Brief über Trakl

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Harald
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Brief über Trakl

Beitrag von Harald »

Helle hat schon vor Längerem einen Satz daraus zitiert. Hier ist der Brief in voller Länge:

München, Keferstraße 11
am 22. Februar 1917
Sehr geehrter Herr,
ich weiß nicht, wie es zusammenhängt, daß Sie daran gedacht haben, mir Ihr Buch über Georg Trakl zu senden; in jedem Fall entspricht mein Dank dem Impulse Ihrer gütigen Zuwendung.
Das Traklsche Gedicht ist für mich ein Gegenstand von sublimer Existenz. Nun erschütterts mich erst recht, wie die von Anfang an flüchtende, in Ihrer Beschreibung leise ausgesparte Gestalt imstande war, das Gewicht ihres fortwährenden Untergangs in so genauen Bildungen zu beweisen. Es fällt mir ein, daß dieses ganze Werk sein Gleichnis hätte in dem Sterben des Li-Tai-Pe: hier wie dort ist das Fallen Vorwand für die unaufhaltsamste Himmelfahrt.
In der Geschichte des Gedichts sind die Bücher Trakls wichtige Beiträge zur Befreiung der dichterischen Figur. Eine neue Dimension des geistigen Raums scheint mit ihnen ausgemessen und das gefühls-stoffliche Vorurteil widerlegt, als ob in der Richtung der Klage nur Klage sei —: auch dort ist wieder Welt.
Sie sehen aus meiner Einstellung, wie sehr mir die Mitteilung Ihres Buches erwünscht und unzufällig kommen mußte und glauben nun umso eher an meinen Dank.
Ihr
sehr ergebener
Rainer Maria Rilke

Zu Erhard Buschbeck (1889-1960):

Die erste Begegnung mit Georg (um 1896):

Meine Erinnerungen an Trakl reichen in die Zeit der Volksschule zurück, und ich sehe ihn noch vor mir, wie er am Salzach-Quai vor der protestantischen Schule, die ich besuchte, stand, um dort mit seiner Schwester den Religionsunterricht zu haben ... ein kleiner, gutgepflegter Bub, mit langen blonden Haaren, von einer französischen Bonne begleitet. Für uns Normalschüler hatten diejenigen, die bloß an manchen Nachmittagen zum Religionsunterricht kamen, wohl immer etwas besonders 'Feines', aber bei Trakl trat überdies noch ein Sichfernhalten von den anderen, ein scheues Absonderungsbedürfnis zutage. Irgendwie kamen wir damals doch zusammen, sprachen miteinander und kannten uns. Im Gymnasium war er dann eine Klasse ober mir.
... und Anfang glänzt / an allen Bruchstelln unseres Mißlingens
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