Nachlaß von Ludwig Jacobowski / hrsg. von Fred B. Stern, Heidelberg : L. Schneider, 1974. Veröffentlichungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt; 47.
(Außerdem aufgenommen in: Sämtliche Werke Bd. VII, Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag 1997, S. 1202.)

An den hochverehrten Herrn Dr. Ludwig Jacobowski, in Erwiderung seiner gütigen Zeilen vom 21./ II.

Das Selt’ne freut. Und drum, mögt ihr erlauben,
daß ich’s gesteh’, — erfreut mich Euer Brief.
In meiner Seele hockt der Tadel — tief,
der einz’ge Rabe unter weißen Tauben.

Ich weiß garwohl: Oft hangen hoch die Trauben
Und, sie zu haschen, sprang ich manchmal schief.
Allein, daß Eigenart sich ganz verlief, —
die Botschaft hör ich, doch mir fehlt der Glauben.

Ich singe, wie michs drängt, und nicht um Lob;
Dank Eurem off’nen Wort; und nicht verdüstern
Soll sich mein sangesfroher Sinn darob.

Ich glaub’ Euch viel. Doch, Doctor, seht ich bin
Am Maienmorgen dennoch — „lerchenlüstern,“ —
Nennt’s Eigenart nun, oder — Eigensinn!

In aufrichtiger, dankbarer Ergebenheit
und Wertschätzung
RenéMaria Rilke
24./ II. 96


René und Maria im Original zusammengeschrieben!


sedna
die ein ausbrechendes Lied in die Unsichtbarkeit wirft!
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